Der südliche Gardasee – Kulturelle Schätze und mediterrane Lebensart

Am Gardasee in Italien.
Am Hafen von Peschiera. © Foto: Thilo Scheu

Peschiera del Garda, Sirmione, Italien (Weltexpress). Eine Reise nach Peschiera del Garda, Sirmione und durch das leicht hügelige Hinterland offenbart eine gelungene Symbiose aus urbanen und ländlichen Schönheiten. Als Topping serviert man typische regionale Köstlichkeiten und Orte mit lebhafter Geschichte.

Peschiera del Garda – Eine Bootsfahrt mit Geschichte

Am Gardasee in Italien.
Unterwegs auf den Kanälen von Peschiera. © Foto: Thlo Scheu

Kommt man über die als Gardesana bekannte Hauptstraße in den Ort am Südufer des Gardasees hält sich die Begeisterung der Besucher zunächst in Grenzen. Erst auf den zweiten Blick entfaltet sich der besondere Charme, dieser schon von den Römern geschätzten Ansiedlung durch die der Mincio, der einzige Abfluss des Gardasees, fließt. Die herrliche Fluss- und Seelage lässt sich am besten bei einer beschaulichen Bootsfahrt über die Wasserwege genießen, vorbei an der teilweise verfallenen und baumbewachsen Festung und den gut erhaltenen Stadttoren wie der Porta Brescia aus dem Jahre 1551 mit der aus dem 18. Jahrhundert stammenden gleichnamigen Brücke. Peschiera del Garda mit seinen steinernen Zeugnissen aus der Zeit der Römer, Skaliger und auch Venezianer stellt für Kultur- und Architekturliebhaber eine besondere Perle dar.

Am Gardasee in Italien.
In der Altstadt von Peschiera. © Foto: Thlo Scheu

Nicht nur per Boot, sondern auch zu Fuß lässt sich der überschaubare Altstadtbereich wunderbar erkunden. Dabei erkennt man sehr gut die beiden durch den Canale di Mezzo getrennten Festungsabschnitte mit ihren aus unterschiedlichen Epochen stammenden Gebäuden und Bauwerken. Nach den Skaligern übernahmen die Venezianer die Macht und erweiterten im 16. Jahrhundert die Anlage mit insgesamt fünf Bastionen, darunter die Bastion Tognon von 1552 nahe des Hafens und die im Jahr 1551 errichtete Bastion Cantarane. Ebenfalls im 16. Jahrhundert wurde die Porta Verona erbaut, durch die der Durchgangsverkehr geschleust wird. Ein Besuch wert ist das dortige Fischerei-Museum, das neben Modellen der Festungsanlage einige Fischerboote samt zugehörigen Utensilien, historische Fotografien und ein bunte Mischung an Außenbordmotoren aus den 1960iger Jahren ausstellt.

Als ab 1815 die Österreicher die Macht übernahmen, kam es zu einer deutlichen Veränderung des Stadtbildes durch zahlreiche neue Bauten wie dem Pavillion Grandi Ufficiali am Canale di Mezzo, in dem heute das Centro Soziale Pensionati Arilica untergebracht ist. Ein herrlicher Blick auf große Teile der Altstadt offenbart sich von der nahen Ponte dei Voltini mit ihren klassischen Rundbögen. Von hier sind es nur noch wenige Schritte zur imposanten Piazza F. di Savoia mit dem Dom San Martino über dessen Eingangsportal das Relief des Heiligen Martin thront. Das sakrale Gebäude aus dem 11. Jahrhundert ist eines der ältesten seiner Art in dieser Region. Neben all den kulturellen Köstlichkeiten versüßen exzellente Restaurants und lebendige Cafés den Aufenthalt vor Ort.

