Berlin, Deutschland (Weltexpress). Man kann die Entwicklungen in beiden ehemals großen Volksparteien auf Kernfragen herunter brechen. Die SPD kann machen, was sie will. Mit der Agenda 2010 hat sie unter dem damaligen Ansturm des US-Konzeptes des Shareholder Value ihren sozialpolitischen Markenkern aufgegeben. Einen anderen Kern hat sie nicht. Mit der Aufgabe der Kontrolle über die deutschen Grenzen haben CDU und CSU ihre staatspolitische Aufgabe verraten und den Rechtsstaat außer Kraft gesetzt. Nichts im neuen Koalitionspapier ist darauf ausgerichtet, die damit verbundenen Probleme anzugehen, geschweige denn zu lösen.
Beide Parteien werden an diesen unterschiedlichen und zentralen Fragen deshalb scheitern, weil sie die Probleme bewußt ignorieren. Martin Schulz hat vor einem Jahr sich der Grundfrage der SPD genähert. Dann verschwand er damit vor der NRW-Landtagswahl in der Versenkung. Damit nahm er das Schicksal der SPD vorweg. In der CDU/CSU wird mit einem weiteren Verbleib der derzeitigen Bundeskanzlerin und einem absehbaren Verlust von Landtagswahlen das Grundproblem erst zu einer tödlichen Dimension heranwachsen. Merkel ist die Garantin für das Zerplatzen der Union als Volkspartei und wird bestenfalls für eine Auflösung der Union nach dem Modell stehen, das Anfang der Neunziger Jahre mit dem Namen von Wolfgang Schäuble in der CDU in Verbindung gebracht worden ist. Auflösung der CDU nach italienischen Vorbild war seinerzeit die Maxime. Der weitere Verbleib von Frau Dr. Merkel in den beiden Ämtern als Parteivorsitzende und Bundeskanzlerin wird der Garant für das Ende der CDU/CSU sein.
Was tun? Diese Frage bemißt sich zunächst nach der Bereitschaft noch vorhandener Kräfte in beiden C-Parteien, entweder staatspolitische Verantwortung oder persönliches Karrierestreben wahrzunehmen. Man kann seit längerem feststellen, dass geradezu exhibitionistische Phänomene in dieser Lage nach vorne drängen und die Gefahrenpotentiale noch verschärfen. Es ist dringend geboten, die vor dem weiteren Verlust von Landtagswahlen noch vorhandenen Ministerpräsidenten von CDU und CSU zum Handeln zu veranlassen. Sie sind traditionell in CDU/CSU der geborene Findungskreis für die Nachfolge im Amt der derzeitigen Parteivorsitzenden und Bundeskanzlerin. Bei der Nachfolge kommt es nicht darauf an, mit einem nicht vorhandenen Hoffnungsträger in die Zukunft durchzustarten, weil es den nicht gibt. Die Partei ist unter Angela Merkel abgewirtschaftet worden und hat sich abwirtschaften lassen. In der CDU geht es bestenfalls darum, Zeit zu gewinnen. Noch steht in der Person des hessischen Ministerpräsidenten Bouffier diese Persönlichkeit für eine knapp bemessene Zeit des Übergangs zur Verfügung. Etwas anderes ist bei dem feststellbaren Zustand der CDU nicht mehr drin. Der CDU wird es vermutlich gelingen, diese Chance ebenfalls zu verspielen. Das fängt morgen im ZDF mit der CDU-Parteivorsitzenden Merkel an, die sich nach Presseberichten selbst eingeladen hat. Die Meßlatte für diesen Auftritt ist die Erklärung nach dem Modell Martin Schulz: Rücktritt.