„Der Maler ist das Auge der Welt“ – „Otto Dix. Zwischen Paradies und Untergang“ in der Kunst Halle Krems

Otto Dix: Selbstbildnis mit Muse, 1924

Wenn unsereiner also Otto Dix hört und von einer Ausstellung in Krems, dann macht man sich auf den Weg, der auch lohnend ist, wenngleich die oben erwähnten Gemälde aus Stuttgart und aus Berlin und auch aus Frankfurt in dieser Ausstellung nicht zu sehen sind. Das „Großstadt-Triptychon“ von 1928 ist eine Inkunabel der Moderne und die „Skatspieler“ von 1920 sind es auch, aber erst recht die messerscharfen durchdringenden Porträts wie die von Anita Berber, Sylvia von Harden, Alfred Flechtheim oder Heinrich George. Die alle sehen Sie nicht, denn die Ausstellung ist hauptsächlich in Zusammenarbeit mit der Otto-Dix-Stiftung in Vaduz bestückt worden, dafür aber – und das durchaus ausführlich mit 240 Werken – sein Werden als Künstler, die ersten Schritte, die er wagt und sich die Malerei seiner Zeit verfügbar macht und schaut man sich auf den zwei Stockwerken in Krems seine Arbeiten genau an, dann hat man auf einmal ein Deja Vu, denn das Auge nimmt nicht nur den Lebensweg von Otto Dix auf und seine Wandlungen vom Stil über die Inhalte, quer Beet sozusagen, sondern mit ihm wird das ganze halbe Jahrhundert lebendig.

Es empfängt einen sein Selbstbildnis mit Zigarette von 1921, eine Bleistiftzeichnung, die es ihn sich hat. Denn der Maler, der sich die Maltechnik der deutschen Renaissance zu eigen machte und auf seinen Ölgemälden in Lasuren die Farben fast transparent übereinanderschichtete und so eine altmeisterlich genannte Tiefe und entsprechenden Glanz erzielte, er war auch ein trefflicher Zeichner, ja geradezu ein Satiriker mit dem schnellen Strich und der festen Linie. Hier, er ist gerade dreißig Jahr, ist im Profil die Nasenwurzel angespannt, die Augen sind heftig beschäftigt, die Haare glatt und akkurat nach hinten gebürstet, dafür in den vollen Lippen eine Zigarette steckend, auf der Salem steht und einem Totengerippe den Rauch ins Hirn bläst, wobei an den Fußfesseln der weiblichen Beine, mehr sieht man nicht, Ramses steht. Ach, hören wir auf, das enträtseln wir nicht, aber nun wissen wir, daß es ein entschlossener Rätselhafter ist, dem die Schau gewidmet ist.

Und das drückt auch das Ölbild „Selbstbildnis als Schießscheibe“ von 1915 aus, in Grün und Rot, das ganz früh schon einen Stil kreiert, der später als Neue Sachlichkeit Triumphe feiert. Aber da sind wir schon bei dem Dix, den wir kennen. Unbekannt waren uns die „Landschaft mit Kiefer“, Pastel auf Papier von 1906, die wie auch der „Verregnete Sonntag um 1908 und die anderen Bilder zeigen, daß er van Gogh kannte, daß er die Impressionisten kannte, daß er Hodler wahrnahm, die Maler der Nacht studiert hatte und seine Künstlergenossen des Expressionismus mit wachen Augen begleitet hatte. Er hat sie sich anverwandelt und schon dies drückt seine malerischen Qualitäten aus. Das ganz Eigene und Unverwechselbare, das kam dann später und zeigt sich beim „Arbeiterjunge im Atelier“ von 1914 schon deutlich.

Otto Dix ist aber erst einmal als Graphiker bekannt geworden, als der, der mit dem Bleistift, der Kohle, der Kreide, den Wasser- und dann auch Ölfarben den Krieg ins seiner Brutalität und den Menschen auslöschend aufs Blatt bannt. Ob im „Unterstand“ von 1916, dem „Granattrichter mit Toten“, 1916, den „Schützengräben“ in Frankreich und anderswo, seine Bilder zerstückeln die Gegenstände in kubistischer Manier oder futuristischer Bewegtheit, während der „Unteroffizier“ von 1917 gleichzeitig ein Vorzeigebild für den deutschen Expressionismus ist. Man wird in dieser Ausstellung durch die unterschiedlichen Stile nur so geworfen und weiß, wenn man das „Bildnis des Dichters Alfred Günther“ von 1919 sieht, daß man angekommen ist, bei dieser neusachlichen Art der Menschendarstellung, die nach außen klar dargestellt, den Menschen erst recht ein tiefes Geheimnis gibt.

