Als Ende des 19. Jahrhunderts es schon einmal als chic galt, auf Englisch zu parlieren, da war es vor allem der Sport und die Lebensart, denen der Allgemeine Deutsche Sprachverein mit „Rückhand, Mittelstürmer, Freistoß, Tor, Halbzeit, Spielstand, Schiedsrichter und abseits“ (Seite 69) für das Erstere deutsche Begriffe erfand, die wir heute alle benutzen. Noch einmal. Hätte dieser Verein nicht eingegriffen und Wörter erfunden, hieße es noch heute „backhand, center-foreward, free kick, goal, half time, score, umpire, off side“. Haben Sie alles verstanden?
Das alles wußten wir nicht. Und erst recht nicht, daß die Nazis und Hitler diejenigen waren, die gegen die Bestrebungen, alles auf Deutsch auszudrücken, ihr politisches Veto einlegten. 1941 wurden die altdeutsche Druckschrift Fraktur und die deutsche Schreibschrift Sütterlin „verboten, um das Deutsche internationaler zu machen.“ (Seite 70) Aber was haben wir da immer gelernt, die Nazis hätten gefordert, statt ’Nase’ Gesichtserker zu sagen? Alles gelogen. Stattdessen lautete es 1940 aus dem ’Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung’: „Der Führer wünscht nicht derartige gewaltsame Eindeutschungen und billigt nicht die künstliche Ersetzung längst ins Deutsche eingebürgerter Fremdworte durch nicht aus dem Geist der deutschen Sprache geborene Wörter.“ (Seite 70) Statt also fälschlich diejenigen, die seit Jahren fordern, deutsche Begriffe einzuführen und zu verwenden, als Nationalisten zu verunglimpfen, sollten die Deutschen diese kreative Sprachleistung endlich umfassend wiederentdecken, und gleichzeitig ihre Politiker in Gang setzen, ebenso zu verfahren.
Alles in allem also ein spannendes Buch, das Sie – einmal in die Hand genommen – so schnell nicht wieder aus der Hand legen. Besonders gut finden wir die Einschätzungen über die soziologischen und psychologischen Veränderungen, die denen zuteil werden, die heute noch glauben mit Denglisch oder Anglizismen Blumentöpfe zu gewinnen. Im Gegenteil: “Nachdem inzwischen auch schon die schmierigste Frittenbude als City-Grill firmiert“ – so gerade in Bregenz im Abfallparkplatz gesehen, der ’open’ angeschlagen hatte, aber keiner das anfassen möchte – sind englische Begriffe nichts besonderes mehr. Viele Konsumenten verbinden damit inzwischen „Etwas Billiges und Ordinäres“. Das geht aufs Geld, wenn man falsch wirbt. Und das geht auf den Geist, wenn man Deutsch nicht sprechen darf, sondern so altbackenes Denglisch von gestern vorgekaut bekommt oder kaum aussprechbare Amerikanismen. Seien wir modern und modisch: sprechen wir Deutsch und noch besser: gutes Deutsch.
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Wolf Schneider, Cornelius Sommer, Josef Kraus, Walter Krämer, Deutsch lebt! Ein Appell zum Aufwachen, IFB Verlag Deutsche Sprache 2010