Bestes aus Berlin und der DDR rast immer mit durch die olympischen Eiskanäle der Welt

Eine Luftaufnahme des National Sliding Center und des Olympischen und Paralympischen Dorfes der Wintersport-Spiel Peking 2022 in der Yanqing-Wettkampfzone. © CFP

Yanqing, Peking, VR China; Berlin, Deutschland (Weltexpress). Die Bobbahn von Yanqing schlängelt sich gleich einer 1900 m langen riesigen Schlange ins Tal des Yanqing–Xiaohaito-Gebirges der Volksrepublik China ins Tal.

Die olympische Goldspur führt von der chinesischen Mauer nach Berchtesgaden und in die deutschen Mittelgebirge Thüringer Wald, Erzgebirge und dem Kahlen Asten bei Winterberg. Was viele nicht ahnen, die Spur führt auch nach Berlin in den Industrie-Bezirk Schöneweide. In der Tabbertstraße liegt die Goldschmiede für unsere mutigen Frauen und Männer auf den Rodel- und Bobschlitten sowie den Skeletons, die bis heute sieben von sieben möglichen Goldmedaillen eingefahren haben. Wie Direktor Michael Nitsch stellt auch Rodel-Projektleiter Carsten Ludwig (42) in Oberhof das Licht des FES unter den Scheffel: „Wir liefern die Rohdiamanten, andere geben den Geräten dann den letzten Schliff, wie zum Beispiel Olympiasieger Georg Hackel in Berchtesgaden. Der mit großer Liebe an den Kufen arbeitet.“ „Mache Geräte fußen allerdings ausschließlich auf unserer Arbeit wie zum Beispiel die Schlitten für die Skeleton-Athleten“, gibt Direktor Nitsch zu. Ein bisschen rutscht auch immer noch die alte DDR mit durch die Kunst-Eisschlangen der Welt, wie im Treppenhaus des Berliner FES, der Forschungs- und Entwicklungsstelle für Sportgeräte, an der Ehrengalerie des deutschen Sports klar zu erkennen ist.. Fotos von Olympiasiegern wie Radsprinter Lutz Heßlich, Bobpilot Andre´ Lange oder Rodlerin Sylke Otto begleiten uns auf dem Weg nach oben in das Zimmer des Direktors. Wie viele Athleten rutschten, schipperten, glitten oder radelten auf FES-Geräten zu Medaillen bei Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften? Michael Nitsch zuckt mit den Schultern: „Bei 500 Medaillen hat mein Vorgänger Harald Schaale, schon vor Jahren, aufgehört zu zählen.“ Die Ehren-Tafel beginnt mit dem Weltmeistertitel 1963 im K IV (Günter Perleberg/ Dieter Krause, die leider beide schon verstorben sind/ Siegfried Rossberg/ Wolfgang Lange). Die Ehrengalerie endet im Moment 2013 mit der Rodel-WM in Whistler (Kanada) und den Namen der damaligen Weltmeister Tobias Arlt/Tobias Wendl .Das Duo ist auch das aktuellen olympische Gold-Doppel. „Die Wand ist voll mit Namen beschrieben, jetzt müssen wir uns einen neuen Ort für unsere Ehrentafel suchen. Noch wissen wir nicht wo“, legt Michael Nitsch seine Stirn in Falten und meint: „Ich habe noch gar nicht daran gedacht, aber wir begehen im nächsten Jahr unser 60. Jubiläum des ersten Weltmeistertitels auf einem FES-Gerät. Da müssen wir uns etwas einfallen lassen.“

Das Berliner Institut gehört heute zum Stolz des deutschen Sports. Das war nicht immer so. In den Wirren der Wende wäre das FES wahrscheinlich in der Versenkung verschwunden, wenn es nicht besonnenen Männer aus dem Westen wie den früheren DSB-Präsidenten Manfred von Brauchitsch, das deutsche IOC-Mitglied Walter Tröger und den damaligen DRV-Präsidenten Heinrich Lotz gegeben hätte. Eigentlich sollten alles platt gemacht werden. „Vor allem die Männer, von Brauchitsch und Tröger sind leider schon verstorben, haben uns und das FES, die Sportschule Kienbaum und das Institut für angewandte Trainingswissenschaften in Leipzig gerettet“, sagte uns der Ruheständler Harald Schaale. „Heute sind das drei ganz wichtige Sportinstitutionen, die für die Topathleten immer mehr an Bedeutung gewinnen“, betont uns gegenüber Direktor Nitsch. Goldstar Anni Friesinger (44) schwört einst auf ihren FES-Eisschnelllauf-Stahl: „Mit den Klappschlittschuhen vom FES spürte ich sofort einen Leistungszuwachs. Ich wollte auf diese Schienen nicht mehr verzichten.“ Wie Recht die beiden Diplomingenieure Direktor Nitsch und Carsten Ludwig haben, wenn sie sagen. „Wir bieten die Grundlage, den Rest müssen Athleten und Trainer bringen“, zeigt der Niedergang des deutschen Eisschnelllaufs, der trotz FES-Schienen in der Bedeutungslosigkeit verschwunden ist.

