Doch was Bad Orb so bemerkenswert macht, erfährt der Besucher in einem speziellen Badetempel der Therme. „Liquid Sound“ steht an der Glastür und „bitte schweigen“. Hat der Gast eine solche Anwendung gebucht, nimmt ihn eine Therapeutin in Empfang und steigt mit ihm nach einigen aufklärenden Sätzen ins warme Solebecken, legt ihm eine Art Kissen unter den Kopf und ein breites Band unter die Kniekehlen – beide Utensilien mit Styropor-Kügelchen gefüllt – und bittet ihn, den Kopf bis über beide Ohren ins Wasser zu legen und sich auszustrecken. Die bunte Glasblume an der Decke des hohen runden Raums strahlt hell, wird dunkler, die Wände ändern ihre Farbe, langsam, aber stetig. Die Musik in der Therme, die man zuvor möglicherweise als nicht angenehm empfunden hat, dringt unter Wasser ins Ohr und klingt so anders, als ob man in einer fernen Welt schwebe. Der Körper relaxt, wird willfährig und lässt mit sich machen, was die Dame will. Sie kümmert sich um Füße und Hände, Beine, Arme, Rücken und Nacken. Wenn sie den Körper hin und her schiebt, glaubt man, unter seinem Rücken kullerten winzige Kügelchen und massierten ihn. „Body work“ nennt sich das, was die Dame an einem vollbringt. In „flüssiger Musik“ schwebend ist man nach 40 Minuten zwar etwas verwirrt, aber total entspannt.
Der Tag kann beginnen, vielleicht mit einem Frühstück in „il ristorante“ der Therme oder mit einem Gang durch den angrenzenden Kurpark und das doppelwandige Gradierwerk, 1806 errichtet. Mit 155 Metern Länge, 12 Metern Breite und 18 Metern Höhe ist es ein Technikdenkmal aus der Zeit der Salzgewinnung und eine Sehenswürdigkeit, die zweitbeliebteste in Hessen, wie das Hessische Fernsehen ermittelte. Die Bad Orber Sole rieselt über den Schwarzdornreisig und garantiert ein Klima wie am Meeresstrand. Man schlendert durch das Freiluft-Inhalatorium und tut etwas für seine Bronchien. Wer Probleme mit seinen Atemwegen hat, müsste allerdings öfter am Tag hindurch marschieren. Er könnte sich also gleich im Hotel an der Therme einquartieren und täglich in den Genuss des Solebads und der Saline kommen, letztere frei zugänglich für jedermann.
Im über 100 Jahre alten Kurpark wachsen schöne alte Bäume, zwischen denen sich moderne Kunstobjekte wohl fühlen und Brunnen, die sich am Salinenplatz fortsetzen. Ein Café nennt sich entsprechend witzig „Café Sprudel“. Drei Quellen speisen Bad Orb, die Martinsquelle und die kohlensäurehaltige Ludwigs- und Philipsquelle. Der Bach Orb durchfließt den Ort mit seinen Fachwerkhäusern, und eine mittelalterliche Stadtmauer, deren Wehrgang entfernt wurde, mit Türmen und dem noch erhaltenen Obertorturm, durch den heute Autos fahren, prägt das Ortsbild.
Das sich stets drehende „verbogene Ofenrohr“, im Volksmund auch „Würmchen“ geheißen, stellt einen Äskulapstab dar, der die Heilkraft aus der Tiefe, den Bodenschatz Sole symbolisieren soll.
