Das PSPP-Anleihekaufprogramm der EZB ist teilweise verfassungswidrig – Die EU-Kommission missachtet die Volkssouveränität ihrer Mitgliedsstaaten und verachtet das Demokratieprinzip

Ganz schön schräg: Das Gebäude der EZB in Frankfurt am Main. © 2016, Münzenberg Medien, Foto: Stefan Pribnow, Aufnahme: Frankfurt am Main, 4.7.2016

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Das Bundesverfassungsgericht hat auf Antrag von Dr. Gauweiler mit Urteil vom 5. Mai 2020 (AZ: 2 BvR 859/15, 2 BvR 1651/15, 2 BvR 2006/15, 2 BvR 980/16) das PSPP-Anleihekaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB), das am 4.3.2015 aufgelegt wurde, für teilweise verfassungswidrig erklärt sowie ein diesbezügliches Urteil des Europäischen Gerichtshofs, das nach einem Vorlagebeschluss des Bundesverfassungsgerichts ergangen ist, für unbeachtlich.

Das Kürzel PSPP steht für Public sector asset purchase programme und ist ein Programm zum Ankauf von Staatsanleihen an den Sekundärmärkten, um laut „Beck Aktuell“ (11.12.2018) „einem bestehenden Deflationsrisiko in der Eurozone zu begegnen und wieder eine Inflationsrate von unter, aber nahe 2% zu erreichen“. Manche Kenner und Kritiker meinen einen Verstoß gegen das geldpolitische Mandat der EZB und das Verbot der monetären Staatsfinanzierung ausmachen zu können, vom Verstoß gegen das im Grundgesetz niedergelegte Demokratieprinzip ganz zu schweigen.

Dazu hat die Europäische Kommission gestern mitgeteilt, dass sie aufgrund dieses Urteils des Bundesverfassungsgerichts ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland (BRD) einleiten möchte. Dazu teilt Herr Dr. Gauweiler als Kläger in dieser Sache per Pressemitteilung vom 10.6.2021 mit: „Das Ultra-Vires-Prinzip ist unveränderbares geltendes Verfassungsrecht, das nicht Gegenstand eines Vertragsverletzungsverfahrens sein kann und geht auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Lissabon-Vertrag vom 30. Juni 2009 (AZ: 2 BvE 2/08) zurück. Alle EU-Vertragsstaaten wissen, dass Deutschland ohne Beachtung dieses Prinzips dem Lissabon-Vertrag niemals zugestimmt hätte; dass EU-Organe nur innerhalb ihrer Kompetenzen handeln und diese nicht von Brüssel aus verschoben werden dürfen, war bisher Geschäftsgrundlage der Verträge.

Das von der EU-Kommission gestern eingeleitete „Vertragsverletzungsverfahren“ ist nicht nur vom Zeitablauf, sondern auch inhaltlich ein absurder Vorgang, weil es eines der Fundamentalprinzipien der EU selbst außer Kraft setzen will: Das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung. Die EU-Kommission schadet sich damit selbst, weil sie durch diese Missachtung der Volkssouveränität ihrer Mitgliedsstaaten und des Demokratieprinzips die Zweifel an ihrer eigenen Vertragstreue zu den europäischen Verträgen weiter stärkt.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Möglichkeit der Ultra-Vires-Kontrolle ohnehin auf das absolute Minimum beschränkt, z.B. auf Fälle, wo eine Auslegung der Verträge objektiv willkürlich ist oder die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Bundestages außer Kraft gesetzt wird.“

Kurzum: Die EU-Kommission missachtet die Volkssouveränität ihrer Mitgliedsstaaten und verachtet das Demokratieprinzip. Das ist unter Ursula von der Leyen nicht anders als unter Jean-Claude Juncker.

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