Fünf Jahre lang hat Sophie Eichner mit ihrem Team das Gemälde aufwendig restauriert und diesen Prozeß sowohl im Katalog als kleinen Krimi niedergelegt, aber auch im zweiten Raum der Ausstellung dokumentiert, mitsamt der 43 Nägel, die nun als Marterwerkzeuge Christi der neuer Art gelten können. Angesichts dieses Ereignis mitsamt der Vorgeschichtelag es nahe, die Fertigstellung zu einer Sonderausstellung zu nutzen, die Bodo Brinkmann intelligent und fachkundig zu einer Kabinettsausstellung über die Malerfamilie ausweitete, wobei Frans II. Francken leuchtender Mittelpunkt bleibt mit seinen von privaten Kunstsammlern hochbegehrten, vor allem kleinformatigen Gemälden auf Kupfer. Heutige Besitzer waren von daher auch bereit, ihre Schätze für die begrenzte Zeit nach Basel auszuleihen, was ein Glück bedeutet, denn so ist eine ganz ungewöhnliche, eine Zeit, ihren Kunstgeschmack und dessen ’Bedienen’ durch die Malerfamilie Francken aufzeigende Kabinettsausstellung zustandegekommen, die im ausgezeichnet zusammengestellten Katalog vorgestellt wird und deren strahlender Stern Frans II. war.
Man betritt den Hauptraum und wird von der geschenkten und restaurierten „Anbetung“, auf die man zuläuft, gleich angezogen. Inniglich und schlicht sitzt Maria inmitten einer großen Menschenmenge, mit dem roten Königinnenkleid und dem blauen Himmelsmantel und einem von innen kommenden Leuchten, das ihr eine Aura verleiht und gleichzeitig die moderne Form des alten Heiligenscheins ist; auf dem Schoß ihr Christkind, ein zarter hübscher Knabe, der begeistert die Händchen ausstreckt nach dem güldenen Gefäß, den ihm der barhäuptige und glatzköpfige, vor ihm demütig kniende König darbietet. Rechts daneben im roten Ornat mit kostbarem Pelzbesatz ein weiterer König mit demselben güldenen Pokal in den Händen, den Turban auf dem Kopf, den der Kniende aus Ehrfurcht abgestreift hatte und nun neben seinem Zepter und Krönchen am Boden liegt. Aus der isokephalen Menge ragt Balthasar hervor, der schwarze König, der hier jugendlich und stolz sein Geschenk dem eher bestürzt und staunend dastehenden Volk präsentiert: einen Nautilus-Pokal, beliebter Gegenstand in den Kunstkammern, in die man auch die kleinen Gemälde der Antwerpener Malerdynastie hängte.
Während man sich noch mit Vergnügen, die leuchtenden Farben und die vielen Details anschaut, die dies Bild in eine lebendige Erzählung verwandeln, die man nur aufnehmen muß und dann weiterspinnt, von der herrschaftlichen Architektur im Hintergrund, Davids Palast mit dem angebauten Holzverschlag, die Papageien, die Hunde, die Tiere überall, die im Hintergrund lagern mit ihren Reitern und Bildpersonal die Landschaft öffnend, die blaßblaue Weite suggeriert, während man also noch schaut, denkt man, das Bild kennt man doch, es ist eigenartig vertraut, obwohl man sicher ist, es noch nie gesehen zu haben. Dies klärt sich in einem weiteren Raum, wo „Die Anbetung der Könige“ eines Antwerpener Meisters ums 1520, ebenfalls dem Kunstmuseum eigen, dasselbe Grundmuster zeigt, das für die Antwerpener Malerei typisch wird. Das sind so kleine kunstgeschichtliche Aha-Erlebnisse in dieser Ausstellung, die neben dem hohen ästhetischen Genuß auch intellektuell Spaß machen. Eigentlich aber sind es die kunstvoll konzipierten Gemälde im Hauptraum, die den Seltenheitswert dieser Sonderausstellung ausmachen, die man mit Vergnügen anschaut, sich aber auch bewußt ist, daß diese eindeutig auf eine diese Kunstsprache verstehende Käuferschicht hin gemalt wurden, an deren heutigen Leihgaben wir nun teilhaben und die von Frans II. vorstellen.
