Brutale Verletzungen der Rechte von Geistlichen und Gläubigen in der Ukraine – Ursachen und Folgen

Die christlich-orthodoxe UOK-Gemeinde des Dorfes Polesskoje betet unterm Plastikdach. Foto: Mischa Morosow

Kiew, Ukraine (Weltexpress). Am 23. September 2019 wandte sich Donald Trump als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika (VSA) auf der Tagung der Vollversammlung der Vereinten Nation (VN) in New York an die Versammelten mit Worten gegen religiöse Verfolgung. „Heute fordern die Vereinigten Staaten von Amerika die Völker der Welt offen und einmütig auf, der religiösen Verfolgung ein Ende zu setzen.“ Trump forderte, Verbrechen gegen die Gläubigen zu beenden, gefangene Gläubige zu befreien, Gesetze zur Einschränkung der Religions-und Glaubensfreiheit aufzuheben sowie gefährdete, wehrlose und Unterdrückten zu schützen.

Ein paar Monate zuvor wurde ein Zwischenbericht veröffentlicht, der von einer Sonderkommission auf Anordnung des damaligen britischen Außenministers Jeremy Hunt, der vom 9. Juli 2018 bis zum 24. Juli 2019 Außenminister des Vereinigten Königreiches war, erstellt wurde. Es besagt, dass etwa ein Drittel der Weltbevölkerung aus religiösen Gründen verfolgt werde, wobei Christen die am stärksten unterdrückte Gruppe von Gläubigen sind. Einige dieser verfolgten Christen leben in der Ukraine. Die Autoren des Berichts argumentieren, dass die Verfolgung von Christen verschiedene Formen annimmt und sowohl von Behörden als auch von „informellen Elementen innerhalb der Gesellschaft selbst“ ausgehen könne. Diese Einschätzung beschreibt bestens das heutige Geschehen in der Ukraine.

Während seines Wahlkampfs kündigte beispielsweise der ehemalige Ukrainische Präsident Petro Poroschenko die Gründung einer unabhängigen Kirche in der Ukraine an. Das Vorhaben stand absolut gegen die Verfassung der Ukraine, die ein Eingreifen des Staates in Angelegenheiten der Kirche verbietet. Für die Realisierung des Projektes wandte sich Poroschenko um Unterstützung bittend an den Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomäus I. Damals gab es in der Ukraine drei orthodoxe Konfessionen: die größte Ukrainische Orthodoxe Kirche (UOK), die mehr als 12.000 Gemeinden zählte, die Ukrainische Orthodoxe Kirche des Kiewer Patriarchats (UOK KP), die etwa 5.000 Gemeinden zählte, und die Ukrainische Autokephale Orthodoxe Kirche (UAOK), die mehr als 1.000 Gemeinden umfasste. Es ist allgemein bekannt, dass die letzten beiden Konfessionen in der orthodoxen Welt nicht anerkannt werden und als Abweichler, ja, als Spaltungsstrukturen galten.

Um eine neue Kirche in der Ukraine zu schaffen, beriefen Patriarch Bartholomäus I. und der damalige Präsident Petro Poroschenko am 15. Dezember 2018 in Kiew ein sogenanntes Einigungskonzil ein. Da die UOK zuvor beschlossen hatte, nicht an diesem Treffen teilnehmen, wurde die neue Kirche aus zwei verschiedenen Konfessionen geschaffen, aus UOK KP und UAOK. Diese Kirche wurde später die Orthodoxe Kirche der Ukraine (OKU) genannt.

UOK KP und UAOK kündigten das Ende ihrer Existenz an, die sich später aus rechtlicher Sicht als ungültig erwies. Am 6. Januar 2019 erhielt die OKU von Patriarch Bartholomäus I. einen Tomos genannten Erlass seiner Autokephalie. Zur gleichen Zeit haben eine große Anzahl von Kirchenexperten erklärt, dass dieses Dokument die tatsächliche Unabhängigkeit des OKU nicht gewährt und dies dem Patriarchat von Konstantinopel unterstellt. Dieser Tomos, diese Anordnung gilt als Anstoß für massive Verstöße gegen die Rechte der Gläubigen in der Ukraine. Unter Berufung auf dieses Papier trieben die Befürworter der neuen Kirche den Prozess der Übertragung der UOK-Gemeinden in die neue Struktur, in die neue Organisation. Das ging wenig friedlich vonstatten. In den meisten Fällen wurde das gewaltsam und unter Bestrafungen durchgesetzt.

