„Der Fürst als Sammler“ – „Neuerwerbungen unter Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein“ im Liechtenstein Museum in Wien

Wer eine der größten und bedeutendsten Kunstsammlungen der Welt erbt, wie es dem Fürsten von und zu Liechtenstein erging, dessen Familie seit dem 17. Jahrhundert Meisterwerke europäischer Kunst aus fünf Jahrhunderten von der Frührenaissance bis zum Barock sammelte, der kann gar nicht anders, als die Kunst weiterhin hochzuhalten und die Sammlung zu erweitern. Inwieweit er dabei auch zeitgenössische Künstler und Künstlerinnen fördert, wie es in der Vergangenheit als Mäzen geschah, wissen wir nicht, sind aber sehr zufrieden, was wir als Ausstellung nun im Museum sehen dürfen, die auf drei Räume verteilt ist, wobei im ersten Raum Schwerpunkt die Skulptur ist, im zweiten Malerei und Skulptur und im dritten die Möbel noch mehr auffallen, als zuvor.

Direktor Kräftner hatte in der Vorstellung der neuen Ausstellung auch auf die Modalitäten der Sammlungspolitik und deren Durchführung verwiesen. Bekannt ist, daß durch die frühzeitige antifaschistische Haltung des Fürstenhauses beim Anschluß Österreichs ans Deutsche Reich die Sammlung grundsätzlich vom Wiener Palais nach Liechtenstein ging, daß aber viele Bilder und Kunstgegenstände, Möbel und angewandte Kunst verlorengingen. Das machte Rückfragen nötig, deren Antworten durch den Fürsten deutlich machten, daß er niemals irgendwelche Restitutionen in Gang setzte, also die Rückführung ihm gehörender Gegenstände von den heutigen Besitzern, was angestanden hätte, da ja nicht er sie verkauft hat, sondern sein Eigentum durch Wirken Dritter enteignet, geraubt oder verschenkt wurde.

Insbesondere in seinen tschechischen Schlössern sind viele Kunstgegenstände verschwunden, die teilweise in Museen wiederauftauchten, meist aber in Privatbesitz. Da die Beweisführung in diesen Fällen so überaus schwierig ist, hat das Fürstenhaus versucht, bei Kenntnis von ihnen gehörenden Werken, diese erneut im Kauf zu erwerben, was vielfach schon gelungen ist und auch in der Ausstellung gezeigt werden kann. Hans Adam II. ist ein Freund der Skulpturen, das konnte man beim Darüberreden bemerken und immerhin hat er ein Lieblingsstück, die Reiterstatue des Mark Aurel, die ansonsten auf seinem Schreibtisch steht, für diese Ausstellung nach Wien gegeben.

Natürlich handelt es sich nicht um die aus der Antike berühmte, noch heute auf dem Kapitol in Rom stehende Statue, sondern um eine freie Nacharbeit , die L’Antico als Statuette Anfang des 16. Jahrhunderts schuf , mit einer Höhe von 39 Zentimetern aber durchaus sehr repräsentativ und einst als Geschenk der Gonzagas an Kaiser Karl V. gegangen. Mit dem Segensgestus als Willkommensgruß reitet hier der römische Kaiser in Bronze ein, der eine goldglänzende Frisur und Backenbart trägt und ein güldenes Gewand, seine Tunika. Das Pferd, wie seine Gestalt, dunkel patiniert, glänzen um die Wette und die ganze Statuette hat etwas so Frisches und Lebendiges, als ob sie soeben gestaltet worden sei. Vom selben Meister ist auch der danebenstehende Laokoon, dessen Geschichte eh einem Krimi gleicht. Die kleine Statuette ist nur 32, 5 Zentimeter groß, aber deren Geschichte ist gewaltig. Die marmorne Laokoon-Gruppe wurde am 14. Januar 1506 in Rom aus dem Sand gebuddelt, in Anwesenheit des Michelangelos, weshalb sie lange und immer wieder für eine Fälschung gehalten wurde, da man diesem Meister zutraute, alles nachahmen zu können, auch die Antike, die ihm eh Vorbild wurde und die er übertraf, wie er selbst glaubte.

Die Skulptur war aus der Antike durch ihre Erwähnung in Naturalis Historia 36.37 von Plinius des Älteren bekannt, der beim Ausbruch des Vesuvs 79 nach Christi umkam. Schon damals wurde von ihr im Superlativ gesprochen. Bis heute allerdings streiten sich die Gelehrten, aus welcher Zeit sie wirklich stammt. Denn die archäologischen Meinungen gehen vom 4. Jahrhundert vor bis in die Pliniuszeit. Für die Hochrenaissance war diese hochdramatische Darstellung des Kampfes des trojanischen Priesters mit seinen beiden Söhnen gegen die Schlangen, die ihm die die Griechen unterstützende Göttin Athena im trojanischen Krieg geschickt hatte, damit seine Warnungen vor dem Hölzernen Pferd verhallten, ein Abbild des Kunstverständnisses der eigenen Zeit, die ebenfalls das Pathos als künstlerischen Ausdruck pflegte.

Allerdings war die Statue beschädigt aus der Erde geholt worden. Es fehlte der rechte Arm des Laokoon und seinen Söhnen ebenfalls Hand, Arm und Fuß. Den fehlenden Arm ergänzte man in freier Assoziation als erhobene Geste. Erst 1906 fand man den originalen, angewinkelten Arm. Also wirklich ein historischer Krimi, der einem jedesmal einfällt, wenn sich eine Laokoonstatuette auftut. Auch Antico hatte die falsche Armfassung in seine Bronze eingearbeitet, die allerdings so natürlich aussieht, daß man sich um Originale keine Gedanken mehr macht, sondern sich einfach am Sujet freut, das nun wirklich eine sehr weit zurückliegende Kunstzeit über eine noch weiter zurückliegende mythologische Erzählung, ausgeführt in der Renaissance, in unsere Zeit führt.