Sirmione und „Die Grotten des Catull“

Am Gardasee in Italien.
Die Skaligerburg in Sirmione. © Foto: Thlo Scheu

Nur wenige Kilometer von Peschiera del Garda entfernt, rekeln sich die bezaubernden Altstadtgassen von Sirmione auf einer idyllischen Landzunge. Auf engstem Raum drängen sich historische Bauwerke von Anmut und Eleganz wie das Scaligeri-Castello oder die „Grotten“ des Poeten Catullo. Das auffälligste Gebäude im Bereich der Altstadt ist unzweifelhaft die Skaligerburg, eine der bedeutendsten Wasserburgen Europas. Das auf Wunsch von Mastino I della Scala, dem damaligen Stadtherrn von Verona, Mitte des 13. Jahrhunderts, erbaute majestätische Bauwerk fasziniert durch zinnengekrönte Mauern, drei massive Türme und einem überschaubaren Hafenbecken. Einen weitreichen Ausblick bietet der 37 Meter hohe Hauptturm. Eine wehrhafte Zugbrücke sicherte in unruhigen Zeiten die Bewohner der Burg vor Eindringlingen. Auch heute ist die Altstadt von Sirmione nur über eine Brücke im Bereich des Castello zu erreichen. Ein blutiges Kapitel im Buch der Geschichte schlugen die Scaliger während ihrer Herrschaft auf. Mit dem Einverständnis von Papst Gregor X. verfolgten Mastino und seine Gehilfen mit aller Brutalität die von der Kirche ungeliebten und als Ketzer gebrandmarkten Patariner in Sirmione, aber nicht nur dort. Die religiöse Bewegung namens Pataria lehnte unter anderem den Reichtum der Kirche ab. Wer die Hetzjagd zunächst überlebte, fand später den qualvollen Tod auf dem Scheiterhaufen in der Arena von Verona. Im Laufe der weiteren Geschichte kontrollierte Anfang des 15. Jahrhunderts die Republik Venedig die Verteidigungsanlage und verstärkte sie durch Umbauten.

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In der Altstadt von Sirmione. © Foto: Thlo Scheu

Im Hochsommer kommt zum unveränderlichen Häusergedränge noch das saisonale Touristengedränge dazu, so dass man die Schönheit des Ortes eher im Frühling oder Herbst in Gänze genießen kann. Ganzjährig sorgt das einladend gestaltete Thermalbad für Wohlfühlmomente der belebenden und gesunden Art. Ein Hinweis darauf, dass man schon seit dem Altertum die heilsame Wirkung des hiesigen schwefelhaltigen Wassers zu schätzen wusste. Sirmione, die genaue Namensherkunft ist unbekannt, war schon in frühester Zeit besiedelt und von großer Bedeutung in der Antike. Dies zeigen zweifelsohne die diversen Gebäude und unzähligen Funde aus der Römerzeit, die heute zu besichtigen sind, allen voran die Grotten des Catull. Dabei handelt es sich um eine am Ende der Landzunge gefundene und von Archäologen freigelegte Villa mit gigantischen Ausmaßen. Der rechteckige Bau misst 167 m x 105 m. Die mehr als irreführende Bezeichnung „Die Grotten des Catull“ erhielt die größte römische Villa Norditalien erst im 15. Jahrhundert, als ein phantasievoller Geschichtsschreiber die verfallenen Ruinen als „Grotten“ beschrieb und mit dem römischen Poeten Gaio Valerio Catullus (geb. Verona 87 v. Chr., gestorben Rom 54 v. Chr.) in Verbindung brachte. Es existieren dessen ungeachtet keinerlei Beweise, dass der Dichter dieses Gebäude je als Wohnsitz nutzte. Sicher ist, dass Catullo die Gegend gut kannte, schätze und ihre Schönheit in Reimen verewigte, wie folgendes Zitat von ihm belegt: „Oh Sirmio, du Äugelein der Inseln und Halbinseln, welche der Neptun der Seen und der, des Meeres, alle auf klaren Seen und dem weiten Meer trägt.“

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Toller Ausblick an der nördlichen Spitze der Halbinsel von Sirmione. © Foto: Thlo Scheu

Auf dem über 20.000 qm großen, teils parkähnlichen Gelände lassen sich auf einem Rundgang die Ruinen dieses ab dem 1. Jahrhundert v. Chr. erbauten Komplexes entdecken wie die gut 40 Meter lange Zisterne oder das sogenannte Schwimmbecken, welches wahrscheinlich im 2. Jahrhundert nach Chr. angelegt wurde. Blickt man von hier auf die Uferzone des Gardasees fallen sofort helle bis zu 100 m in den See reichende Kalkplatten auf, die teils unter und über dem Wasser liegen und gerne mal von Touristen für einen Spaziergang genutzt werden. Es handelt sich dabei um eine von den Gletschern der Eiszeit geformte geologische Rarität, die sich sehr fotogen an der Spitze der Halbinsel ausbreitet. Sehenswert ist ebenfalls das am Eingang befindliche, 1999 eröffnete Museum mit Fundstücken aus frühgeschichtlicher, römischer und langobardischer Zeit. Zu sehen gibt unter anderem eindrucksvolle Fresken und Mosaike, die man zum Teil in Sirmione selbst, aber und an anderen Plätzen am Gardasee fand.

