SO 36
Mitten in „1 Berlin 36“, dem alten Berliner Postzustellungsbezirk Südost 36, weswegen dieser kleine und ärmere Teil von Kreuzberg bei Eingeweihten kiezfidel „SO 36“ genannt wird, womit sich die SO 36er gerne vom bürgerlicheren SW 61 abgrenzen, was durch Aussprüche wie „36 brennt, 61 pennt“ nicht nur am 1. Mai gilt. In SO 36 zwischen dem leider verschütteten Luisenstädtischen Kanal im Westen und dem Landwehrkanal im Süden liegt eine alte Markthalle, die Markthalle Neun.
Die Markthalle Neun
Über 120 Jahre ist das Bauwerk alt und beherbergt neben blöden Billigstdiscountern einen bunten Wochenmarkt, der freitags und samstags von 10 bis 18 Uhr allerlei Leckereien anbietet und verschiedenste Leute anzieht. Dort trifft Wein Käse und Süßwarenanbieter auf Kunden beim „Kaffeeklatsch“ titulierten kleinen Naschmarkt. Donnerstagabend ist „Street Food Thursday“. Dann versammeln sich „beste Bürgersteig-Delikatessen aus Berlin und der ganzen Welt“ unter diesem Dach, unter dem auch zwei Legenden zuhause sind:
Herr Lehmann und das Lokal „Markthalle“
Eines Tages besucht der 29-jährige Frank Lehmann, den alle nur Herr Lehmann nennen, seinen besten Freund Karl im Lokal „Markthalle. Dort arbeitet der Gute gerne. In dieser besagten Szene des von Regisseur Leander Haußmann verfilmten Romans „Herr Lehmann“ von Autor Sven Regener zeigt sich Herr Lehmann schlecht gelaunt, denn seine Eltern wollen ihn in Berlin besuchen. Mürrisch gestimmt ärgert er sich über die „Sonntags-Frühstücker“, die alle Tische besetzt halten. Aus Trotz verlangt er einen Schweinebraten, was der neuen Köchin Katrin angesichts der frühen Uhrzeit wiederum nicht passt . Sie dreht den Spieß um und verwickelt Herrn Lehmann in ein Gespräch über philosophische Fragen nach dem Sinn des Lebens und der Zeit.
Rainer Mennig und das Weltrestaurant
Nicht im Fiktiven sondern im echten Weltrestaurant Markthalle schwingt Rainer Mennig das Zepter am Herd in der Küche und am Zapfhahn hinterm Tresen. Der Franke, der seit 1978 in Berlin lebt und viel durch die Welt fliegt, vor allem durch Asien reist, schaltet in seinem Lokal, schließlich ist er gelernter Koch, und schnackt mit seinen Gästen, von denen 85 drinnen Sitzplätze finden, aber auch draußen Platz nehmen können, und wir fühlen uns schnell heimisch, als gehörten wir alle schon immer zur hundert Jahre alten Einrichtung der Markthalle und seien nicht wegzudenken aus Kiez und Weltrestaurant. Dabei hat das Weltrestaurant Markthalle erst 1993 eröffnet. Katrin, die Kellnerin, ist eine echte Kreuzbergerin und bringt das Bier, während unsere Blicke durch das Restaurant schweifen, das den Charme der Alten Welt mit schönen dunklen Holz, hohen Decken und eine lange Bar in einem großen Raum, der durch schlichte Eleganz wie zeitlose Einfachheit besticht, konserviert. An den weißen Wänden hängen Bilder von Boysen, einem Berliner Künstler. Daß die Eltern von Herrn Mennig eine große Gaststätte in Hammelberg in Unterfranken führten, die Mutter Köchin, der Vater Bäckermeister, das merkt man Rainer – mit dem wir schnell vom sie zum du wechseln – an. Von der Pike auf gelernt ist gelernt.
Der Schweinebraten, die Schnitzel und der „Stramme Max“
Auf der Karte steht Herr Lehmanns weltberühmter Schweinebraten mit Weinsauerkraut und Semmelknödel. Schnitzel „Wiener Art“ und Jägerschnitzel, beide mit Bratkartoffeln, zählen zu den Spezialitäten des Hauses. Hausgemachte Spätzle werden auch von 12 bis 24 Uhr serviert. Rührei Natur von drei Eiern mit Butter und Toast, wahlweise mit Schinken, Speck, Käse, Zwiebeln und Tomaten stehen auf dem Programm wie Weißwürste aus Bayern mit Brezel, süßem Senf und Butter. Der Berliner Klassiker bleibt der „Stramme Max“ und wer diese Hausmannskost bestellt, die als Kneipengericht in der Berliner und Wiener Republik Einzug in Gaststätten gehalten hat, „der bekommt ein Schwarzbrot mit Schinken, Spiegelei und Gurke“, erklärt Herr Mennig, und liefert einen Beleg für die bodenständige Küche im Weltrestaurant Markthallte, in dem die Biergläser klirren und das Credo: Weltoffenheit.
Auster Club
Wer nach dem Essen noch feiern möchte, der ist im Auster Club goldrichtig, dieser Perle der Berliner Clubszene. In dem gemütlichen Kellerraum tanzt an Frei- und Samstagen der Bär bei „`handgemachter` ehrlicher populärer amerikanischer Musik der 40er bis 60er Jahre“, die hier „neu definiert“ werde. Raucher finden eine kleine lauschige Lounge im Innenhof für die Pause mit Plausch in gut belüfteter Atmosphäre. Der Auster Club, in dem DJ’s auflegen und Bands fünf, sechs Mal im Monat live spielen, kann auch für Veranstaltungen unterschiedlichster Art angemietet werden. Wenn im Auster Club der Beat schlägt, dann schlägt im Weltrestaurant Markthalle das Herz, das Herz im Kiez, in SO 36. Und das ist gut so!
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Weltrestaurant Markthalle, Pücklerstraße 34, 10997 Berlin-Kreuzberg, Telefon: 030-617 55 02, Email: info@weltrestaurant-markthalle.de, Website: http://www.weltrestaurant-markthalle.de