Das waren nur zwei Kostbarkeiten, die uns als erstes in die Augen fielen. Bei den Gemälden bleibt der Blick hängen beim fast hyperrealtisch gemalten „Die Steuereintreiber“ von Quentin Massys, gegen 1520 gemalt. Ein Thema unserer Zeit mit Steuer CDs und Selbstanzeigen, die in diesem Bild von dem Mienenspiel der beiden, einmal hämisch anklagend, einmal gelassen aufschreiben, nachvollzogen werden können. Ein köstliches Bild. Wir sind Rubensfan und von daher ist auch das Modello zu “Mars und Rhea Silvia“ – leicht auf die Leinwand geworfen – uns ein Schaustück. Das Kaufinteresse des Fürsten geht durch alle Jahrhunderte, aber auch ein Amerling ist dabei, ein Mädchen mit Strohhut aus der Biedermeierzeit, gemalt 1835.

Am bekanntesten ist vielleicht die Erwerbung geworden, die als Badminton Cabinet bezeichnet, um 1720-32, einen Schrank zeigt, der voll der Intarsien aus Edelsteinen ist, gefertigt aus Ebenholz und vergoldeter Bronze. So stellt man sich die Möbel des Hochadels vor. Uns wäre es zuviel des Guten, was auch für den extravaganten Boulle-Intarsien-Schrank gilt, ebenfalls aus Ebenholz, Messing und Schildpatt. Dagegen ist der Flachschreibtisch von David Roentgen aus Mahagoni, den man verwandeln kann, von großer Schlichtheit und Schönheit des Holzes. Wir sehen weiter Skulpturen und einen geradezu witzigen Trinkautomaten mit Diana und dem Hirsch von 1610/12 aus Silber, der tatsächlich zum Trinken benutzt wurde. Ob das auch für den Nautiluspokal gilt, wissen wir nicht, denn diese Muschelgefäße mit Silberfüßen waren ein Statussymbol der Zeit in Kunst- und Wunderkammern.

Wir sehen auch Porzellan, Glas, eine Büste des Fürsten Joseph Wenzel I. von Liechtenstein, die Franz Xaver Messerschmidt um 1770 fertigte und die ein schmales Antlitz zeigt. Wir könnten fortfahren, jedoch ist es sinnvoller, sich die Ausstellung selbst anzuschauen. Dabei verweisen wir auf das Rahmenprogramm, das Themenführungen genauso anbietet wie Kunstgespräche und Vorträge. Es lohnt sich.

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Ausstellung: bis 24. August 2010 in Wien. Anschließend wird die Sonderausstellung im Kunstmuseum in Liechtenstein in Vaduz vom 24. September bis zum 16. Januar 2011 gezeigt

Internet: www.liechtensteinmuseum.at

Tipp: Gute Dienste leistete uns erneut das kleinen Städte-Notizbuch „Wien“ von Moleskine, das wir schon für den früheren Besuch nutzten und wo wir jetzt sofort die selbst notierten Adressen, Telefonnummern und Hinweise finden, die für uns in Wien wichtig wurden. Auch die Stadtpläne und U- und S-Bahnübersichten führen– wenn man sie benutzt – an den richtigen Ort. In der hinteren Klappe verstauen wir Kärtchen und Fahrscheine, von denen wir das letzte Mal schrieben: „ die nun nicht mehr verloren(gehen) und die wichtigsten Ereignisse hat man auch schnell aufgeschrieben, so daß das Bächelchen beides schafft: Festhalten dessen, was war und gut aufbereitete Adressen- und Übersichtsliste für den nächsten Wienaufenthalt.“ Stimmt.

Anreise: Viele Wege führen nach Wien. Wir schafften es auf die Schnelle mit Air Berlin, haben aber auch schon gute Erfahrungen mit den Nachtzügen gemacht; auch tagsüber gibt es nun häufigere und schnellere Bahnverbindungen aus der Bundesrepublik nach Wien.

Aufenthalt: Betten finden Sie überall, obwohl man glaubt, ganz Italien besuche derzeit Wien! Überall sind sie auf Italienisch zu hören, die meist sehr jungen und ungeheuer kulturinteressierten Wienbesucher. Wir kamen ideal unter im Hilton Hotel Stadtmitte, wo der Zugang vom Flughafen, wie auch die Nähe zur Stadt überzeugend sind, vom Service ganz abgesehen. Sinnvoll ist es, sich die Wien-Karte zuzulegen mitsamt dem Kuponheft, das auch noch ein kleines Übersichtsheft über die Museen und sonstige Möglichkeiten zur Besichtigung in Wien ist, die Sie dann verbilligt wahrnehmen können. Die Touristen-Information finden Sie im 1. Bezirk, Albertinaplatz/Ecke Maysedergasse.

Essen und Trinken: Völlig zufällig gerieten wir beim Wienbesuch in die Eröffnung des NASCH im Hilton Plaza. NASCH heißt das neue Restaurant aus gutem Grund, denn es geht auch ums Naschen, man kann sich seine Vorlieben in kleinen Portionen, dafür vielfältig aussuchen, in der Art der spanischen Tapas. Das Entscheidende am neuen Restaurant im Hilton Plaza aber ist, daß die Grundlage die österreichische Küche ist. Man kann sich quasi durch Österreich durchessen. Wir werden das ein andermal tun und dann darüber berichten.

Mit freundlicher Unterstützung von Air Berlin und den Hilton Hotels Wien.

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