Bleibt’s daham! – Ist die FPÖ in ganz Österreich am Ende?

Ein Blick den Stephansdom in Wien hinauf in den Himmel. Quelle: Pixabay, Foto: NakNakNak

Wien, Österreich (Weltexpress). Als ich vor wenigen Wochen aus dem Ausland in Wien mitten in den Wahlkampf hineinplatzte, staunte ich nicht schlecht: „Unser daham!“ prangte da über dem Stephansdom, einem sympathischen jungen Mann der einem sehr blonden (!) Mädchen mit ausgestrecktem rechtem Arm (!) eine herrliche Zukunft weist, während am unteren Bildrand – unter den fetten Lettern „Islam“ – schwarz verschleierte Gestalten einen verhüllten Terroristen anhimmeln. Eine symbolträchtige Bildsprache, die wohl nicht zufällig an Fresken in romanischen Kirchen erinnert: Oben, hell und pastell, die Erlösung – unten, dunkel und bedrohlich, Teufel, Drachen und Fegefeuer.

„Daham“ und „Islam“, haben wir das nicht schon mal gehört? „Daham statt Islam“, längst ein FPÖ-Klassiker, prangte bekanntlich schon in der Nationalratswahl 2006 auf den Wahlplakaten der FPÖ. Sehr viel weiter als zum Wiederkäuen jenes abgelutschten Reims hat es hat es die FPÖ mit ihrer Reimkunst in all den Jahren nicht gebracht. Dass auf dem Wien-Wahlplakat zudem die politischen Gegner SPÖ, ÖVP und Grüne mit „radikaler Islam“ gleichgesetzt wurden, klang deutlich mehr nach Verzweiflung als nach schlagkräftigem Argument. Nur noch skurril ist hingegen der allerneueste Spruch der Freiheitlichen auf Facebook: „Nun steht fest: Kanzler Kurz ist der Super-Spreader Österreichs!“

Es brauchte angesichts jenes dilettantischen Wahlplakats weder Propheten noch Politologen, um schon lange vor dem Urnengang zu wissen: Nepp und Strache hatten diese Wahl von Anfang an verloren. Was den selbsternannten Volkstribun Strache betrifft, so war bei ihm das Maß schon längst übervoll: die Kombination von unfassbarer Naivität und schamloser Korrumpiertheit, noch dazu zwei FPÖ-Recken, die  statt auf den gemeinsamen Gegner haßerfüllt aufeinander einprügelten – das war selbst eingefleischten FPÖ-Anhängern in Floridsdorf dann doch entschieden zu viel: „nicht andere Parteien haben uns besiegt“, musste ein zerknirschter Herbert Kickl nach der Wahl eingestehen, sondern die Partei sich selbst.

Ist nach dieser verheerenden Niederlage in Wien, wo fast ein Viertel aller Österreicher lebt und ein Viertel des Bruttoinlandproduktes erwirtschaftet wird, die FPÖ in ganz Österreich am Ende? Kaum. Dass die FPÖ nach den jeweiligen Desastern wieder auftaucht, scheint einer Gesetzmäßigkeit zu folgen: Der rechte Bodensatz in Österreich ist eine Konstante. Die Wählerstromanalyse zeigt deutlich: Von der Viertelmillion FPÖ-Wähler des Jahres 2015 gingen nur 43 000 an die ÖVP und 32 000 an die FPÖ. Die meisten der enttäuschten FPÖ-Wähler – 100 000 – wurden zu Nichtwählern, zu Wahlverweigerern. Sie gingen gewissermaßen in den Winterschlaf. Eines Tages werden sie wieder aufwachen und sich erneut der FPÖ zuwenden. Denn so ist Österreich eben. Vielleicht ist den FPÖ-Textern bis dahin doch noch ein neuer Reim statt „daham“ und „Islam“ eingefallen.

Anmerkung:

Der Beitrag von Dr. Charles E. Ritterband wurde am 15.10.2020 in „Vorarlberger Nachrichten“ erstveröffentlicht.

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