Chef verwöhnt Chauffeur – Der Audi A8 L W12

Nach welchen Kriterien also soll man ein solches Auto beurteilen, wenn es einem ein paar Stunden lang für Testfahrten zur Verfügung steht? Aus der Fahrer-Position heraus, wo gehobener Business Class-Komfort geboten wird, oder lieber in die Chef-Rolle schlüpfen und das Fünf-Sterne-Raumangebot im Fond genießen?

Testphase 1: Selber-Chauffieren, aber – wenn schon, denn schon – hinterm Lenkrad eines A8 L mit 368 kW/500 PS starkem Zwölfzylindermotor. Mit diesem Benziner und seinem Zugkraftmaximum von 650 Nm verwöhnen hierzulande nur ein paar Chefs ihre Fahrer, denn soviel Luxus gönnen sich nur einkleinstes Grüppchen im Kreis der oberen Zehntausend . Außerhalb Europas und ganz speziell China ist das anders, da klotzt die Kundschaft lieber, als dass sie kleckert, und deshalb hat der W12 aus Audi-Sicht seine Daseinsberechtigung.

Erste Erkenntnis als W12-Fahrer: Das Zwei- bis Dreifache der üblichen Zylinderzahl, 6,3 Liter Hubraum, Leistung im Überfluss, Luftfederung und ein High-Tech-Navigationssystem machen ein Auto nicht stauresistent, aber der Stillstand ist – dank leistungsfähiger Klimaanlage, 1a-Sitzkomfort, schön anzuschauendem Drumherum und einem Angebot an optischen und akustischen Ablenkungen etwas besser erträglich. Hat man den Wagen mit Komfortsitzen bestellt (Aufpreis summa summarum 6500 Euro), können Fahrer und Chef während der Wartezeit eine Rückenmassage in Auftrag geben und die Kehrseite belüften lassen: Eine Absauganlage für feuchte Stauwärme in den Sitzen verhindert, dass das Ziel Stunden später im Zustand fortgeschrittener Auflösung erreicht wird.

Zweite Feststellung: Die Straßenlage ist exquisit, das Riesenteil fährt sich wie ein Kompaktwagen; wie lang es ist (und dazu auch noch 1,95 Meter breit), merkt man nur an Engstellen. Erlauben es die Verkehrsverhältnisse, kann man sich und die Mitreisenden kurz mal tief in Polster drücken und den über 2,1 Tonnen schweren Wagen in 4,7 Sekunden von = auf 100 km/h zu beschleunigen. Hin und wieder wird sich bestimmt sogar die Möglichkeit ergeben, das Gaspedal länger und stärker zu belasten und herauszufinden, inwieweit der Real- vom Norm-Verbrauch abweist, den Audi mit 12,4 Liter Super beziffert. Bei 250 km/h isetzt allerdings auch bei diesem Modell die Elektronik Tempo-Bolzern ein Limit. Handarbeit am Schalthebel wird dem Chauffeur übrigens nicht abverlangt, denn wie alle A8 L tritt auch der W12 mit Achtstufen-Automatik an, die souverän ihres Amtes waltet.

Rollenwechsel und ab nach hinten rechts, wo Audi der Gipfel des Komforts in Form des so genannten Ruhesitzes installiert hat. Per Knopfdruck kann der dort Platzierte den Beifahrersitz per Elektrik unter die Windschutzscheibe schieben, aus dessen Lehne eine gepolsterte Fußablage herausklappen und sodann die Lehne des eigenen Sitzes aus der Vertikalen in Richtung Horizontale bewegen. Der Komfort kostet in den A8 mit Sechs- und Achtzylindermotoren rund 12 000 Euro; in der Zwölfzylinderversion reduziert sich der Aufschlag auf 5765 Euro, denn die ist von Haus aus umfangreicher ausgestattet. Die serienmäßige Rückbank bietet Platz für drei und ist nicht verstellbar; wer rechts hinten nicht ruhen will, sondern den Fond statt dessen mit zwei gleichwertigen, vielfach verstellbaren Einzelsitzen bestücken lässt, wird wohl um die 6500 Euro mehr zahlen. So war die Preisgestaltung beim alten Modell; für den neuen gibt es noch keine detaillierte Preisliste.

Wir sind am Ziel und ziehen das Fazit, das da lautet; Die Fahrt war ein Genuss, der den unschätzbaren Vorteil hatte, dass er uns – stellvertretend für Otto-Normalverbraucher – als Leihgabe, also ohne Zahlungsverpflichtung ereilt hat. Für die avisierte Käuferschicht ist die Frage, was beim A8 L Serie, was Extra ist, hingegen nur von akademischem Interesse. Deshalb zu diesem Thema nur soviel: Der A8 L W12 kostet 137 000 Euro, was die Käufer mutmaßlich nicht hindern wird, weitere 25 000 bis 27 000 Euro in Sonderausstattungen zu investieren. Um diese Summen werden laut Audi die Rechnungsbeträge im Schnitt aufgestockt.

Die europäische Business- und First-Class-Kundschaft entscheidet sich übrigens mehrheitlich indessen gegen Benzindirekteinspritzung (3.0 TFSI mit 213 kW/290 PS, ab 80 400 Euro, 4.2 FSI mit 274 kW/372 PS, 94 300 Euro) und im Allgemeinen und W12-Prestige im Besonderen, obwohl diese Aggregate deutlich weniger verbrauchen als ihre Vorgänger. Am seltensten aber muss man in einem der beiden TDI an der Tankstelle vorfahren, und das gibt den Ausschlag: Der für 79 900 Euro offerierte 3,0-Liter-TDI, ein Sechszylinder, stellt 184 kW/250 PS bereit und verfügt über ein Start/Stopp-System und kommt norm-gemäß bewegt mit 6,6 Liter Kraftstoff 100 Kilometer weiter; 1,.1 Liter mehr verbraucht der 95 800 Euro teure 4.2 TDI; er wartet mit einer Maximalleistung von 257 kW/350 PS auf.

Vorheriger ArtikelKiss, kiss, bang, – …geht es zwischen Katherine Heigl und Ashton Kutcher in der Actionkomödie „Kiss & Kill“
Nächster ArtikelAm Fuß der Blauen Berge – unterwegs in Kanadas Wildem Westen