Der großartige Roman „Tonspuren“ erzählt vom Grauen des Menschseins

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Adam Zignelik wird durch diese Erzählung seines Vaters aus dem Bürgerkriegsjahr 1863 als Kind sensibilisiert, für das Schicksal der Afroamerikaner, für Unrecht an sich. Als Geschichtsdozent an der Columbia-Universität in New York hält er nunmehr eine einzige Vorlesung, „Was ist Geschichte?“, außerdem hat er gerade seine Freundin rausgeschmissen, weil er sich nicht für eine Vaterschaft geeignet sieht. Adams Suche nach privatem Glück und beruflicher Perspektive wird in diesem 700 Seiten starken Roman virtuos mit anderen Schicksalen und Zeiten verbandelt. Der junge Afroamerikaner Lamont, der nach einer unschuldig erlittenen Haftstrafe in der Gesellschaft wieder Fuß zu fassen versucht, trifft auf den Holocaust-Überlebenden Henryk Mandelbrot. Wie durch ein Brennglas wird dessen Schicksal nacherlebt-erzählt, welches er Lamont auf dem Sterbebett berichtet.
„Ich bin am 15. Dezember 1922 in Olkusz geboren.` Lamont Williams saß auf einem Stuhl und hörte zu. ’Das ist ein Städtchen bei Krakau, aber als ich vier war, zogen wir nach Zabkowice. Mein Vater war Fleischer”¦“

Einige Sitzungen später finden wir uns in Auschwitz wieder und das Grauen nimmt seinen Lauf”¦ Drei Schicksale verknüpfen sich zu einer epischen Erzählung über Erinnern und Bewahren, Mut, Scheitern und Tod. Elliot Perlman verbindet das gegenwärtige New York mit der Geschichte der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre und dem Europa der Nazi-Herrschaft. Der Ungerechtigkeit des US-amerikanischen Rassismus wird die Todesfabrik der Nazis gegenübergestellt – in einer bedrückend poetisch-voyeuristischen Sprache, die atemlos macht, schlaflos. Dieses Buch wird keinen Leser unberührt lassen! Wenn man den vielfältigen Nebensträngen und Handlungsbögen folgt, belohnt der Autor mit versöhnlichen wie traurigen Überraschungen, die dennoch Hoffnung machen. Der Mensch kann sich nur durch Erinnern ändern. Vielleicht gar bessern.

Perlman liefert das Beste, wessen ein Schriftsteller fähig ist, einen lebendigen, glaubhaften und ergreifenden Roman über uns selbst.

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Eliot Perlman, Tonspuren, Roman, Aus dem Englischen von Grete Osterwald, DVA, April 2013, Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 704 Seiten, 13,5 x 21,5 cm, ISBN: 978-3-421-04373-3, € 24,99 [D] | € 25,70 [A] | CHF 35,50* (* empf. VK-Preis)

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