Braunschweiger Sängerkrieg – Glanzvoller Rückfall ins Mittelalter: Braunschweig feiert im Oktober das Erste Europäische Minnesang-Festival

Im Bild: Minnesänger Walther von der Vogelweide

Das Sangesduell gehört zu den Glanzlichtern des vom 15. bis 18. Oktober gefeierten Ersten Europäischen Minnesang-Festivals. Es bietet in nur selten zu erlebender Fülle und Qualität mittelalterlicher Musik. Das Festival wiederum gehört mit der Kaiser Otto IV. und seiner Zeit bis zum 8. November gewidmeten Landesausstellung zu den Höhepunkten des von der Stadt Braunschweig ausgerufenen "Kaiserjahres 2009". Künstlerischer Leiter des Minnesang-Festivals ist der in Hofgeismar bei Kassel residierende Kulturmanager und Musikwissenschaftler Dr. Lothar Jahn. Er hat einen illustren Kreis von Sängern und Mittelalter-Bands nach Braunschweig gerufen. Dom, Altstadtrathaus und Kirche St. Martini bilden die mittelalterlichen Kulissen für ihre Darbietungen. Das Prager Ensemble "Karmina" wartet mit anzbarer Musik des späten Mittelalters auf. Die Pariser Gruppe "Les Derniers Trouvères" singt mit ausdrucksvoll theatralischem Vortrag über das Leben und die Liebe. Und das "Ensemble Flor Enversa" aus Nizza lässt mit seiner voller Innigkeit intonierten Musik die feierliche und poetische Atmosphäre an Südfrankreichs Fürstenhöfen des Hochmittelalters aufleben.

Aber was ist eigentlich "Minnesang"? Gemeinhin hält man ihn ja für ehrenwertes, aber eben auch trostloses Frauenlob. Sozusagen vergebliche Liebesmüh. Das trifft zumindest auf die "Hohe Minne" zu, wie Lothar Jahn bestätigt. Der Minnesänger beklagt sein vergebliches Werben um eine ranghöhere und somit für ihn unerreichbare Dame. Und so sollte das auch sein. Drei Viertel der Akteure waren nämlich auf fürstliche Gönner angewiesene Berufssänger. Knud Seckel, der zu einem kurzweiligen Vortrag eingeladene Minnesänger des Jahres 2009, erklärt: "Das Singen bei Hofe erfüllt die Spielart, die ‚hohe frouwe‘ in ihrer Ehre zu steigern, zumeist bezahlt von deren Gemahl, der beim Vortrag in der Regel sogar anwesend war." Seckel hebt hervor, dass das Minne-Ideal noch immer zum guten Ton gehört: "Die Höflichkeit und Ritterlichkeit im Umgang miteinander, die Verehrung und Hofierung einer Dame entstammen aus der Idee des Minnesangs und sind bis heute fest im modernen Alltag verankert geblieben."

Berühmtester Vertreter des einstigen ritterlichen Broterwerbs ist Walther von der Vogelweide. Lothar Jahn betont: "Seine Leistung bestand darin, dass er in das Gedankengebilde des Minnesangs eine lebensnähere Note einbrachte. Walther spricht vom dritten Weg der ‚ebenen Minne‘ als Ideal. In seinen ‚Mädchenliedern‘ setzt er der unnahbaren Herrin die Erfüllung in der Liebe zu einem einfachen Mädchen entgegen – in aller Empfindsamkeit und Zartheit. Damit distanzierte er sich auch deutlich von der damals üblichen Trennung zwischen hoher Minne – der noble Dienst bei der Herrin – und der niederen Minne – das profane Sich-Bedienen bei der Magd."

Selbstverständlich gehört der vom Musikwissenschaftler und Minnesänger Frank Wunderlich gespielte Walther von der Vogelweide zu den historischen Ehrengästen des von ZDF und NDR übertragenen Minnesänger-Wettstreits. Mit ihm treten gestandene Sänger und Schauspieler wie der Hofgeismarer Peter Will als Landgraf Hermann von Thüringen und der Kasseler Reinhold Schmidt als Otto IV. auf. Das nordhessische Musiktheater Dingo, verstärkt um Mitspieler aus Deutschland, Frankreich und Österreich, begleitet auf Harfe und Laute, Sackpfeife und Flöte, Cister, Trumscheit und vielen anderen mittelalterlichen Musikinstrumenten den Braunschweiger Sängerkrieg. Zu ihm treten sieben renommierte Interpreten wie Marián Krejcik aus Tschechien, Francois Bourcheix aus Frankreich, Christoph Mächler aus der Schweiz und der Göttinger Holger Schäfer an. Wer den Sieg davonträgt, entscheidet Beatrix von Schwaben, die junge Verlobte Kaiser Ottos IV..

Krönender Abschluss des Festivals ist am 18. Oktober der Auftritt des britischen Startenors John Potter. Schauplatz ist der Dom St. Blasii, in dem Kaiser Otto IV. bestattet ist. Potter, der an der University of York Alte Musik lehrt, ist vielseitig: berühmt für seine Gesangsinterpretationen sakraler Musik des Mittelalters, ist er aber auch als Backgroundsänger für Rock- und Popgrößen wie The Who und Mike Oldfield tätig gewesen. In Braunschweig wird der von der bekannten Harfinistin Jan Walters begleitete Tenor mit seinem Gesang die Verbindungen zwischen englischem, französischem und deutschem Minnesang aufzeigen. Kaiser Otto IV. hatte zu allen dreien einen biografischen Bezug, wie John Potter mit einigen Liedbeiträgen anklingen lassen wird.

Info: Das Europäische Minnesang-Festival fand in Braunschweig vom 15. bis 18. Oktober statt. Geboten wurden Vorträge mit Musik und Konzerte von Mittelalter-Ensembles aus Prag, Paris und Nizza. Höhepunkte waren am 17. Oktober von 20 bis 22.30 Uhr der in der Kirche St. Martini ausgetragene "Internationale Sängerkrieg zu Ehren Ottos IV." sowie am 18. Oktober von 14 bis 15.30 Uhr im Dom St. Blasii der Auftritt des Startenors John Potter. Die Eintrittspreise lagen zwischen 5 und 15 Euro, die Festivalkarte für alle Veranstaltungen kostet 40 Euro. Die Karten gab es in der Touristinfo am Burgplatz sowie unter www.ticket-online.de. Hörproben der Künstler und Informationen zum Programm unter www.braunschweig.de/minnesang. Die CD zum Minnesang-Festival kostet 10 Euro. Sie ist in der Braunschweiger Touristinfo erhältlich oder kann im Internet unter www.spielleute.de mit der Bestell-Nr. CD 016 bezogen werden.

Vorheriger ArtikelIn dieser Zitrone ist noch Saft – Hertha BSC Berlin gegen VfL Wolfsburg 0:0
Nächster ArtikelBerliner Basketballer werden erstmals ihrem eigenen Anspruch gerecht! ALBA bezwingt Ulm in einem unspektakulären Spiel mit 78:56