Der Hohe Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (englische Abkürzung OHCHR) erklärte in seinem Bericht über die Menschenrechte in der Ukraine vom 16. November 2018 im Februar 2019: „Nach der Gründung der neuen Kirche haben eine Reihe von Religionsgemeinschaften beschlossen, sich ihr anzuschließen. Das OHCHR erhielt Berichte, dass dieser Übergang in einigen Fällen nicht freiwillig war und von Regierungsbehörden, lokalen Behörden oder sogar Vertretern rechtsextremer Gruppen initiiert wurde, die nicht Mitglied dieser Religionsgemeinschaften waren.”

Bis Ende Oktober 2019 sollen nach Angaben der Rechtsabteilung der UOK rund 90 Gemeinden zwangsweise in die OKU überführt worden sein. Hinter jedem dieser Fälle stecken Tragödie, bittere Erfahrungen Dutzender, Hunderter, Tausender Menschen, denen das Recht entzogen wurde, ihre Gottesdienste in ihren Gotteshäuser abzuhalten. Gotteshäuser, die sie und Generationen vor ihnen finanzierten und bauten. Richtig, gewaltige Veränderungen von Eigentumsverhältnissen fanden statt.

Beachtenswert ist, dass die gewaltsame Übereignung von religiösen Gemeinschaften in die OKU unter Beihilfe der lokalen Behörden, die beispielsweise Versammlungen der territorialen Gemeinschaft des Dorfes oder der Stadt organisieren, stattfanden. Dort ließ man die Teilnehmer „abstimmen“ und also Entscheidungen, Beschlüsse fällen.

Das mag auf den ersten Blick demokratisch aussehen, doch die Bewohner eines Dorfes oder einer Stadt haben über religiöse Organisationen, religiöse Gemeinden zu entscheiden, sondern die Mitglieder dieser Gemeinden. Mit anderen Worten: Das, was passierte, waren gewaltige Rechtsbrüche. Das war illegal.

Auf Basis dieser erkauften, illegalen Beschlüsse schnitten anschließend Mitglieder paramilitärischer rechtsradikaler Organisationen, meist athletisch aussehender Schläger, gewaltsam die Schlösser der Gotteshäuser ab, warfen die alten Herren raus und holten die neuen rein. Beamte der Behörden vor Ort gaben der Gewalt einen formalen, staatmännischen Anstrich.

Sie verletzten damit die Entscheidungen der Mitglieder die religiösen Gemeinden der UOK aufs Brutalste. Die versammelten sich oft genug, berieten und entschieden sich für den Verbleib in der UOK und nicht für den Wechsel zur OKU.

Doch die Beamten der Behörden ignorierten diese freien Willensbildungen. Das in vielen Fällen die illegalen Übertragungen der Gemeinden von äußerster Brutalität begleitet waren, beweisen unzählige Aussagen von Zeugen, Fotos und Videos.

Der Priester Alexander Malchuk, Abt der Kirche der Heiligen Apostel Peter und Paul im Dorf Postoynoe des Gebiets von Rovno, erklärte im April 2019 während der Erstürmung der Kirche und des Wohnhauses des Priesters, in dem er mit seiner Frau und seinen drei kleinen Kindern lebte: „Die Aktivisten der OKU fingen an, unsere Frauen zu schlagen. Viele Frauen erlitten Hämatome, also Blutergüsse. Eine Frau wurde die Nase gebrochen, andere bekamen Schläge in den Bauch und gegen den Kopf.“

Die Pfarrerin der Kirche der Fürbitte der Heiligen Jungfrau im Dorf Mnishin der Region Rivne Victoria Ddanilyuk erklärte, dass während des Angriffs auf die Kirche im Mai 2019 ihr Vater ins Gesicht und auf die Füßen geschlagen wurde. „Mein Vater bekam Schwellungen. Er konnte weder Essen noch sprechen. Wir fuhren ins Krankenhaus, machten einen Ultraschall und fixierten einen Kieferbruch. Mein Vater verlor auch zwei Zähne. Im Krankenhaus lag er drei Wochen und wurde über Schläuche in seinen Magen gefüttert.“

Diese Beispiele sind zwei von vielen. Unmengen an Aussagen von Beteiligten und Zeugen, Fotos und Videos. Manche wurden Polizisten vorgelegt, die sich jedoch durch die Bank weigerten, Ermittlungen aufzunehmen, Strafverfahren einzuleiten. Dass die Ukraine kein Rechtsstaat ist wie beispielsweise die Bundesrepublik Deutschland, die Schweizer Eidgenossenschaft und die Republik Österreich, das erlebten Tausende.

