Deutsche Geschichte – In der Frankfurter Paulskirche entschied sich das Schicksal der deutschen Revolution von 1848/49

Sitzung der Nationalversammlung im Juni 1848

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Frankfurt, die Metropole am Main, hat in ihrer bis ins achte Jahrhundert zurückreichenden Geschichte große Ereignisse erlebt. 794 erstmals als Franconofurd erwähnt, stieg sie zur karolingischen, später staufischen Pfalz auf. In dem 1264 erstmals erwähnten Rathaus (dem Römer) wurden über Jahrhunderte die deutschen Könige gewählt, seit 1562 auch die Kaiser gekrönt. Schon im Mittelalter war Frankfurt durch seine Messen ein bedeutendes Fernhandelszentrum. Seit 1600 entwickelte sich das Bankenwesen (Rothschild, Bethmann). Die Erhebungen der Zünfte 1355 und 1366, die niedergeschlagen wurden, markierten die beginnenden sozialen Kämpfe. Im 17. Jahrhundert setzen die Zünfte ihre Beteiligung an der Stadtverwaltung durch. Karl Freiherr von Stein begründete hier die Monumenta Germaniae Historica. 1815 wurde Frankfurt Freie Stadt und Sitz des deutschen Bundestages.
In den Blickpunkt nicht nur deutscher, sondern europäischer Geschichte rückte die Mainmetropole, als hier am 18. Mai 1848 in der Paulskirche die in den deutschen Einzelstaaten gewählte Nationalversammlung zu ihrer ersten Sitzung zusammentrat. Das Bauwerk stieg nun zum wohl historisch bedeutendsten der Stadt auf. Es war von 1789 bis 1833 anstelle der abgerissenen mittelalterlichen Barfüßerkirche errichtet worden. Der klassizistische Rundbau des Architekten Johann Friedrich Christian wurde nun Schauplatz eines historisch schicksalhaften Abschnitts deutscher Geschichte.

In den revolutionären Kämpfen in Europa um den Sturz der Feudalordnung und die Errichtung einer bürgerlichen Gesellschaft spielte die deutsche Revolution vom März 1848 bis Juli 1949 eine herausragende Rolle. Auf der in der Paulskirche tagenden Nationalversammlung ruhten große Hoffnungen. Als verfassungsgebendes Gremium der deutschen Revolution und vorläufiges Parlament des zu schaffenden Deutschen Reiches errichtete sie am 28. Juni mit der Verabschiedung des Gesetzes über die Zentralgewalt eine vorläufige provisorische deutsche Regierung.

In heftigen und kontrovers geführten Debatten erarbeiteten die Abgeordneten eine Reichsverfassung, auch Paulskirchenverfassung genannt. In einem Grundrechtekatalog wurden Forderungen der seit 1815 in Opposition zu dem vom Wiener Kongress errichteten System der Feudalreaktion Metternichs stehenden liberal-nationalen Bewegung des Vormärz verkündet. Zustande kam eine sehr gemäßigte liberale Verfassung, die auf der Grundlage eines Kompromisses mit der herrschenden Feudalklasse die Interessen der Großbourgeoisie sichern sollte. Sie enthielt als bescheidenes Ergebnis der vorangegangenen revolutionären Kämpfe eine Reihe fortschrittlicher Artikel, sah eine politische Zentralgewalt vor und konnte der Bourgeoisie und ihren Produktivkräften Raum zur Entfaltung, damit aber auch der Arbeiterklasse günstigere Entwicklungsbedingungen verschaffen.

Die Bourgeoisie, Träger der auf der Tagesordnung der Geschichte stehenden kapitalistischen Gesellschaftsordnung, wich jedoch vor dem Druck der feudalen Reaktion zurück. Das zeigte sich vor allem im Verzicht auf die Proklamation einer Demokratischen Republik, an deren Stelle eine konstitutionelle Monarchie mit einem Erbkaiser verkündet wurde. Trotz ihres Kompromisscharakters zugunsten der Feudalherrschaft stieß die Reichsverfassung auf entschiedenen Widerstand. Zwar erkannten 29 kleine und mittlere Staaten sie an, nicht aber Preußen, Sachsen, Bayern und Hannover, die sie kategorisch ablehnten. Preußens König Wilhelm IV. wies die ihm von einer Delegation der Nationalversammlung unterwürfig angetragene Kaiserwürde zurück, da ihr „der Ludergeruch der Revolution“ anhafte. Sollte die tausendjährige Krone deutscher Nation „wieder einmal vergeben werden, so bin ich es und meines Gleichen, die sie vergeben werden. Und wehe dem, der sich anmaßt, was ihm nicht zukommt!“ Den drohenden Worten folgten nur zu bald blutige Taten.
Der radikaldemokratische Flügel der Revolution mit Volks- und Arbeitervereinen an der Spitze forderte daraufhin, die Reichsverfassung mit militärischer Gewalt durchzusetzen. Dafür bestanden im Frühjahr 1849 günstige nationale als auch internationale Bedingungen. Die deutsche Revolution hatte zu dieser Zeit nach der im März 1848 erlittenen Niederlage noch einmal eine Erfolgschance. Während bewaffnete Erhebungen in Dresden, Breslau und im Rheinland niedergeschlagen werden konnten, waren sie in der zu Bayern gehörenden Pfalz und in Baden erfolgreich. Fast die gesamte badische Armee und die pfälzischen Soldaten folgten dem Aufstand, der sich auf eine große Mehrheit der Bevölkerung stützten konnte. Zum ersten Mal entstand eine deutsche Revolutionsarmee. Da die Volksmassen in allen mitteldeutschen Staaten noch eindeutig auf die Seite des Aufstandes neigten, bestand die Möglichkeit, den Erfolg über die Landesgrenzen zu tragen.

