Die hat dem französischen Künstler Joann Sfar der Teufel gesagt. Exakt 99 Jahre war es am 4. Oktober her, dass Dr. Joseph Bell, den Scotland Yard aufgrund seiner Kenntnisse in der Forensik im Jack-The-Ripper-Fall zu rate zog, verstarb. Im zweiten Teil des schaurigen Schabernacks lässt Sfar „Die Puppen aus Jerusalem“ tanzen.
"Hell is empty and all the devils are here.“ (Shakespeare, The Tempest)
Nur ein armer Teufel hockt von infernalischer Langweile befallen im düsteren Edinburgh. In der Melville Street 60 können nur Alkohol und Kokain Bell besänftigen, der seinem untoten assistenten Eliphas schon die Morde Jack The Rippers vorfantasiert: „Ich muss von Monstern, Morden und Schrecken umgeben sein, sonst ertrage ich die Qualen nicht.“ Wer weiß, woher der wahre Bell sein Expertenwissen im Ripper-Fall hatte..? Ein nächtlicher Maskenball veranlasst Professor Bell, Eliphas und dem Scottland Yard Inspektor Mazock Reise nach Jerusalem zu spielen. Dort kämpfen eine Rabbi, ein Priester und ein Moslem alle tausend Jahre gegen den Höllenfürsten.
Unter den Straßen Jerusalems wuchert das schwarz-rote Kerkerlabyrinth eines Piranesi. Untote und Lebende veranstalten in Sfars grotesken Schraffuren ein infernalisches Gemetzel. Aus den bluttriefenden Tuschbildern wächst das Gelobte Land. Die schwarzen Fenster der Lehmhütten starren wie leere Augenhöhlen auf das Straßenlabyrinth Jerusalems. In sattem Ocker und Braun schimmernde Wüstenglut verdrängt die kühlen Töne Schottlands. Sfars feuerroten Baphomet inspirierte eine Illustration , deren Zeichner den Vornamen von Professor Bells Watson-Pendant trägt. Die rationelle Moderne dämmert über dem Morgenland des 19. Jahrhunderts. Schopenhauer hat den Glauben an „Teufel mit Hörnern und Narren mit Schellen“ vertrieben. Gott ist tot, der Teufel „ein Konstrukt“. Mehr Böses als bereits da ist, kann es nicht geben. Wer meint, er allein verkörpere das Böse, „braucht eher einen Psychiater als einen Beichtvater.“, sagt dem Höllenfürsten ein Rabbi ins Bocksgesicht.
"There is nothing more deceptive than an obvious fact." (Sherlock Holmes)
„Die Puppen aus Jerusalem“ sind weit teuflischer als der erster Band, nicht nur dank des zynischen gehörnten Spötters, den Sfar zum (un)heimlichen Helden seines Comics krönt. Sfars bissigen Pointen machen den Mystery-Krimi zur bitterbösen Parodie auf das Possenspiel der organisierten Weltreligionen. Er sehe hinter die Masken, behauptet Bell. Tatsächlich tut er dies gerade nicht und erkennt darum die Trugbilder so als solche. Für „Die Puppen aus Jerusalem“ sind ihre Masken Gesichter. Dahinter verbirgt sich Leere, schlimmstenfalls ein pulverisiertes Gehirn oder ein Stein. „Die Teufel in Jerusalem haben ihre speziellen Methoden.“ Die Kultur, die alle Welt beleckt, hat auf den Teufel sich erstreckt. Bewaffnet mit den neuesten technischen Teufeleien wird er sesshaft, denn er „kann auch von Jerusalem aus jede Menge Unheil anstellen.“
Nichts ist mehr heilig. Nicht Doyles Romanfigur, die Sfar in von Hommage bis Persiflage variierenden Anspielungen in seiner Szenerie beschwört. Weder das Himmlische, das fluchende Schutzengel vertreten, noch das Böse und am wenigsten dessen Personifizierung. Wohin das führt, erahnt Inspektor Mazock schon, bevor ihn das Jerusalem-Syndrom gepackt hat: „So fängt es an und schließlich endet man als Atheist."
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Joann Sfar: Professor Bell. Der Mexikaner mit den zwei Köpfen, Avant-Verlag, 2008, 48 Seiten, 14, 95 Euro