Der Mousonturm spielt auf – Serie: Woher das Künstlerhaus Mousonturm kommt und wohin es in Frankfurt am Main geht (Teil 1/2)

Der Mousonturm von außen.

Johann August Mouson hatte die Zeichen der Zeit erkannt und gründete am 5. Dezember 1798 seine Fabrik für die Verschönerung der Menschen. „Kosmetische Produkte wie Rasierseife, Reispuder, Rosenpomade Lavendelwasser und Zahnpasta wurden hier hergestellt und bis Ende der 1960er Jahre erfolgreich vermarktet.“ sagt die Jubiläumsschrift des Künstlerhauses Mousonturm, das mit seinem Gründer und Leiter Dieter Buroch verantwortlich ist, daß der Mousonturm stehen bleiben durfte und mit neuer Nutzung nun zu einem Zentrum für intellektuelles und ästhetisches Vergnügen geworden ist. Davon noch mehr. Wir aber wollen erst dem Bau des Mousonturms hinterherspüren, denn dieser Industriebau war ein Erweiterungsbau auf dem Firmengelände der Mousonwerke. Ein beachtlicher Erweiterungsbau, denn 1924/25 wurde er mit einer Höhe von 33 Metern und sieben Geschossen das erste Hochhaus in Frankfurt am Main, in dem es heute von Hochhäusern nur so wimmelt.

Das zweite Hochhaus, das interpretieren wir jetzt, müßte dann das IG-Farben Hochhaus gewesen sein, das Hans Poelzig 1928 so wunderschön für die miesen IG-Farben gebaut hat, auf dem Gelände des Affenstein, wo zuvor das Irrenhaus stand – Irrenschloß genannt , und worin sich heute die Universität befindet und sich derzeit weitumspannend auf dem Gelände ausbreitet und Campus Westend genannt wird, wobei aber wichtig ist, daß sich die Universität aus geschichtlicher Verantwortung für den Zentralbau mit Mehrheit für die Beibehaltung des Namens IG-Hochhaus ausgesprochen hatte und auch vor dem Gebäude ein Mahnmal errichtet hat, denn schließlich hatten die IG-Farben Zyklon B für den Judenmord hergestellt und massenhaft in die Konzentrationslager als Giftgas geliefert. Immer wieder wird versucht, diese Geschichte auszublenden und sachneutral von Poelzigbau zu reden.

Das war kein Abschweifen, sondern der Hinweis darauf, daß menschliches Leben und ganze Stadtteile sich strukturell verändern, aber Bauwerke, so es sich lohnt, bestehen bleiben, dann aber einer anderen Nutzung zugeführt werden müssen. Hier war es wieder einmal die Denkmalpflege, die den Klinkerbau Mousonturm mit seinen Zacken- und Dreiecksornamenten rettete. Nachdem der Betrieb 1972 die Produktion verlagert hatte, wurde der Mousonturm, der nicht nur Produktionsstätte war, sondern die Laboratorien für die Erfindung neuer chemischer Prozesse bei der Seifen- und Cremeherstellung enthielt, Spekulationsobjekt. Denn der Bau ist stadtnah, d.h. der Baugrund sehr beliebt und teuer zu verkaufen. Denkmalsschutz für diesen bedeutenden expressionistischen Industriebau war die Antwort.

Und nun kommt Dieter Buroch, heutiger Hausherr ins Spiel. Er machte nämlich eines. Und das neun Tage lang im Jahr 1977. Ein kulturelles Fest mit der Gruppe Omnibus und am Schluß waren 20 000 Besucher gekommen. Tatsächlich geht es darum, ob die Aura eines Ortes sich mit der beabsichtigten Nutzung verträgt. Gewissermaßen ein kulturelles Feng Shui war es, was auch nach dem Erfolg noch lange die Presse beschäftigte und sich so immer stärker der Gedanke einer Kulturfabrik in den Köpfen festsetzte. Schließlich auch in denen der Politiker. Heute kann man schon dazu sagen, daß das ohne den damaligen Kulturdezernenten Hilmar Hoffmann – dem Vater der Museumsmeile und des ’Kultur für alle’ – wahrscheinlich nicht geklappt hatte, denn zehn Jahre lang dauerte der Kampf um den Turm. Denn er war ja Privateigentum und mußte von der Stadt erst erworben werden, für 17 Millionen Mark kein Pappenstiel.

