Es begann mit einer wissenschaftlichen Konferenz am Institut für Forstwissenschaften in Eberswalde. Das erste Konzert war der kulturelle Höhepunkt. Gespielt hat das Erben-Quartett. Es war ein großer Erfolg. Den wollte unserer Rektor, Prof. Albert Richter wiederholen. Prof. Gunther Wolff, der Musikliebhaber, bekam sozusagen einen Auftrag. Und zu mir – ich war damals in der Kulturkommission des Instituts, habe vor allem Theaterfahrten nach Berlin organisiert – sagte er: »Wenn du das kannst, kannst du das auch.« So haben wir am 23. Mai 1964 das erste Sommerkonzert veranstaltet. Offizieller Anlass war die 8. Naturschutzwoche und die Woche des Waldes der DDR. Das Staatliche Kulturorchester Eberswalde spielte das Air von Bach und das Klarinettenkonzert A Dur von Mozart. Es dirigierte Kurt Wessel. Beim diesem ersten Konzert in der Klosterruine war noch so manches improvisiert. Aber viele haben begeistert geholfen, z.B. die FDJler vom Institut. Einige sind noch heute dabei. Wir haben zuerst mal aufgeräumt und saubergemacht, in den Ecken lag ja noch der Dreck von den Mönchen. Herr Kempe vom Rat des Kreises hat sogar sowjetische Soldaten rangeholt, die Gräben für Leitungen gezogen haben. Später hat er 10 000 Mark für das Kirchendach beschafft. Schritt für Schritt ging es vorwärts. Das meiste wurde und wird auch im 46. Jahr noch immer ehrenamtlich gemacht.
Sind Sie selbst Musikerin?
Nein, aber ich bin mit Musik aufgewachsen, konnte als Kind auch Klavier spielen. Die regelmäßigen Besuche von Konzerten und Opern in Berlin haben meiner Musikliebe sehr gut getan. Von Beruf bin ich Kartographin. Ich habe an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee Graphik studiert und am Institut wissenschaftliche Zeichnungen gemacht.
Nach Chorin kommen zu den Konzert inzwischen in jedem Jahr mehr als xxx Besucher. Wie funktioniert die Organisiation?
Angefangen haben wir mit jährlich zwei Konzerten. Und die Besucher haben wir damals noch richtig geworben. Dazu sind wir in die Eberswalder Betriebe gegangen. Die Gewerkschaft war zunächst nicht so begeistert. Die Arbeiter wollten auch nicht in einen Konzertsaal, aber Musik im Freien haben sie gern gehört. Jedes Jahr sind mehr gekommen. Die Arbeiterfestspiele 1978 haben uns endgültig bekannt gemacht. Die Konzerte waren auch bei der Volksarmee sehr beliebt, vielleicht , weil die Soldaten aus Strausberg in Zivil kommen durften. Zur 9. von Beethoven waren einmal weit über 2000 Besucher drin. Dann hat die Bauaufsicht Auflagen erteilt. Heute haben wir 1300 Sitzplätze in der Halle und 700 Rasenplätze. Die Besucher haben anfangs auf ausgeborgten Gartenstühlen gesessen. Nach und nach haben die Forstleute für das Kirchenschiff Bänke gezimmert. Ein nicht ausverkauftes Konzert ist eine seltene Ausnahme – und jetzt spielen wir von Juni bis August 16 Konzerte.
Und wie wird heute geworben?
Im Prinzip gar nicht. Chorin hat sich einfach rumgesprochen. Es gibt auch keine Abonnements. Der Vorverkauf beginnt im Januar und bald sind die meisten Karten weg. Sie kosten 12, 16 oder 23 Euro, für einen Rasenplatz 7 Euro. Erfahrene Konzertfreunde bringen einen Klappstuhl mit. Manche auch etwas zu essen und zu trinken. Das geht schon in Ordnung. Ich meine aber, man soll den Choriner Musiksommer nicht zu einem Picknick machen. Die Musik muss schon die Hauptsache bleiben.
