Der Hiddenseeschamane und die Heiligen der letzten Tage der DDR – Annotation

© Suhrkamp
Nichts weniger als die Wurzeln der Freiheit verspricht Kruseo allen Gefährten, allesamt bunte Hunden, eigenwillige Denker, Alleinseglerinnen, Gescheiterte des DDR-Normsystems, das für jeden Menschen die passenden realsozialistische Schublade hatte. Kruseos Hiddensee ist pure Poesie – und damit unausgesprochener Widerstand. Dennoch ist die Insel nicht der Hort der Revolte, eher ein verwunschener Platz, der über Leben und Tod entscheiden kann – wenn man denn überhaupt noch zu den Lebenden gehört. Ein Paradies der vogelfreien Saisonkräfte, Abwäscher mit Abitur, promovierte Kellner, diplomierte Heizer. Im Herbst 89 kulminiert die ganze DDR-Suppe, auch Hiddensse bleibt davon nicht verschont und treibt die Helden des Buches in existenzielle Kapriolen. 
Ein wahres Zauberwerk, mit nicht mehr und nicht weniger hat Lutz Seiler verdient den diesjährigen Buchpreis eingeholt. Bestrickende Prosa, mal leicht wie ein feines Brieschen, dann wieder schwermütig und hart wie ein Stück zonale Schlager-Süßtafel. Ein wunderbares, unbedingt lesenswertes Buch.

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Lutz Seiler, Kruso, 484 Seiten, Suhrkamp Verlag, Berlin 2014, ISBN-13: 978-3518424476, Preis: 22,95 Euro (D)
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