„Am 28.12.1988, elf Jahre nach der Initiative ’Omnibus’, war es soweit: Das Künstlerhaus Mousonturm wurde als Spiel- und Produktionsstätte für nationale und internationale freischaffende Künstler aus den bereichen Tanz, Theater, Performance, Musik, Kleinkunst, Literatur und Bildende Kunst unter der künstlerischen Leitung von Dieter Buroch eröffnet.“ Haben Sie mitgelesen? Im Mousonturm wird also alles das an menschlichen Körperkünsten geboten, was nicht Große Oper oder Stadttheater ist. Alles andere. Und die Entwicklung des Hauses hat auch stark mit dem Auf und Ab der jeweiligen Sparten im internationalen Diskurs zu tun, denn der Mousonturm ist sicherlich der am besten international vernetzte Kunsttempel weit und breit und vielleicht auch deshalb so fest in der Region verankert. Er hat ein richtiges Stammpublikum und er hat Stammgäste auf der Bühne aus aller Welt.

Da hätte der Turm sich auch Kulturfabrik nennen können, aber davon gibt’s halt auch viele und deshalb ist unterm Strich die heutige Bezeichnung Künstlerhaus Mousonturm nicht falsch, auch wenn das Künstlerhaus Wien eine ganz andere Funktion hat. Dieter Buroch und seine Mannschaft wollten denen eine Spielstätte bieten, die sich überall aufmachten, aus der Freien Szene, und sich Freie Ensembles nannten oder Theaterkollektive und sich damit von den als herkömmlich und festgefahren empfundenen klassischen Theaterstätten abheben wollten, einfach um experimentell die Bühne für neue Möglichkeiten zu öffnen. Es waren also Gastspiele auf zwei Bühnen und drei Probebühnen, die der Mousonturm solchen Gruppen ermöglichte und auch hier haben sich nach und nach bestimmte Gruppen zu Lieblingen des Publikums gemausert, während andere verschwanden. Aber sie haben im Mousonturm erst einmal eine Chance bekommen!

Der übrigens ist technisch ganz schön perfekt eingerichtet. Dafür hat der alte Mitstreiter Karl Krause gesorgt, der heute Betriebsdirektor ist und sich jeglichen Anforderungen technischer Art von den Produzierenden gewachsen sieht. Eigentlich müßte man jetzt über die Festivals schreiben, das Tanztheater, das jahrelang der wichtigste Schwerpunkt ders Mousonturms war, aber über 20 Jahre lassen sich nicht in ein paar Sätzen abhandeln und deshalb soll zusammenfassend noch einmal das genre- und spartenübergreifende Besonderes des Hauses genannt werden. Es gibt, Tanz, viele Formen des Theaters, es gibt Performance/Live-Art, worunter verstanden wird, daß hier das Publikum keine rezeptive Haltung einnimmt, sondern zum Akteur, also Mitspieler wird. Es gibt Kunstausstellungen, es gibt auch Musik, Konzerte, und Clubs mit ihrem eigenen DJ-Programm. Es gibt aber auch das ursprünglich von Dieter Buroch schon Ende der 70er Jahre initiierte „Summertime Open Air-Festival“, aus denen sich „Jazz im Historischen Museum“ und „Weltmusik im Palmengarten“ entwickelten. Beide Reihen hat der Mousonturm für diesen Sommer gerade vorgestellt und davon handelt der zweite Artikel.

www.mousonturm.de

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