„Die Rache des Zauberers Vergil“, eine liebliche lichtvolle Farbenzauberei, die Rubens evoziert, insbesondere aber die musizierenden Sensenmänner, die mit den Maßen von rund 16 auf 13/ 13 auf 16 Zentimeter Öl auf Kupfer fast Miniaturen sind, aber alles enthalten, was der Tod braucht. Das eine kommt uns so bekannt vor, kein Wunder, eine Leihgabe aus Frankfurt, zeigt den fiedelnden Tod beim Reichen, der noch – dickwanstig, pelzbestückt und mit auffälligem roten Barett – seinen Geschäften mit Münzen und Schuldscheinen nachgehen will und irritiert das Skelett anschaut, das seinen rechten Fuß auf das abgelaufene Stundenglas stützt und ihn fiedelnd zum Mitkommen, zum Totentanz auffordert. Im nächsten Raum oder ist es eine Spiegelung, steht ein weiterer Tod und redet ernsthaft mit einem sitzenden Jüngling. Ist der auch schon dran, oder darf noch diskutiert werden? Das alles ist so gleichzeitig fein, kostbar schimmernd und ephemer gemalt, das das weitere Kupferbild “Der reiche und der lautenspielende Tod“ dagegen abfällt, was nur auf den ersten Blick stimmt.
Schaut man nämlich lange in dieses Bild hinein, schauen einem Abgründe entgegen, die gerade durch das Dunkeltonige des Bildes unheimlich werden. Hat die Welt je einen so kupfernschmucken Tod gesehen? Was sonst grauslich ausschaut, wird hier zum Schönheitsideal, ja eigentlich erinnert dieser Sensenmann an einen modernen Hollywoodfilm, wo Androide und Außerirdische Menschen darstellen. Noch hat er ihn nicht herumgekriegt, den Alten, der müde im Sessel lehnt und mit Händen und Füßen dagegen argumentiert, jetzt mitzukommen. Schließlich hat er noch genug Schuldscheine einzulösen, damit sich die güldenen Pokale und Ketten im Hintergrund genauso vermehren wie die Skulptur im Vordergrund. Eines zeichnet beide so unterschiedlichen Skelette aus. Sie tragen einen eleganten weißen Schleier, der wie der durchsichtige Tüll von Lukas Cranach aussieht.
Ein anderes Genre ist die Art von Bildern, die schon wieder die biblischen Motive im Vordergrund haben. Denn es ist kaum hundert Jahre her, daß „Christus und die Ehebrecherin“ zwar noch den Bildtitel abgab, aber sich in den Hintergrund verzogen hatte, um Raum für Märkte, Geselligkeiten und das private Leben im Vordergrund zeigen zu können. Frans II. von Francken malt 1612 die Tafel, die auch dem Kunstmuseum gehört, und in der alle Verwirrung der Beteiligten zum Himmel aufsteigt und ihr Blick fasziniert dem Finger Christi auf den Boden zeigend folgt. Überhaupt die Finger. Hier sieht man, wie beherzt das Verweissystem der Finger, das Raffael einst schuf, weiterhin angewendet wird und einen durch die Fingerzeige allein schon in einem Bild herumspazieren läßt.
Ach, es gibt noch so viel weiterzugeben, darunter besonders prächtig und ein echtes Nachtstück, ebenfalls von Frans II. , „Das Gastmahl des Belsazar“ , das bei Kerzen und Fackeln den Prunk der Gegenstände und Kleidungen glänzend schimmern, die Dekolletés der Damen dagegen alabastern erscheinen läßt. Das ist einfach ein Fest der Malerei und darum ein Fest für das Auge, was die kleinen, mittleren und großen Tafeln in dieser Ausstellung an Farben, an lichtvollen Lasuren, an exotischen Zutaten, an Feuer- und Lichtgestalten wiedergeben. Amüsant auch der Beitrag zur Rechtschreibung um 1523: „Daß Alte weyb“, „Der Artzet“, „Der Rychman“, “Der Kauffman“, „Der Schiffman“.
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Katalog: Frans II. Francken. Die Anbetung der Könige und andere Entdeckungen, Kunstmuseum Basel und Michael Imhof Verlag, Petersberg 2009
Das muß man doch einmal deutlich sagen. Da ist nicht nur eine kleine, feine, das kunsthistorische Herz erfreuende Ausstellung zustandegekommen, da ist auch alles klein und fein und in großen Bildern in einem Katalog festgehalten, der für die Ausstellungsbesucher eine wichtige Vertiefung und Erinnerung bleibt, der aber für alle diejenigen, die nicht nach Basel kommen können, zumindest über den Buchhandel erwerbbar ist, denn: das lohnt sich diesmal besonders. Inzwischen hat sich herumgesprochen, daß Michael Imhof in Petersberg exzellente Kataloge fabriziert, erst neulich haben uns äußerst schwergewichtig die „Alten Meister der Albertina“, Wien überrascht. In diesem Katalog erfreuen die Verschränkungen von Texten und Bildern, die in hervorragender Qualität mit Detailvergrößerungen den optischen Genuß von Barockmalerei hervorruft.
Ausstellung: bis 28. Februar 2010
Internet: www.kunstmuseumbasel.ch