Chrom, High-Tech und nackte Haut – Serie: Unterwegs auf der 63. Internationalen Automobilmesse (IAA) im September 2009 (Teil 2/6)

Impression von der IAA 2009 in Frankfurt am Main.

Vorstellen heißt einmal, daß diese Autos oder Bestandteile oder Antriebe auf der Messe ausgestellt werden und nach den Fachbesuchertagen am heutigen Eröffnungstag und Freitag ab Samstag, 19. September bis zum 24. für das allgemeine Publikum zu besichtigen sind. In die Autos kann man auch einsteigen und dieses Gefühl nachempfinden, das dem Fahrer zur Normalität werden soll. „Vorstellen“ heißt aber an den zwei Pressetagen auch, daß in rund 80 Pressekonferenzen, davon rund 55 am ersten Tag mit den insgesamt genau 100 neuen Modellen der Fahrzeuge und die übrigen Vorstellungen am Mittwoch von der Zuliefererindustrie.

Wer nicht mit besonderer Energieeffizienz werben konnte, stellte eben die neusten Designs vor. So enthüllten gerade die Luxushersteller (Ferrari, Maserati, Jaguar,…) die neusten Errungenschaften im Bereich Komfort, Aerodynamik und natürlich Geschwindigkeit. Frei nach dem Motto „Klotzen, nicht Kleckern“ präsentierte sich auch die Gestaltung der meisten Stände: Während Fiat beispielsweise mit einer kindlichen, an eine Kindertagesstätte erinnernden Dekoration den neuen Punto bewarb, bauten Mercedes und BMW sich direkt einen eigenen kleinen Palast, um die neuste Produktlinie ansprechend näherzubringen. Mercedes ’bewohnt` dabei traditionell das Schmuckstück der Messe, die Festhalle, die hundert Jahre alt geworden ist und ein Meilenstein der Industriearchitektur darstellt, trug die runde Halle doch damals die größte freitragende Kuppel Europas. Auch diesmal ist die Gestaltung derart edel und sinnreich, daß wir später dort erneut vorbeikommen.

Ander als früher, hat sich nun auch BMW ein Filetstück sichern können. Und es ist schon eine gewisse Systematik dabei, auch wenn es Zufall war, daß man von der Stadtseite aus, mit der Festhalle und Mercedes die Messe betritt und nach langer Geradeausstrecke durchs Messegelände mit der neu errichteten Halle 11 über das ebenfalls neue Portalhaus sie wieder verlassen kann. In Wirklichkeit spricht noch mehr für die Halle 11, die nun also BMW, sich angeeignet hat. Die ganze Riesenhalle nur für BMW und seinen Mini. Denn der Unterschied liegt in folgendem: Kommt man mit dem Auto zur Messe – und das tun viele aus ganz Deutschland und auch der näheren Umgebung Frankfurts -, dann liegen die Messeparkplätze von der Stadt aus hinter der Messe und das bedeutet für Autofahrer, daß sie die Messe durch das neue Portalhaus betreten und sich unmittelbar in Halle 11 befinden. Getreu der Verheißung: „Die Letzten werden die Ersten sein“, sind nun also die BMWler für einen großen Teil der Ankommenden die erste Station.

Letzten Endes ist es eine geschickte, sicher zufällig zustandegekommene Regie, daß Mercedes und BMW die beiden äußeren Pole der Messelandschaft einnehmen, weil so sichergestellt ist, daß alle Besucher die dazwischen liegenden Hallen zumindest durchqueren, denn Mercedes und BMW muß jeder gesehen haben. Das finden auch wir. Und verweisen noch einmal darauf, daß diejenigen, die mit der U-Bahn aus der Stadt, vom Bahnhof oder Flughafen kommen, direkt in die Festhalle fallen, während die zweite Möglichkeit des öffentlichen Nahverkehrs, die S-Bahn, im Torhaus ankommt, zwischen Halle 6 und 8 gelegen und somit in der hinteren Mitte.

Alle waren gespannt, was BMW mit der noch ’jungfräulichen` Halle machen werde, denn es hatte sich herumgesprochen, daß weder Kosten noch Mühen gescheut wurden, wobei bei einer Investition von über fünf Millionen Euro für die Hallengestaltung die Betonung eindeutig auf Kosten liegt, und eine Art „Halle in der Halle“ entworfen wurde, in der der neue BMW 5er nicht nur stand, sondern auf einer eigens dafür hergestellten Fahrstrecke in einer eingebauten Galerie über unseren Köpfen immer im Kreis an den Hallenwänden entlangfuhr.

Doch die IAA wäre nicht die IAA, wenn sie nicht auch noch ein anderes Schmankerl für die überwiegend männlichen Gäste parat hätte: junge Damen, die in knapper Bekleidung – passend zur Lackfarbe) – die Optik abrunden sollen. Zuweilen mag man sogar fast den Eindruck gehabt haben, es ginge mehr um menschliche Haut als um den Lack des Autos oder die chrombeschichteten Felgen. Denn nicht selten schossen die anwesenden Fotografen wesentlich mehr Fotos eben dieser Damen als von den Wagen, die sie zu präsentieren versuchten.

So hat man manchmal tatsächlich den Eindruck, die Autos seien nur dazu da, daß Menschen sich treffen können, was ja kein schlechter Gedanke ist, aber dem nicht genügt, daß man hier die technischen Vorzüge der neuen Modelle tatsächlich in Ruhe studieren kann und zwar all der Konkurrenten, die hier in trauter Harmonie eines wollen. Den Automobilmarkt ankurbeln. Für Höhepunkte auf der Messe ist zusätzlich durch das Eintreffen mehrerer Prominenter zu genüge gesorgt und wer bei all den vielen Messeständen mal den Überblick verloren hat und eine Auszeit braucht, kann sich außerhalb der Hallen z.B. die Zeit mit Videospielen oder aber der ein oder anderen Testfahrt vertreiben.

So gibt es beispielsweise vor Halle 8 einen eigens für die IAA angelegten Offroad-Parcours, sowie in Halle 10 sogar die Möglichkeit, sein „Traummodell“ im Alltag – das sind dann die Straßen der Frankfurter Innenstadt – dem Härtetest zu unterziehen. Fans und Autoliebhaber werden auch dieses Jahr sicherlich auf ihre Kosten kommen und wer ein neues Auto hat, der kann hier überprüfen, ob er das richtige gekauft hat, wer noch kein neues hat, wird hier die Qual der Wahl erleben und wer gar kein Auto hat und auch keines haben will, bekommt hier die tollsten psychologischen Studien frei Haus, wenn man sich zum Beispiel einfach einmal neben eines der 100 neuen Modelle stellt und mitverfolgt, wie die Menschen danach gieren, es anfassen zu können, streicheln zu dürfen, den Kofferraum zu öffnen oder gar: sich hinters Steuer setzen zu dürfen.

Auch nach den 123 Jahren der Autoerfindung bleibt das auf vier Rädern rollende Fahrgestell ein Faszinosum, das wirkt. Dabei war das erst der erste Tag. Beim Startschuß für das Publikum am kommenden Samstag hat jeder Gelegenheit, die Steigerung zu verfolgen in Bezug auf Angebot, Aktivitäten, Sensationen und sicherlich auch Skandale. Es bleibt also abzuwarten, was sich vor und hinter den Kulissen der Besuchertage noch so alles abspielen wird, es verspricht definitiv eine interessante lange Woche bis zum 24. September zu werden.

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