Dass die Gläubigen der UOK für sich keine Privilegien vom Staat fordern, das ist klar, aber gleiche Rechte. Sie wollen in Übereinstimmung mit dem Gesetz der Ukraine und den Menschenrechten, die moralisch begründete persönliche Freiheits- und Autonomierechte sind.

Die brutale Verletzungen der Rechte von Gläubigen in der Ukraine führte auch dazu, dass Poroschenko bei der Präsidentenwahl am 31. März 2019 und am 21. April 2019 nicht wiedergewählt wurde, sondern Wolodymyr Selenskyj.

Vom neuen Präsidenten Selenskyj hoffen die Gläubigen der UOK auf ein Ende der Gesetzlosigkeit und auf die Wiederherstellung ihrer religiösen Rechte. Bisher hofften sie vergebens. Tausende von Gläubigen der UOK, deren Kirchen und kirchliches Eigentum geraubt wurden, sind weiter gezwungen, in ihren Ersatzkirchenräumen zu beten. Das ist auch ein unwürdiger Zustand.

Mitglieder der UOK werden von denen der OKU nach wie vor gedemütigt, erniedrigt und bedroht. Was in der Ukraine stattfindet, das ist pure Unterdrückung. Von Religionsfreiheit kann keine Rede sein.

Aufgrund der langen Untätigkeit von Beamten ukrainischer Behörden und auch den Organen der Strafverfolgung, sieht sich die UOK gezwungen, sich an die internationale Staatengemeinschaft zu wenden, wohlwissend, dass deren Bemühungen um gemeinsame Konsensfindungen oft sehr zäh und in der Regel ergebnislos verlaufen.

Dennoch hat sich für dieses wenig aussichtsreiche Unterfangen eine Gruppe unter der Leitung des Bischofs Victor Baryschevsky (Wladimir Kotsaba) geschaffen worden. Die ukrainisch-orthodoxe Kirche hat das Thema der Rückgabe ihres von Vertretern der „neuen Kirche“ beschlagnahmten Eigentums an den VN-Menschenrechtsrat aufgeworfen, sodass erstmals auf der 41. Regulierungssitzung des VN-Menschenrechtsrat am 10. Juli 2019 in Genf darüber gesprochen wurde. Bischof Baryschevsky erklärte, dass dem VN-Menschenrechtsrat ein Paket von Dokumenten zugesandt worden sei, aus denen hervorgehe, dass die Rechte der UOK-Gemeindemitglieder massiv verletzt worden seien. Dies schließe die Verabschiedung des Gesetzes über die Umbenennung religiöser Organisationen in der Ukraine durch die Kiewer Behörden ein, das in Bezug auf die kanonische Kirche diskriminierend sei. Die Fakten über die Beschlagnahme von Kirchen durch die Radikalen in der Ukraine wurden zugestellt, die Behauptungen belegt.

Längst gibt es eine lange Liste über viele Fälle von Verstößen gegen die Rechte der Geistlichen und Gläubigen in der Ukraine, die immer länger wird, je länger Unrecht geschieht. Längst auch kümmert sich die UOK um mehr und bessere Öffentlichkeitsarbeit. Beispielsweise gibt sie ein Bulletin heraus, in dem Fälle, brutale Verletzungen der Rechte von Geistigen und Gläubigen in der Ukraine, dokumentiert werden.

Auf der 42. Sitzung des UN-Menschenrechtsrates in Genf, die vom 9. bis 27. September 2019, stattfand, sagte Bischof Baryschevsky: „Seit Anfang 2019 gibt es in der Ukraine weiterhin Gewalttaten, von denen viele einen aggressiven Charakter in Bezug auf die Gläubigen der UOK haben.“ Baryschevsky sprach von kriminelle Machenschaften, von Verletzungen der Rechte von Geistlichen und Gläubigen, von Drohungen und Hassreden.“

Ein Jahr später ist nichts besser geworden.

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