Wer es etwas ruhiger angehen möchte und den oft vollen Altstadtgassen entkommen will, hält sich Richtung Kirche San Pietro in Mavino, die sich auf einem Hügel befindet und von Olivenhainen und Zypressen umgeben ist. Langobarden errichteten ursprünglich das schön gelegene Gebäude, dessen Glockenturm im Jahre 1070 erbaut wurde. Die im Inneren zusehenden Fresken werden datiert auf das 14. Jahrhundert und später.

Valeggio sul Mincio und der Genuss der Liebesknoten

Am Gardasee in Italien.
Der idyllische Ortsteil Borghetto in Valeggio sul Mincio. © Foto: Thlo Scheu

Diesen hübschen Ort, 12 km südlich von Preschiera, muss man besucht haben. In der sanften Hügellandschaft rund um den in den Po mündenden Mincio breitet sich Valeggio sul Mincio am langsam dahinfließenden Fluss aus. Umgeben von idyllischen Dörfern und trotzigen Burgen lässt es sich im Zentrum der Stadt mit seiner Fußgängerzone herrlich bummeln und flanieren. Am verkehrsfreien Hauptplatz mit seinem aus dem 18. Jahrhundert stammenden Rathaus verteilen sich kleine Cafés und Restaurants und die Scaliger-Burg thront über allem. Die im Mittelalter erbaute Burg wurde 1117 fast vollständig bei einem heftigen Erdbeben zerstört. Aus dem 10. Jahrhundert ist daher nur der sogenannte „Torre Tonda“, der „Runde Turm“ erhalten. Der größte Teil der Anlage, der heute zu sehen ist, stammt aus dem 14. Jahrhundert, wobei der schöne Innenhof im Sommer oft für Open-Air-Veranstaltungen genutzt wird. Die meisten Besucher lassen diesen Teil der Stadt aus und erkunden den romantischen Ortsteil Borghetto. Die alten Wasserräder, die Kirche San Marco aus dem 18. Jahrhundert mit der historischen Glocke aus dem 14. Jahrhundert und natürlich die Ponte Visconteo sorgen für die charmante Stimmung und sind der Grund für die Beliebtheit des Viertels. Die 650 m lange und 25 m breite Steinbrücke wurde 1393 im Auftrag von Gian Galeazzo Visconti erbaut, 1395 endgültig mit der Burg verbunden und sollte als Staudamm dienen. Die Idee dahinter war kriegerischer Natur. Die Visconti wollten durch den Damm einen um Mantua befindlichen und die Stadt schützenden Wassergraben austrocknen, umso leichteres Spiel bei der Eroberung zu haben. Warum dieses Vorhaben dann doch nicht in die Tat umgesetzt wurde, ist unbekannt.

Am Gardasee in Italien.
Kulinarische Köstlichkeiten in Valeggio sul Mincio. © Foto: Thlo Scheu

Wer ohne umfassendes Hintergrundwissen durch die Straßen von Valeggio sul Mincio streift, wird sich vielleicht wundern, warum zahlreiche, teils geschmackvoll aufgemachte Läden in ihren Auslagen liebevoll hergestellte Tortellinis feilbieten. Und hier kommt die Liebe ins Spiel. Der Sage nach verliebten sich in einer sternenklaren Nacht ganz unvermittelt der Visconti-Hauptmann Malco in die im Mincio lebende Nymphe Silvia. Als Zeichen der Liebe übergab Silvia ihrem Liebsten ein goldenes geknotetes Seidentuch. Doch Intrigen von Seiten der weiblichen und eifersüchtigen Visconti-Verwandtschaft vereitelten ein Glücklichwerden auf Erden, und so verschwanden die beiden Liebenden für immer in den Fluten des Mincio. Einzig das geknotete Taschentuch blieb zurück. So kam es wohl, dass die Einwohner des Örtchens beim Erzählen und Lauschen der herzergreifenden Geschichte von Malco und Silvia anfingen Nudeln mit Knoten zu formen. Heute kennt sie jeder unter dem Namen „Nodo d’Amore“ (Knoten der Liebe). Einmal im Jahr begeht man auf der Visconti-Brücke die „Festa del Nodo d’Amore“.

Weitere Infos unter www.lagodigardaveneto.com und www.italia.it

Reiseführerempfehlung: „Gardasee mit Verona und Brescia – Mit vielen Wandertipps -.“ Reise Know-How Verlag, 408 Seiten

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