Daß das Grauen des Kriegsgeschehens auch 1924 Dix noch nicht losgelassen hatte, zeigt die Radierfolge „Der Krieg“ und erneut muß man an Beckmann denken, der wie Kirchner psychisch schwer angeschlagen vom Wehrdienst befreit wurde und erst durch das Aus- und Aufarbeiten des Themas den Krieg in sich überwinden konnte. Otto Dix leistet beides, die Kriegsbewältigung und die des Lebens mit den lebenslustigen Dirnen und den Musen, an deren Brust der Maler hängt, den man auch in seiner Verkleidung als Seemann wieder erkennt. Ja, die Brüste haben es ihm angetan, aber nicht nur die prallen, sondern auch die hängenden und vertrocknenden wie „Alte Frau“ von 1923 oder die „Puffmutter“ aus dem gleichen Jahr, die es zum Katalogtitelbild gebracht hat.

Das sind so Porträts in grellen Farben, wo doch das Totengesicht schon im Leben durchscheint, wie bei „Ellis“ von 1922. Doch dann wird seine Farbpalette ruhiger und die Bilder brauchen nur einige wenige Striche und Farben , um durchschlagende Wirkung zu erzielen, wie der „Säugling“ von 1924 und „Nelly mit Ball“, 1925, und erst recht „Selbstbildnis mit Muse“ von 1924, wo der brave Schüler seine Muse mit dem einen dicken Busen aufmerksam betrachtet und gleich zu malen anfängt. Diese Muse, ach, die hat einfach etwas von Hans Baldung Grien und das sind Zusammenhänge, die Dix zu seinen besten Bildern inspirierten. Dazu gehört auch, ohne Zweifel, das „Bildnis Frau Paula Köhler“, das 1938 entsteht und noch einmal das Altmeisterliche und die Neue Sachlichkeit zusammenbindet.

Denn längst hat sich Otto Dix auch schon anders orientiert und in – unpolitischen – Landschaftsbildern oder christlichen Motiven eine andere Klientel bedient. Nach 1945 kommen in seinem Spätwerk noch einmal Kriegsbilder und auch Selbstporträts, die aber wie auch das „Bildnis Frau Eleonore Frey II“ zwar interessant sind, aber nicht an seine Anfänge heranreichen. In unseren Augen, weshalb ja auch unser Herz den Stich bei seinem Namen spürt, denn die Nazis haben ihn um seinen konsequenten Malerweg gebracht. Schön, daß nun auch in Österreich in einer großen Ausstellung Otto Dix zu seinem Recht kommt, was aber nur der Anfang sein kann, denn seine großen Gemälde der Zwanziger Jahre, mit denen er zum Chronisten dieser wilden Zeit wird, gehören unbedingt dazu.

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Ausstellung:

in der Kunsthalle noch bis 12. Juli 2009.

Katalog:

Otto Dix. Zwischen Paradies und Untergang, hrsg. von Dieter Buchhart und Hartwig Knack, Kunst Halle Krems in Kooperation mit dem Hirmer Verlag, 2009

Reiseliteratur:

Felix Czeike, Wien, DuMont Kunstreiseführer, 2005
Baedecker Allianz Reiseführer Wien, o.J.
Lonely Planet. Wien. Deutsche Ausgabe 2007
Walter M. Weiss, Wien, DuMont Reisetaschenbuch, 2007
Marco Polo, Wien 2006
Marco Polo, Wien, Reise-Hörbuch

Tipp:

Gute Dienste leistete uns erneut das kleinen Städte-Notizbuch „Wien“ von Moleskine, das wir schon für den früheren Besuch nutzten und wo wir jetzt sofort die selbst notierten Adressen, Telefonnummern und Hinweise finden, die für uns in Wien wichtig wurden. Auch die Stadtpläne und U- und S-Bahnübersichten führen– wenn man sie benutzt – an den richtigen Ort. In der hinteren Klappe verstauen wir Kärtchen und Fahrscheine, von denen wir das letzte Mal schrieben: „ die nun nicht mehr verloren(gehen) und die wichtigsten Ereignisse hat man auch schnell aufgeschrieben, so daß das Büchelchen beides schafft: Festhalten dessen, was war und gut aufbereitete Adressen- und Übersichtsliste für den nächsten Wienaufenthalt.“ Stimmt.

Anreise:

Viele Wege führen nach Wien. Wir schafften es auf die Schnelle mit Air Berlin, haben aber auch schon gute Erfahrungen mit den Nachtzügen gemacht; auch tagsüber gibt es nun häufigere und schnellere Bahnverbindungen aus der Bundesrepublik nach Wien.

Aufenthalt:

Betten finden Sie überall, obwohl man glaubt, ganz Italien besuche derzeit Wien! Überall sind sie auf Italienisch zu hören, die meist sehr jungen und ungeheuer kulturinteressierten Wienbesucher. Wir kamen perfekt unter in zweien der drei Hiltons in Wien). Sinnvoll ist es, sich die Wien-Karte zuzulegen mitsamt dem Kuponheft, das auch noch ein kleines Übersichtsheft über die Museen und sonstige Möglichkeiten zur Besichtigung in Wien ist, die Sie dann verbilligt wahrnehmen können. Die Touristen-Information finden Sie im 1. Bezirk, Albertinaplatz/Ecke Maysedergasse.

Mit freundlicher Unterstützung von Air Berlin, dem Wien Tourismus, der Wiener Festwochen und diverser Museen und den Hilton Hotels Wien.

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