„Die Wahrnehmung von Arbeitnehmerinteressen ’stört’ zwar viele Unternehmen, sie als ’Seuche’ zu bezeichnen, ist indes ein zumindest sprachlicher Tiefpunkt im Umgang mit Lohnabhängigen“, sagt dazu die Jury für das „Unwort des Jahres 2009“. Die besteht wie jedes Jahr aus den vier ständigen Mitglieder Prof. Dr. Margot Heinemann (Leipzig), Prof. Dr. Nina Janich (Darmstadt), dem Sprecher der Jury Prof. Dr. Horst Dieter Schlosser (Frankfurt a.M.) und Prof. Dr. Martin Wengeler (Düsseldorf). Die jährlich wechselnden Vertreter der Sprachpraxis waren diesmal das Mitglied der Chefredaktion der „Frankfurter Rundschau“ Stephan Hebel und der Sozialethiker Prof. Dr. Friedhelm Hengsbach S.J. (Ludwigshafen).
Die Jury kritisiert zudem weitere Formulierungen. „Flüchtlingsbekämpfung“ ist ausgerechnet von der deutschen Bundeskanzlerin geäußert worden, die diesen Unbegriff auf einem Bürgerforum“ der Bertelsmann-Stiftung von sich gab und damit zum ersten Mal den militärischen Begriff der „Bekämpfung“, der ansonsten bei zu bekämpfenden Sachverhalten als Krankheits-, Seuchen- oder Terrorismusbekämpfung verwandt wird, auf Menschen angewendet hat. Sie meinte damit die zu ergreifenden politischen und rechtlichen Maßnahmen, um die nach Europa drängenden Wirtschaftsflüchtlinge, aber auch andere Migranten als Flüchtlinge abzuwehren. „In jedem Fall ist die Gleichsetzung einer Menschengruppe mit einem negativen und deshalb zu bekämpfenden Sachverhalt ”¦ ein dramatischer sprachlicher Fehlgriff.“ , meint dazu die Jury.
Das gilt auch für den weiteren Begriff der „intelligenten Wirksysteme“. Während wir uns erst einmal gar nichts darunter vorstellen konnten, aber mit „intelligent“ und „Wirken“ und „System“ etwas für den Menschen Positives vermutet hätten, klärt uns die Jury über diese gemein verschleiernde Sprachanwendung auf: „Hinter dieser nur scheinbar harmlosen Bezeichnung verbergen sich ausschließlich technologisch hochentwickelte Munitionsarten. Sie werden von einem Tochterunternehmen zweier Rüstungskonzerne mit dem gleichfalls verschleiernden Firmennamen „Gesellschaft für Intelligente Wirksysteme mbH“ produziert.“
Wir hatten über das „Unwort des Jahres 2009“ berichtet und die Historie, wie es zu dieser Aktion kam, das letzte Mal ausgeführt. Und auch dazu, was nötig ist, um zu einem Unwort werden zu können: nämlich der öffentliche Gebrauch. Diesmal also gab es zum 19. Mal diese sprachkritische Aktion. Es hatten sich 2 018 Einsenderinnen und Einsender aus dem In- und Ausland, aus Übersee, aber auch aus Japan mit 982 verschiedenen Vorschlägen beteiligt. Mit 183 Nennungen war das Wachstumsbeschleunigungsgesetz meistgenannt. Aber nicht die Häufigkeit der Nennung ist entscheidend, sondern „der deutlichste sprachliche Mißgriff“, den es nicht geben sollte, weil er andere beleidigt oder verletzt, weshalb auch die Vorsilbe „un“ vor das Wort als „Unwort“ gesetzt wurde, wie es auch Unsitten gibt, ein Unding und die Unzeit.
Weitere gemachte Vorschläge für die diesjährige Aktion in der Reihenfolge ihrer Nennungen waren: Schweinegrippe (79), Schattenhaushalt (69), Abwrackprämie (68), Umweltprämie (47), systemrelevante Unternehmen (42), Leistungsträger (39), Kopftuchmädchen (36), Analogkäse (30) (kein) rechtsfreier Raum (27). Gleichzeitig mit der Unwortnennung in Frankfurt wird in Düsseldorf das Börsen-Unwort des Jahres verkündet. Es lautet „Bad Bank“ und wird begründet mit: „Es ist für das Publikum schwer nachvollziehbar, daß eine offenbar schlechte Bank eine weitere bad Bank gründet und dies eine gute Lösung für Probleme der Finanzkrise sein soll.“ Eine Begründung, die uns ausnehmend gut gefällt, weil sie wieder einmal zeigt, wie dummdeutsch sprachlich etwas ausgedrückt wird, was in der Sache selbst einfach dumm und sprachverschleiernd ist, zudem dies ja hier auch noch ein Anglizismus ist.