Das klingt nicht kindgerecht? Es ist bezaubernd! Das Kinderbuch zu Fridas Kahlos Welt ist eine eigene kleine Traumwerkstatt, die eben nicht süßlich oder lebensfern belehrend daherkommt, hier wird die Welt einer leidenden Künstlerin so erzählt, wie Kinder die Welt erleben. Voller Geheimnisse, Schatten und unerklärlicher Geschehnisse. Die kleine Leonarda lebt mit ihrer Familie in Mexiko City und besucht jeden Freitag das blaue Haus, in dem ihre Mutter als Putzfrau arbeitet. Beim Herumstreifen durch das große Haus und seinen Garten voller Pflanzen und Tiere gelangt Leonarda in ein Zimmer mit zwei Skeletten an der Wand. Und einer sehr lebendigen Dame in einem Bett. Die Dame schreibt in ein Buch, sie bittet das Mädchen um eine Zigarette vom Tischchen, fragt sie, warum sie nicht in der Schule sei. Eva liegt im Krankenhaus, ihre Schwester und Freundin, deshalb soll Leonarda ihre Mutter begleiten. Mehr erzählt Leonarda nicht, sie hat Angst und sie will nicht weinen. Frida, wie sich die Dame vorgestellt hat, ist Expertin im Traurig-Sein.
Sie schreibt für das Mädchen: „Alles hat etwas Schönes und etwas Trauriges an sich”¦“ Dazu sind auf nachtdunklem Hintergrund Collagen montiert, Ausschnitte aus Frida Kahlos Werk, die spielerisch mit realistischen Elementen der Erzählung verknüpft sind. Leonarda trägt Rock und Pullover, die wie eine Schuluniform anmuten, weiße Strümpfe und türkisfarbene Schleifen an den Zöpfen. Frida ist ein mit roten Tuschstrichen angedeutetes Haarband ist dunkle Flechtwerk gebunden. Sind manche Details als Schatten oder Schemen erklärt, werden kleine Objekte malerisch in den Vordergrund gerückt, die Früchte in der Obstschale, der kleine Affe, die schwarze Katze, Skelette und Totenköpfe.
Der Tod ist sehr präsent in diesem Bilderbuch, im Leben des Mädchens und der Dame. „Ich denke oft an den Tod. Er ist die ganze Zeit da. Jemand hat gesagt, dass der Tod auf allen Bildern zu finden ist, die ich male. Sie sieht mich mit ihren schwarzen Augen an. Es ist, als wisse und verstehe sie alles.“
Zu diesem Textblock ist Frida Kahlo im Bett gezeigt, sie liegt und schaut hinaus aus dem Buch, auf den Betrachter, die linke Hand streichelt einen mit Perlen verzierten Totenkopf. Am Ohr der aus einer Fotografie montierten Kopf-Collage Fridas baumelt ein Ohrring in Form einer kleinen Hand, das Haar durchzieht das rote Tuschband. Wirklich und unwirklich, echt und tieftraurig schaut sie uns an. Besser kann kaum definiert werden, wie das Leben für sie war, diese gezeichnete, kämpfende Frau.
Frida verrät Leonarda, dass sie weiß, dass Gabeln und Messer sprechen können und Zitronen brennen. Sie weiß, dass Leonarda nicht weinen möchte, dass sie Angst hat um ihre Schwester, die im Sterben liegt.
Über all der Schwermut liegt innerhalb dieses phantastischen Buchuniversums ein versöhnlicher Ausklang, wird das Mädchen weinen können. Frida Kahlo wird vielleicht lächeln am Ende und inmitten ihrer Bilder, Freunde, Kollegen, Skelette und mit einem bunt gewandeten Mädchen Leonarda feiern können.
Bjí¸rn Sortland und Hilde Kramer greifen Motive aus Frida Kahlos Werken auf und erklären gleichsam spielerisch den tiefen Zusammenhang zwischen Kunst und Leben der mexikanischen Künstlerin. Der Norweger Bjí¸rn Sortland, Jahrgang 1968, schreibt seit 1998 Kinder- und Jugendbücher, die vielfach ausgezeichnet wurden. Hilde Kramer, Jahrgang 1960, illustrierte bereits mehrere Kinderbücher und arbeitet als Kunstlehrerin. Sie lebt auf dem Land in der Nähe von Oslo, wo sie eine kleine ökologische Farm betreibt.
Möge die glückliche Verbindung der beiden Buch-Künstler noch viele weitere behutsame wie tiefe Werke hervorbringen, auf dass unsere Kinder sich auf so anschauliche wie tiefe Weise in die Welt der Kunst und des Lebens Eintritt verschaffen können!
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Bjí¸rn Sortland, Hilde Kramer, Frida – Im blauen Haus meines Herzens, Aus dem Norwegischen von Christel Hildebrandt, 48 Seiten, Benteli-Verlag, Juli 2011, 17,50 €. Für Kinder von 9-11 Jahren empfohlen.