Mit Mann und Motorrad – Doris Wiedemann`s „Winterreise nach Alaska“

© Delius Klasing

Dabei ist die Journalistin Doris Wiedemann in ihrem Leben schon genug und gut allein durch die ganze Welt auf einem Motorrad gefahren. Warum die Alleinfahrerin aus einem „kleinen bayerischen Dorf“, in dem sie lebt, auf die Frage „Kommst Du mit?“, die der Alleinfahrers Sjaak Lucassen aus den Niederlanden ihr in einer Email stellte, schlicht mit Ja antwortete, das schreibt sie nicht. Doch Doris berichtet, weil Sjaak offensichtlich unbedingt am 1. Januar 2009 los wollte, dass sie die Reise mit „drei äußerst hektischen Monaten voller Reisevorbereitungen“ begann. Schön ist etwas anderes, ahnen wir und lesen Wiedemann`s Worte „kühn geplant – eiskalt durchgezogen“, mit der sie ihre „Motorradtour vom südlichsten Punkt der USA bis hinauf an das Polarmeer“ kurz und bündig beschreibt, als ein Sammelsurium aus abenteuerlustigen und frustigen Erfahrungen bei dem im kalten Winter nur die Motoren richtig glühen und die Begeisterung zu selten.

Wenige Tage vor Silvester notiert Wiedemann: „26.12.2008: Ich hätte gerne mehr Zeit für die Vorbereitung gehabt, allerdings könnte es sein, dass Sjaak und ich in dieser Zeit so viel gestritten hätten, dass wir gar nicht mehr miteinander losgefahren wären…“ Könnte sein. Und auch die Zeit auf zwei Rädern hätte kürzer kaum sein können. Bevor man mit neuen Bekannten richtig warm wird, müssen die Räder wieder rollen.

Daß aus zwei Persönlichkeiten, die sich den Herausforderungen von Motorrad-Abenteuerreisen bisher immer alleine stellten, in der kurzen Zeit kein Kollektiv wurde und die Motoren bei der rasanten Reise von Main- nach Manhatten, runter nach Key West in Florida am Atlantik bis rüber nach San Francisco am Pazifik und von dort hinauf bis Prudhoe Bay am Polarmeer in Alaska runder liefen als das Mentale, wundert wenig.

Auf ihrer Website unter http://www.doriswiedemann.de notiert sie, dass sie als Alleinreisende ohne viel Aufhebens in den Haushalt ihr völlig fremder Menschen, denen sie begegnet und deren Vertrauen sie gewinnt, integriert werde und sie sich „in das Familienleben“ einführe. „Auf diese Weise erlebe ich – völlig subjektiv und ohne statistischen Regeln zu genügen – das Leben in anderen Ländern“, reflektiert sie ihre Erfahrungserkenntnis. Schade, daß ihr das mit dem Käskopp an ihrer Seite nicht recht gelingen mag und so schilderte sie Begegnungen mit Land und Leute wie in einem blöden Blog. Oberflächlich und als Ich-Erzähler. Viel zu selten wird das Werk intensiver, geht die Autorin, die mit einfachen Worten ihre Erlebnisse chronologisch darbietet, tiefer in Natur und Kultur, denn der Holländer drängt zur Weiterfahrt. Immerhin besuchen sie unterwegs gemeinsam „die Motorradreise-Ikonen Ted Simon, Dave Barr und Helge Pedersen.

Was sie hätte erleben und niederschreiben können, wenn sie alleine gereist wäre, zeigt sie immer dann, wenn es nicht weitergehen will mit der Tour – die Umstände sei Dank – und nach dem Zieldurchlauf. Die Zeit bei Tracy und Marylee, der Flug mit Chuck und Bart in der DC-3 sind mitfühlende Geschichten am Rande der Route.

Die betonte Subjektivität bei der chronologischen Berichterstattung offenbart einen eingeschränkten Standpunkt der Autorin, der, trotz der wie mit einem Kamm durch die Butter durch das gesamte Buch geschmierten Bezugnahme auf die permanente Penetranz des Mannes auf dem anderen Motorrad, den wir nicht mehr beim Namen nennen wollen, eine Epik wie eine Eiswüste offenbart.

Dieses Werks von Doris Wiedemann, das auf den ersten Seiten mit einem Bombardement von Markennamen und Produktplazierungen beginnt, endet mit einer Ausrüstungs- und Herstellerliste. Dazwischen ist es trotz der Kritik etwas Kurzweiliges mit Laune, das ich an einem Wochenende mit wachsender Lust auf eine eigene Motorrad-Abenteuerreise las, aber nicht um irgendwo anzukommen, sondern um zu Reisen.

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Doris Wiedemann, Winterreise nach Alaska – Mit dem Motorrad von Florida zur Eismeerküste, 228 Seiten, 40 Farbfotos, Karten, Hardcover mit Schutzumschlag, Delius Klasing Verlag, Website: www.delius-klasing.de, Bielefeld, 1. Auflage, 2010, ISBN 978-3-7688-5310-1, Preise: € 19,90 (D),  € 20,50 (A) und sFr 34,90.

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