Im ersten Saal sind die vorbereitenden Zeichnungen zum Gemälde zu sehen und Einzelstudien, denn an seinem Bild malte er von 1881 bis zu seinem Tod 1898. Als Resümee seines Lebens hängt es zurecht an dieser Stelle und wenn man sich dann nach links wendet, zu den Anfängen, danach nach rechts zu den großformatigen Zyklen sieht man zwar gewaltige Stilunterschiede, also Entwicklungen in seinem Werk, allerdings nur was Malprozesse angeht. Seine inhaltliche Entwicklung ist mit dem Bezug zur mittelalterlichen und antiken Literatur abgeschlossen. Eine psychoanalytische Sicht erlaubt auch das im ersten Raum hängende Gemälde seiner Frau Georgiana. Edel, hilfreich und gut, so blickt uns mildtätig, aber auch recht angegriffen die Gattin im hochgeschlossenen Schwarzen mit rosa Spitzenkrägelchen an. In den Händen einen kleinen Band, der mit Pflanzendarstellungen aufgeschlagen wie ein botanisches Bestimmungsbuch aussieht, wohinein sie gerade eine frische blaßlila Blüte steckte.
Dies Bild kann auch zeigen, warum wir die Kennzeichnung als „vor Raffael“ und ihn mitsamt der folgenden akademischen Malerei ablehnend, nicht so gerne annehmen, denn dieses Porträt ist so was von raffaelesk, wie man es sich nur wünschen kann. Von der elegischen Haltung, die damals allerdings Jünglingen zukam, über den typischen Renaissanceausblick, der sowohl Bild im Bild wie auch Spiegel oder Wandausschnitt sein kann. Auf jeden Fall sieht man den Maler selbst beim Pinseln, die gemeinsame Tochter schaut ihm zu. Eine Familienidylle, begonnen 1883. Und als Idylle werden bei allen schlimmen Dingen, die das Bildpersonal auszuhalten hat, auch die Bilderreihen gemalt, die neben den auf Morris` Gedichtsammlung The Earthly Paradise beruhenden Perseus Zyklus – Stuttgarter Besitz – nun die Räume bevölkern: die Serien zu Dornröschen, die Suche nach dem Heiligen Gral und religiöse Themen, Der Amor- und Psyche-Zyklus, der Heilige Georg und der Drachen, die mehrmals gemalten Pygmalionmotive. Letztere zeigen, wie schwierig es für den sittenstrengen Maler, der für das Galathea-Modell die Bildhauerin Maria Zambaco nahm, weil deren Mutter ihm auch schon die Schöne als Psyche abgekauft hatte, schwierig also, rauschende Gefühle in seinem bürgerlichen Nest gelichzeitig zu leben, ein schlechtes Gewissen gegen jeden und auch sein Leben lang die Gewißheit, die Perfektion von Gemälden, die ihm vorschwebten, nicht gewachsen zu sein, machten den Künstler auch innerlich krank und immer wieder arbeitsunfähig.
Davon zeigt diese Ausstellung nichts. Es ist aber wichtig, daß Begleitmaterial darauf hinweist, damit man auch die Schmerzzustände erahnen kann, unter denen romantische und zu Herz gehende Bilder entstanden, wie beispielsweise die Verbildlichung des Rosenromans von Guillaume de Loris von 1235. Dies ist ein gutes Beispiel für die Spannweite der Burneschen Malerei, die die Ausstellung sehr eindrücklich dokumentiert. Während „Das Herz der Rose“ im Gemälde von 1889 in Grün-Blau-Tönen sanft und durch die Blumenhecke lieblich wirkt, der Teppichentwurf um 1890 sogar die ganze mittelalterliche Teppichkunst durch die stilisierten Lilien und den herrlichen Rot-blauen Faltenwurf des Pilgers und die in der Riesenrose im Profil dargestellte Schöne außerordentlich farbig wirken läßt, ist der Perseus-Zyklus Beispiel für eine metallene maloberfläche, die uns kühl Blausilbern anstrahlt. Diese Bildoberfläche hat ihn berühmt gemacht und tatsächlich hat er in späteren Jahren auch andere Zyklen so gestaltet.
Alle seine Bilder durchzieht aber eine Linienführung, die ihn als Nachkömmling der Florentiner zeigen. Müßte heute noch jemand den Paragone zwischen Florenz und Venedig, hie Linie, dort Farbe, gewinnen, Edward Burne-Jones wäre der herausragende Vertreter der Florentiner. Zu allerliebst sind seine Linien, die besonders in den Dornröschen Gemälden auffallen, aber grundsätzlich vorhanden sind, ein Beugen und Biegen, eine Hingegossenheit, tiefe Ruhe vermitteln seine Linien in den romantischen Gemälden, äußerste Dramatik in den metallen Wirkenden. Und so zeigt sich am Schluß durch so viel Burne-Jones, daß wir eine Entdeckung gemacht haben, daß man nämlich Burne-Jones keiner Schule und keiner Schublade zuordnen muß. Für uns ist er einfach der Meister der Linie geworden. Und Meister, das klingt ja auch mittelalterlich und nach geselliger Ordnung. Also hätte ihm unsere Charakteristik sicher gefallen.
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Katalog: Edward Burne-Jones, Das Irdische Paradies, Hatje Cantz 2009
Der Katalog besticht beim Aufschlagen erst einmal mit den inneren Umschlagseiten, weil Sie dort herrliche weiße Lilien vor einem Holzzaun erblicken, der dem Grün im Vordergrund ein Gesicht gibt, aufgelockert mit roten Schönheiten. Sie sehen das und denken an all die mittelalterlichen Gobelins, in denen Ritter um die Schönen kämpfen oder Sänger auf ihrer Klampfe von Minne singen. Und tatsächlich ist dies ein Entwurf für einen Teppich, denn der Katalog führt alle die Kunstproduktionen auf, die Burne-Jones auch noch erledigte, wie die Einrichtung von Häusern, ganz im Stil der Idee vom Gesamtkunst. Der Katalog gliedert sich nach den ausgestellten Zyklen und die Texte bringen auch dem noch Neues, der die Szene ganz gut zu kennen glaubt. Die Gemälde sind gut sichtbar und die Zeichnungen berückend schön. Nur den Schlaf des Königs Artus hat man auf eine Drittel Seite zusammengequetscht. Wahrscheinlich ist das Format daran ’schuld`, aber dies hätte man durch den Abdruck auf zwei Seiten gut lösen können.
Ausstellung: bis 7. Februar 2010, anschließend vom 19. März bis 25. Juli im Kunstmuseum Bern
Internet: www.staatsgalerie.de