Aber ohne Geld geht es auch nicht.
Nein. Rund achtzig Prozent finanziert unser Publikum, den Rest die Sponsoren: die Ostdeutsche Sparkassenstiftung gemeinsam mit der Kulturstiftung der Sparkasse Barnim, die Feuersozietät, die Stadtwerke, die Fachhochschule, die Technische Werke – alle aus Eberswalde. Das Land Brandenburg gibt etwas, die Klosterverwaltung Chorin, das Amt Britz-Chorin und das Bechstein-Centrum Berlin.
Wer macht die Programme? Wer spielt? Was hören die Leute am liebsten?
Die Programme macht von Anfang an Professor Gunther Wolff. Er kennt viele Orchester, Chöre und Solisten und die kennen ihn. Viele Orchester – so die Berliner Symphoniker, das Rundfunksinfonieorchester Berlin, das Brandenburgische Statsorchester Frankfurt/Oder – sind bei uns ständige Gäste. Seit 43 Jahren ist das Berliner Sinfonie-Orchester, das heute Konzerthausorchester heißt, dabei. Inzwischen haben wir so viele Angebote, dass gar nicht alle auftreten können. Die Orchester haben ihr festes Publikum. Dieses Jahr werden zum Beispiel die Berliner Symphoniker ihr Programm am Abend wiederholen, weil die Nachfrage so groß ist. Überhaupt richten sich die Leute kaum nach den Namen der Dirigenten. Sie wollen »Ohrwürmer« hören: Beethoven, Tschaikowski, Mozart und beschwingt nach Hause gehen. Das ist für die meisten die Hauptsache.
Bei einem Konzert sollen einmal sehr dissonante Töne zu hören gewesen sein?
Sicherlich spielen Sie an auf das Gastspiel des Gustav-Mahler-Jugendorchesters aus Wien. Das war 1990 – genau am Geburtstag des Dirigenten Claudio Abbado. Flugzeuge vom nahegelegenen sowjetischen Fluglatz pfiffen im Tiefflug über die Stadt und das Kloster. Da hat sich Professor Wolff anschließend beim Kommandanten beschwert. Der antworte prompt, ich hab den Brief noch hier: »Ich und meine Leute haben auch die klassische Musik gern und in unseren Kreisen und Familien ist der weltberühmte Dirigent Claudio Abbado bekannt. Es tut mir wirklich Leid, dass der Empfang der herrlichen Musik von vielen Konzertbesuchern durch einen intensiven Flugbetrieb gestört wurde.« Störungen dieser Art sind nie wieder vorgekommen. Es kamen aber seitdem viele Offiziere der Roten Armee und ihre Frauen zu unseren Konzerten.
Haben Sie ein Lieblingsorchester?
Das fällt schwer, wir haben hier so viele ausgezeichnete Orchester und Solisten. Vielleicht die Berliner Symphoniker, weil ich es beeindruckend finde, wie sie ums Überleben kämpfen, seit ihnen der Berliner Senat die Zuschüsse gestrichen hat. Wir laden sie auch ein, um sie zu unterstützen. Sie kommen immer mit einem besonders guten Programm und haben ihr Stammpublikum. Dieses Jahr bringen sie den Enkel von David Oistrach mit. Der auch schon hier gewesen ist, genau wie Igor Oistrach. Valery Oistrach wird das Konzert für Violine und Orchester D-Dur op 35 von Peter Tschaikowski spielen.
Ihr Engegement für den Choriner Musiksommer ist mit dem Kleist-Preis und mit dem Bundesverdienstkreuz gewürdigt worden. Und wenn Sie sich etwas wünschen dürften – was sollte gespielt werden?
Die Carmina Burana von Carl Orff.
Das vollständige Konzertprogramm 2009 unter: www.Musiksommer-Chorin.de