Binali Yildirim ist zum neuen Vorsitzenden der türkischen Regierungspartei AKP und somit automatisch zum Ministerpräsidenten der Türkei gewählt worden

© Karikatur 2016: Marian Kamensky
Anders gesagt: Erdogan gilt Kritikern als Eigner, Yildirim als dessen neuer Kapitän. Das war schon vor vielen Jahren so. Als Erdogan einst Bürgermeister von Istanbul war, kümmerte sich Yildirim unter ihm um die Fähren in der 15-Millionen-Metropole am Bosporus.

Der andere alte AKP-Gefährte Ahmet Davutoglu fiel bei Erdogan in Ungnade. Die Führung der AKP beschnitt sodann Befugnisse von Davutoglu. Der reichte in Folge dessen seinen Rücktritt ein, der heute angenommen wurde. Umgehend beauftragte Erdogan Yildirim mit der Regierungsbildung.

Wenige Tage zuvor setzte sich der Despot, formal ist Erdogan Präsident, im Parlament durch. Das entmachtet sich ein Stück weit selbst und hob die Immunität von 138 Abgeordneten auf. Den regierungskritischen Abgeordneten der Halkların Demokratik Partisi (HDP) – Deutsch: Demokratische Partei der Völker – droht jetzt eine Massenverfolgung. Für Millionen Kurden, die noch in der Türkei leben, und denen die HDP eine parlamentarische Stimme gibt, wird die Lage noch schlimmer. Erdogan lässt in den immer kleiner werdenden Kurdengebieten seine Soldaten aufs kurdische Volk schießen.

Mit beiden Maßnahmen kommt Erdogan seinem Zielen, der Elektrifizierung und Islamisierung der Türkei und der Errichtung einer Präsidialdiktatur, immer näher. Yildirim wird seinem "Anführer" auf diesem Wege nicht im Wege stehen, im Gegenteil: Wo Unrecht geschieht, wird Yildirim schweigen. Das war schon so, als er und Erdogan in Sachen Klüngel und Korruption in Istanbul tätig waren.

Als nächstes werden vermutlich ein paar Dutzend HDP-Abgeordnete, die der AKP als ‚parlamentarischen Arm‘ der verbotenen Arbeiterpartei PKK gelten, ins Gefängnis wandern. Damit wird im türkischen Parlament der Weg frei für eine Verfassungsänderung hin zu einem Präsidialsystem. De facto ist die Türkei das bereits.

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