Der 1. FC Union Berlin steht vor Vereinsjubiläum – Anspruch und Wirklichkeit

© Foto: Hans-Peter Becker
Es wäre ja nicht schlecht gewesen, wenn der 1. FC Union diese Lücke in seinem Jubiläumsjahr hätte schließen können. Die Saison ist zwar erst 14 Spieltage alt, doch ein möglicher Aufstieg der Köpenicker ist so wahrscheinlich wie die vorzeitige Eröffnung des Flughafens in Schönefeld. Vor der Saison wurde keck formuliert, Platz 1 bis 6 und der Aufstieg ist durchaus erwünscht. Eine größere Breite im Kader, einige namhafte Verstärkungen und ein besseres taktisches Verständnis mit einer nun besser eingespielten Mannschaft sollten diese Hoffnung nähren. Die Bilanz der bisher abgelieferten Leistungen zeichnet ein anderes Bild. Union entließ als erster Bundesligist den Trainer. Wie im vergangenen Jahr, wurde der Start verpatzt. Wie in der vergangenen Saison, wurden in 14 Spielen nur 3 Siege geholt, lediglich in der Punktausbeute steht die Mannschaft um einen Punkt besser da. Positiv ist lediglich, dass der Angriff mit 25 erzielten Toren – trotz des Weggangs von Sebastian Polter – im Gegensatz zum Vorjahr 10 Treffer mehr erzielt hat. Doch was nützt das, wenn die Anzahl der Gegentore mit 25 genau gleich geblieben ist.
Das letzte Heimspiel lieferte ein 3:3, Gegner war der 1. FC Nürnberg. Nach dem Schlusspfiff war es im Stadion erstaunlich still. Die Eisernen hatten eine 3:1 Führung nicht in das Ziel gebracht. Immerhin nicht verloren, doch es war, wie so oft in dieser Saison, ein gefühlte Niederlage. Am liebsten wäre Trainer Lewandowski so schnell wie möglich mit seinen Spielern wieder auf dem Trainingsplatz. Doch er muss ihnen zunächst ein bisschen Zeit zum Verschnaufen während der dritten Länderspielpause können. Es sind noch 5 Spiele bis zur Winterpause und da muss die geistige und körperliche Frische erhalten bleiben. „Ich muss für mich akzeptieren, dass bestimmte Dinge nicht so konstant da sind, wie das bei einer Mannschaft der Fall sein sollte, die weiter oben in der 2. Liga mitspielen kann oder wird.“ Dieser Satz des Trainers beschreibt die Situation. Es funktioniert zu vieles nicht, mit viel Geduld müssen die Dinge erarbeitet werden. Eigentlich wollte man über diese Phase längst hinaus sein.
Norbert Düwel favorisierte ein 3-5-2-System, was nicht so stark auf Ballbesitz orientiert ist. Durch eine Verdichtung im Mittelfeld sollen schnelle, überraschende Balleroberungen möglich werden, die dann möglichst den Torerfolg bringen. Ein Problem ist bis heute nicht beseitigt, bei Ballverlusten und schnellen Konterspiel des Gegners scheint in der Union-Abwehr immer ein Verteidiger zu fehlen. Die verbleibenden drei Verteidiger dürfen vor dem eigenen Strafraum keinen Zweikampf verlieren, eine Absicherung gibt es nicht. Der neue Trainer Sascha Lewandowski bevorzugt eigentlich ein anderes System. In den beiden letzten Partien, in Heidenheim auswärts und gegen Nürnberg daheim, lief es recht gut mit einer Dreierkette. Lewandowski ließ so spielen, wie es sein Vorgänger geplant hatte. Wichtig war, dass die beiden Außenspieler im Mittelfeld beim Verteidigen schnell die Positionen und Funktionen von Außenverteidigern einnehmen. Um etwas Druck von der Abwehrkette zu nehmen, sollten die beiden Stürmer als erste den ballführenden, gegnerischen Spieler attackieren. Gegen Heidenheim hat dies hervorragend funktioniert, im Heimspiel gegen Nürnberg nur streckenweise. Problematisch ist auch, das kein Stürmer diese Spielweise über 90 Minuten durchhält und in der Schlussphase gewechselt werden muss.
Die Kaderplanung lag in Ermangelung eines sportlichen Leiters fast allein in den Händen des inzwischen entlassenen Trainers. Der Kader ist für ein 3-5-2-System zusammengestellt worden. Insofern verwundert es nicht, dass in einigen Medien wieder auf das Fehlen eines sportlichen Leiters verwiesen wird. Der sportliche Leiter hieß Christian Beeck und hat in einigen Äußerungen kein gutes Haar an der Aufstellung des Kaders gelassen.
Viel weniger Sorgen bereiten die Leistungen im Angriff, wer hätte das gedacht, nach dem schmerzlichen Abgang von Sebastian Polter. Bobby Wood hat bisher fünf Tore erzielt und hat bei allen Pflichtspielen Einsatzzeit gehabt. Immer besser versteht er sich mit Steven Skrzybski, da wächst ein gefährliches Sturmduo heran. Auf diesen Positionen ist Union gut besetzt und hat sogar Alternativen. Bleibt die Baustelle Abwehr. Im Kader fehlt ein linker Außenverteidiger, wenn in einer Viererkette gespielt werden soll. Sollte sich die Gelegenheit ergeben, werden die Vereinsverantwortlichen sicher tätig werden, wenn sich das neue Transferfenster öffnet. Sascha Lewandowski muss bis Weihnachten möglichst viele Punkte aus den verbleibenden Spielen holen. Der Kader ist trotz aller Probleme zu gut, um nur gegen den Abstieg zu spielen. Ob allerdings die Eisernen am Ende zu den sechs besten Teams der Liga gehören werden, darf bezweifelt werden.
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