Berlin, Deutschland (Weltexpress). Palazzo geht in Berlin in seine zwölfte Saison und wieder einmal bitten Kolja Kleeberg und Hans-Peter Wodarz im Spiegelpalast genannten Zelt zu Tisch. Gestern gab es am Bahnhof Zoo die Premiere mit vielen vornehmen schick bis langweilig gekleideten Gästen, davor war Warmstart mit weniger aufs Äußere wert legenden Leuten, deren Kleiderwahl wir leger nennen wollen.
Einigen der bunten Hunde und grauen Mäuse schüttelte Hans-Peter Wodarz im Foyer des Spiegelpalastes die Hände und bot einen bunten Strauß an Anekdoten aus der guten alten Zeit, während Kellner geistige Getränke reichte. Kolja Kleeberg gab auf dem Weg vom Vor- in den Hauptraum, in dem Dutzende Kerzen brannten und manche Scheinwerfer leuchteten, offenbar allen Gästen die Hände, den Geladenen und den Gekommenen, und warme Worte mit auf den Weg in den wohltemperierten wie bespiegelten Saal, in dem Darsteller bereits in der Manege auf der Jagd nach dem Glück schienen.
Der ein oder andere Künstler tauchte bereits am Eingang zum Zelt auf, mancher wuselte in der Menge an der Bar, andere wiederum begleiteten Gäste an ihre nett eingedeckten Tische.
Glücksjäger
lautet der Titel des Programms mit dem Hüftsteife eines hinkenden Greigen. Das Wort ist ein aparter Mix aus Grau und Beige (gleich Greige) und nicht per se böse gemeint. Die meisten Gäste der vergangenen Jahre dürfte den Jahrgängen 55plus angehört haben. Für die sind musikalische Unterhaltung beim Essen, so dass man am Tisch nicht nur kauen kann, sondern auch sprechen, und der Wortwitz bis hin zum Kalauer Sven Riemann in der Rolle des Hoteldirektors wie gemacht. Da passt auch die Klamotte von Colm O`Grady und Simon Llewellyn wie die Pfanne unter die Gürtellinie.
Nein, nicht alle Darbietungen sind Schenkelklopfer. Bei Joel Baker als Portier rutsch die Comedy in die Artistik. Die Künstler Kai Hou, Mario Espanol, Kaelyn Schmitt, Carlos Zaspel, Mandi Orozco und Lorant Markocsany bekommen nicht nur brav Appllaus, sondern bisweilen beachtliche Beifallsbekundungen. Das gilt auch für Brandon Rabe mit seiner Zauberei, bei dem alle Anwesenden mit Karten spielen dürfen.
Das Programm der leichten, lockeren und seichten Unterhaltung ist erwärmendes und erheiterndes Wohlfühlvarieté für echte Erwachsene in der Kalten Jahreszeit. Da kriegt der Kopf mal Pause. Welcher brave Bürger will wohl mehr? Essen, trinken und fröhlich sein. Das reicht.
und Gaumenfreuden
Dafür ist vor allem der in deutschen Landen bekannte Starkoch Kolja Kleeberg verantwortlich. Für die Vorspeise wählte der gebürtige Rheinländer Tempura-Garnelen mit Gurke, grünem Apfel, Sepia-Backerbsen und Senfsaat. Ein gelungene Auftakt mit knackiger Gurke, die grün und frisch aufs Auge wirkt. Die Garnelen waren sowohl knusprig als auch zart, alles in allem schmackhaft. Dazu ein aromatischer Cuvée, ein kräftiger Chardonnay oder ein hochwertiger Riesling mit mineralischen Noten und einer feine Säurestruktur. Perfekt. Auch ein Sauvignon wäre eine gute Wahl.
Als Zwischengang wurde ein Suppentopf mit Kelle und Kürbis-Paprikasuppe auf den Tisch gestellt sowie für jeden ein warmer Suppenteller mit einem länglichen Stückchen für meinen Geschmack in seiner Konsistenz zu weicher Lachsforelle, einigen Eiergraupen, etwas Petersilienschmand und Rauchpaprika. Zwei, drei Kellen orangerote Kürbissuppe, pardon: Kürbis-Paprikasuppe, durfte man sich gönnen, Gourmands auch vier. Der Gang passt zu Jahreszeit und zum Lachs und zu beiden ein Weißburgunder oder Veltliner, es darf durchaus schon ein feinfruchtiger und würziger Grauburgunder oder ein tief rubinroter, samtener wie vollmundiger Pinot Noir.
Als Hauptgang wird Sauerbraten vom Rinderfilet mit Schwarzbrotknödel, Wildfeigen, Ringelbete und Schmorpraline serviert. Das ist, wohl wahr, mal etwas anderes als Ente oder Geflügel. Filet und zwar vom Rind. Angesichts der gewöhnungsbedürftigen Gourmand-Knödels wäre eine Saucière super gewesen. Die Schmorpraline war wie für Gastrosofen gemacht, während die Mohrrübe wohl eine Verbeugung vor dem Roten Faden der Farbe, richtig: orange, war, der sich bis dato von der Vorspeise über den Zwischengang in den Hauptgang zog. Erlesene Aromen eines kräftigen modernen Spätburgunders mit kräftigem Rot, mehr Gerbstoff und weniger Säure sowie dank Barriqueausbau Vanille-Zimt-Anklänge oder eines klassischen Cabernet Sauvignons dürfen dem Rind hinterherrinnen.
Beim Dessert taucht das Wort Orangencreme auf und mein Löffel ins Pastéis de Nata genannte Puddingtörtchen aus Portugal.
Schokoladen-Cannelloni und Joghurt-Kirscheis runden den Ausflug an den Atlantik ab wie ein doppelter Espresso.
Dass Kleeberg für alle, die nicht Fleisch noch Fisch wollen, können oder dürfen, Ersatz bietet, das versteht sich. Wohlsein mit Erbsenboulette, Ei und Orangen-Estragon-Plätzchen und so weiter.
Ein Gourmand könnte bei diesem Vier-Gang-Menue zu kurz kommen und ein Gourmet nicht in seinen Feinkost-Küchenhimmel, aber für bodenständige Berliner, Brandenburger und sonstige Besucher dürfte das allemal befriedigend etwas Besonderes sein.
Wer Palazoo-Erlebnisgastronomie bei Kolja Kleeberg und Hans-Peter Wodarz bestellt, der bekommt eine ordentliche Portion Essen, Trinken und Fröhlichsein. Und die hat ihren Preis!
Palazzo im Spiegelpalast in Berlin
Hertzallee 41, 10787 Berlin
Öffnungszeiten: dienstags bis samstags ab 19.30 Uhr, sonntags ab 18 Uhr
Tickets unter www.palazzo.org und telefonisch unter 01806-388 883.