Dekra regelt nun auch Hurrikanschäden in der Karibik – Die Prüforganisation expandiert durch Firmenkäufe und Erweiterung des Dienstleistungsangebotes

Zwar liegt das Kerngeschäft des Stuttgarter Unternehmens immer noch in der Prüfung von Autos – mit jährlich 22 Millionen Checks ist Dekra die weltweit größte Prüforganisation –, doch beschäftigen sich Dekras Ingenieure und Sachverständige längst auch mit allen möglichen Industrieanlagen – und zwar weltweit. Gerade habe man die Aktivitäten „in Wirtschaftszentren“ wie Paris, Atlanta (USA), São Paulo (Brasilien) und Shanghai (China) ausgebaut, sagte Dekras Vorstandsvorsitzender Stefan Kölbl letzte Woche vor Journalisten. In Australien steht Dekra kurz vor dem Kauf einer Firma, „dann sind wir auf allen Kontinenten mit eigenen Gesellschaften vertreten.“ Und auf der zu den Niederlanden gehörenden Antilleninsel Curaçao hat Dekra 2012 sogar eine Karbik-Gesellschaft gegründet, die sich der Regelung von Hurrikanschäden widmet.

2012 war für Dekra wie schon 2011 ein Rekordjahr. Nach Angaben von Kölbl wird das Unternehmen zum Jahresende 2,15 Milliarden Euro umgesetzt haben. Davon kommt bereits über ein Drittel aus dem Ausland. Der Umsatz werde sieben Prozent über dem Wert des Vorjahres liegen, und auch die Zahl der Beschäftigten sei gestiegen, um 1.300 auf weltweit 28.600 Mitarbeiter.

Die guten Ergebnisse erklärt Kölbl durch organisches Wachstums und durch Übernahmen anderer Firmen. Allein in diesem Jahr seien Käufe in Australien, Dänemark, Indien, Schweden, Singapur und den USA getätigt worden. „Insgesamt sind Dekra-Experten nun in über 50 Ländern auf allen Kontinenten aktiv.“

Dekra fußt auf drei Säulen: Automobil, Industrie und Personal. Den Kern bildet die Automobilsparte, die mit einem Umsatz von 1,2 Milliarden um vier Prozent gewachsen ist und mehr als die Hälfte zum Gesamtergebnis beiträgt. In jeder Stunde werden durchschnittlich rund 2.500 Fahrzeuge bei Dekra geprüft, 22 Millionen jährlich. In der Bundesrepublik ist Dekra Marktführer im Kfz-Prüfgeschäft und bei den -Gutachten. Ein Prüfsystem nach hiesigem Vorbild will Dekra derzeit in Mexiko, Südafrika und den USA etablieren.

Besonders stolz ist Kölbl auf den „Ritterschlag“ durch die japanische Straßenbehörde, die Dekra als einzige deutsche Organisation die passive Sicherheit von Elektrofahrzeugen für Japan zertifizieren läßt. Überhaupt widmet sich Dekra verstärkt der Sicherheit rund um die Elektromobilität. Anfang 2012 wurde ein Kompetenzzentrum eingerichtet, das sich unter anderem mit der Homologation, Sicherheit und Normung von Elektroautos beschäftigt. Das Zentrum ist beteiligt an der Erarbeitung von Prüfvorschriften für die Hauptuntersuchung von E-Autos und an der Zertifizierung der Sicherheit von Elektroladestationen.

Außerdem tummelt sich Dekra Automobil im Gebrauchtwagenmanagement für Autohersteller, Leasingunternehmen, Autovermieter und -händler, ist dort europäischer Marktführer, agiert aber auch in Brasilien, China und den USA.

Sicherheit für die Industrie weist das größte strategische Wachstum auf
Um größere Kundennähe herzustellen, siedelt Dekra seine „wiederkehrenden Industriedienst-leistungen“, etwa im Bereich Immobilien, Anlagensicherheit, Arbeits- und Umweltschutz, ab dem neuen Jahr in den Niederlassungen der Automobilsparte an. So will man den Geschäftskunden integrierte Sicherheitsdienstleistungen „aus einer Hand“ anbieten.

Das Industriegeschäft bildet das zweite Geschäftsfeld von Dekra und ist gleichzeitig das mit dem „größten strategischen Wachstum“, wie Kölbl betont. Der Umsatz stieg hier um 15 Prozent auf 630 Millionen Euro. Durch Zukäufe hat Dekra sich um die „zerstörungsfreie Werkstoffprüfung“ erweitert, bei der mit Röntgenstrahlen und Ultraschall beispielsweise Rohre oder Schweißnähte in Öl- und Gasanlagen geprüft werden. Nach weiteren Übernahmen ist Dekra nun auch als Berater für die betriebliche Sicherheitskultur „vom Topmanagement bis zum Arbeiter“, für das Nachhaltigkeitsmanagement sowie als Spezialist für Explosionsschutz aktiv.

Bei so viel Technik überrascht es zunächst, daß Dekras dritte Geschäftseinheit dem Personal gilt: in der Zeitarbeitsbranche und in der Weiterbildung. Hier wurden 340 Millionen Euro umgesetzt (plus zwei Prozent), doch der Dekra-Chef ist sichtlich unzufrieden: Regelungen für Zeitarbeiter, die gleichen Lohn für gleiche Arbeit garantieren, und daß „die Politik nicht die Einführung von Mindestlöhnen verhindert habe“, hätten den Unternehmen Flexibilität genommen und sie „verunsichert“, meint Kölbl, womit er wahrscheinlich nicht auf breite Zustimmung treffen wird.

In der Aussicht auf 2013 ist Kölbl vor dem Hintergrund der vielen Firmenkäufe „optimistischer als noch vor ein paar Wochen“. Dekra will „in etwa gleichem Maß aus eigener Kraft und durch Akquisitionen weiter wachsen“. Dafür seien in den letzten zwölf Monaten die Voraussetzungen geschaffen worden.

kb

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