Harald Schaale übernahm nach der Wende die Führungsposition am FES. Er gehörte seit 1981 der Schöneweider Tüftler-Truppe im „fernen“ Osten Berlins an und gab seinen Job 2019 an Michael Nitsch weiter: 35 Diplom-Ingenieure, 35 handverlesene, hoch qualifizierte Handwerker und zehn Verwaltungsangestellte bilden den Braintrust der deutschen Sportgeräte-Entwicklung. Zum FES gehört auch der mehrmalige Vizeweltmeister im 1000-m-Bahnrad-Zeitfahren, Diplom-Informatiker, Sören Lausberg (52) als Chef der Messtechnik. „Um unsere Aufgabe zu erfüllen, benötigen wir Spezialisten aus der Hochtechnologie. Kunststoffspezis, Elektroniker. Feinmechaniker sind besonders gefragt“, erklärt Nitsch. Das Institut arbeitet ganz eng mit den beiden Berliner Hochschulen Humboldt-Universität und Freie Universität sowie mit den TU´s in Dresden, Chemnitz und der „Otto von Guericke“-Hochschule in Magdeburg zusammen. Jedes Jahr holen sich die FESler Praktikanten und Diplomanten von den Unis aus ganz Deutschland. „Die Besten von ihnen, erhalten von uns nach erfolgreichem Ingenieurstudium ein Angebot als Mitarbeiter. Auf diese Weise rückt immer wieder Spitzennachwuchs in unser Team“, freut sich Nitsch.

Das war nicht immer so. Das FES wurde auf Betreiben des damaligen DDR-Ruderpräsidenten Alfred Neumann bereits 1962 gegründet. „In erster Linie sollten Ruder- und Segelboote konstruiert werden, die dem Weltspitzenniveau entsprachen. An fünf verschiedenen Stellen in bisweilen jämmerlich wirkenden Industriebauten werkelten die Ingenieure und Handwerker vor sich hin. Trotzdem konnten sich die Ruderboote sehen lassen. Schon 1966 keuchten die DDR-Ruderer auf dem Bergsee von Bled zu dreimal WM- Gold. Mit dem verstorbenen Rostocker Paul Borowski und später Jochen Schümann (Berlin) kreuzten Segler auf olympischem Medaillenkurs. „Der große Durchbruch im Bootsbau glückte dann 1976. Da blieben die Bäume im Wald stehen. Die Ruderboote wurden aus glasfaserverstärkten Kunststoffen in Sandwichbausweise gefertigt. „Eine Revolution. Die Boote verloren merklich an Gewicht, waren bedeutend leichter und damit schneller“, erklärt der FES-Chef. Heute schiebt die ganze Welt Kunststoff-Boote ins Regattawasser. Wie sich intensives Grübeln auszahlen kann, erlebten die Sportfans 2004 bei Olympia in Athen. Damals setzte sich der deutschen Frauen-K4 um Bugballbreite gegen Ungarn bei der Jagd nach Gold durch. „Vielleicht haben wir den Sieg unseren Hightech-Spritzdecken zu verdanken“, vermutete damals in einem Gespräch Kanu-Queen Birgit Fischer(62) als achtmalige olympische Goldmedaillengewinnerin. Auf Vorschlag des FES wurden für Athen die Spritzdecken direkt an die Trikots genäht. Dadurch gelangte kaum Spritzwasser in das Innere des Kanus. Statt vier bis fünf Kilo Mehrgewicht im Ziel eines 500-m-Rennens, belastete nur ein halber Liter Wasser das Boot. Eine deutliche Erleichterung für die Topathletinnen, die in Leistungsbereiche vorstoßen, wo es auf jedes Gramm ankommt.

Für eine Sensation sorgte die Schöneweider Hightech-Truppe bei den Spielen 1988 in Seoul. Als der damalige DDR-Straßenrad-Vierer mit Uwe Ampler, Jan Schur, Mario Kummer und Mike Landsmann auf den „schwarzen Raketen“ zu Gold raste. Schon 1984 „gebaren“ die Ostberliner das selbst tragende Scheibenlaufrad. „Aus der Luftfahrttechnik probierten wir 1987, mit gewickelten Kohlefasern einen Rahmen zu bauen. Das Experiment glückte. Der Rahmen fiel extrem leichter aus und war an Festigkeit kaum zu übertreffen“, erklärt nach dem Sieg damals Jan Schur. Der Rahmen setzte sich durch. Jan Ullrich gewann damit zwei Weltmeistertitel. Beim früheren Radteam Telekom wurden die Zeitfahrräder sogar mit Farben einer italienischen Firma gespritzt, darunter aber steckten die Rahmen des FES. Inzwischen baute die FES-Räder die ganze Welt nach.

Das FES ist heute nicht mehr wegzudenken. Michael Nitsch ist zufrieden: „Wir arbeiten geradezu ideal mit dem Bundesministerium des Inneren zusammen. Der DOSB hat längst erkannt, dass wir gegen das Doping nur mit dem Fleiß der Sportler, einer ausgeklügelten, wissenschaftlichen Trainingsmethodik und Hightech-Sportgeräten ankämpfen können.“

Neben Skeleton, Skilanglauf und Springen („wir bauen die Bindungen für Geiger und Co,“so Nitsch), Bob, Schlitten, Kanu, Rudern und, und, und, kümmert sich das FES auch um die Messtechnik beim Schwimmen und in der Leichtathletik. Direktor Nitsch sieht sich in der Zukunft nicht vor unlösbare Aufgaben gestellt: „Mit unserem bundeseigenen, neuen Gebäude, unseren Fachleuten und den Diplomanten, die zu uns drängen, sind wir für neue Aufgaben gerüstet. Mit einem Etat von 7,2 Millionen können wir einiges anfangen. An Bob und Rodel, Schnelllaufschienen und Skibindungen für Olympia 2026 in Mailand wird bereits gearbeitet.

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