Und wenn man schon am Nordrand des Spessarts weilt und dazu noch Wanderlust verspürt, könnte man ihn sich näher ansehen. Wo genau liegt der Spessart? „Zwischen Kinzig, Main und Sinn liegt der Spessart mittendrin“, wurde schon den Schulkindern eingetrichtert. Das Mittelgebirge erstreckt sich zwischen Vogelsberg, Rhön und Odenwald in den Bundesländern Bayern (Regierungsbezirk Unterfranken) und Hessen und wird von den Flüssen Kinzig, Main und Sinn eingegrenzt. Der reiche Wald liefert die Spessarteiche, ein besonders hartes Eichenholz, aus dem sowohl Weinfässer für das kostbare Nass hergestellt werden, aber auch das Gerüst für das Orber Gradierwerk gebaut wurde. Sogar die Orgel im Berliner Dom entstand aus Spessarteiche. Mit 585 Metern zeigt sich als höchste Erhebung der Geiersberg. Ein besonders schönes Baumaterial ist der Buntsandstein, der auch heute noch in den Steinbrüchen abgebaut wird und Fassaden, Wohnhäusern, Trockenmauern von Weingütern, ja sogar Schlössern wie Schloss Johannisburg in Aschaffenburg, das für rund 21 Millionen Euro bis zum Jahr 2022 umfangreich saniert wird, Glanz verleiht. Das Baumaterial Buntsandstein ist teuer, ja fast unerschwinglich geworden. Umso mehr erfreut man sich an den vorhandenen Bauten.
Man könnte zum alten Weinort Bürgstadt nahe dem churfränkischen Miltenberg am Main fahren, sich im „Main-Vinotel“ einmieten und gleich im Weingut perfekte Frankenweine verkosten, bevor man aufbricht auf den Rotweinwanderweg, der noch dazu zu Beginn ein Waldlehrpfad ist. Sonnige Rebhänge mit dem in Churfranken angebauten Spätburgunder empfangen den Wanderer. Der Rotweinwanderweg führt immer an Weinorten vorbei, denn „hier is nix schlimmer wie Hunger und Durscht“.
Aber der Spessart gilt auch als Räuberland, wie alle aus dem Film „Das Wirtshaus im Spessart“ mit Liselotte Pulver wissen, der frei nach der gleichnamigen Vorlage von Wilhelm Hauff aus dem Jahre 1827 gedreht wurde. Als solches haben sich einige Gemeinden um Heimbuchenthal zusammengeschlossen und Touren unter dem Motto „Wanderbares Deutschland“ erstellt. Die ausgearbeiteten Wege sollen 2014 zertifiziert werden. Die Gemeinden Rothenbuch, Weibersbrunn, Mespelbrunn, Heimbuchenthal, Leidersbach, Dammbach, der Markt Eschau und das größte Mischwaldgebiet Deutschlands bilden das Räuberland. Gern zitieren Wanderführer das Stoßgebet, das in früheren Zeiten Nürnberger Kaufleute vor ihrer Reise durch den Spessart ausgestoßen haben sollen: „Lieber Gott, du hast mir durch den Mutterleib geholfen, hilf mir auch durch den Spessart.“
Raubüberfälle finden auch heute statt, jedoch fingierte, dennoch nicht weniger erschreckend, denn die zuvor nichts ahnenden Wanderer werden echt überrascht. Solche Raubüberfälle werden gern von Gruppen und Firmen als Event gebucht.
Von Heimbuchenthal, das seit Juli 2013 mit der größten Adventure-Golf-Anlage Unterfrankens und 18 Bahnen auf sich aufmerksam macht, ist es nur ein kurzer Abstecher zum Wasserschloss Mespelbrunn, das im Wirtshaus-Film als Schloss des Grafen Sandau dient. In der Anfangsszene sieht man auch den historischen Marktplatz des hübschen Fachwerkstädtchens Miltenberg, der „Perle des Mains“. Das sich im Privatbesitz befindliche Schloss, dessen Ursprung bis ins 15. Jahrhundert zurückreicht, spiegelt sich märchenhaft im Forellenteich und kann zu einem kleinen Teil besichtigt werden. Es gibt auch spezielle Kinderführungen. Die Glasfenster des Schlosses stammen aus Lohr am Main und – man lese und staune – beleben auch den Kölner Dom, weshalb die Einwohner des Mittelgebirges stolz behaupten: „Aus dem Kölner Dom guckt man durch den Spessart.“ Welche Region sonst kann das von sich behaupten!
Weitere Infos im Weltnetz unter www.spessart-mainland.de, www.bad-orb.info, www.toskanaworld.net, www.churfranken.de, www.raeuberland.com