In Budapest hatte Lajos Kossuth den ungarischen Thron der Habsburger gestürzt und die kaiserlichen Truppen über Waag und Leitha gejagt. In Rom war die Republik ausgerufen und der Papst vertrieben worden. Garibaldis Truppen schlugen sich erfolgreich gegen die französische Interventionsarmee. Sardinien-Piemont führte Krieg gegen Österreich. In Paris schlug das Proletariat seine erste Schlacht. Obwohl sich im Juni die günstigen internationalen Ausgangsbedingungen durch die Niederlage der demokratischen Partei in Paris, den Stillstand der Revolution in Ungarn und die italienischen Rückschläge in Rom und Piemont verschlechterten, war die folgende Niederlage – zumindest im dann eintretenden Ausmaß – keineswegs unausweichlich. Um die Revolution voranzutreiben, hätte es vor allem der militärischen Offensive bedurft.

Am 19. Mai 1849 verbot die preußische Regierung das Organ der revolutionären Kräfte, die von Karl Marx geleitete „Neue Rheinische Zeitung“. Als ihre letzte Ausgabe erschien, befanden sich Karl Marx und Friedrich Engels bereits auf dem Weg nach Südwestdeutschland, um die Forderungen der revolutionären Demokraten nach Durchsetzung der Reichsverfassung mittels bewaffneter Kräfte entschieden zu vertreten. Am 20. und 21. Mai verhandelten sie mit den demokratischen Abgeordneten der Nationalversammlung und appellierten, dass es für das Parlament nur einen Weg zur Verteidigung der Revolution und der eigenen Existenz geben konnte: die Badisch-Pfälzische Revolutionsarmee nach Frankfurt zu rufen und an die Spitze des bewaffneten Aufstandes zu treten. Sie fanden kein Gehör. Durch Hessen, wo Preußen bereits ein Armeekorps zur Niederschlagung des Aufstandes zusammenzog, setzten Marx und Engels ihre gefährliche Reise fort und führten in Mannheim, Karlsruhe und Ludwigshafen mit demselben Ziel Gespräche mit den Vertretern der kleinbürgerlichen Demokraten. Auch hier ergebnislos, denn diese befanden sich bereits im Schlepptau der liberalen Bourgeoisie, die zur Konterrevolution überlief. Zum „Dank“ wurde das Frankfurter „Rumpfparlament“ von preußischen Husaren auseinandergejagt, das Mobilar des Sitzungssaales zerschlagen und die Abgeordneten mit Lanzen und Säbeln durch die Straßen gehetzt.

Nach den ergebnislosen Verhandlungen mit den Demokraten begab sich Friedrich Engels zur badisch-pfälzischen Revolutionsarmee, während Marx nach Paris reiste, um dort die Situation zu analysieren. Engels lehnte einen Posten in der provisorischen Regierung ebenso wie im Oberkommando der Revolutionsarmee ab und nahm den Vorschlag von Oberst August Willich an, Stabschef und zugleich Adjutant seines Freiwilligenkorps, zu werden. Willich schätzte Engels einen der besten Kommandeure ein „kaltblütig, geschickt und von raschem, richtigen Überblick“. Zusammen mit ,Engels kämpften in der Revolutionsarmee Mitglieder des Bundes der Kommunisten, unter ihnen Wilhelm Liebknecht, Johann Philipp Becker, der die badische Volkswehr kommandierte, Joseph Moll, der als Kanonier der Besançoner Arbeiterkompanie in der Schlacht an der Murg fiel, Fritz Anneke sowie die Setzer und Arbeiter der verbotenen „Neuen Rheinischen Zeitung“.

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