Berlins Handball-Füchse weiter im Höhenflug – Doch Hamburger bauen auf das Heimspiel

Die nunmehrige Konstellation allerdings kommt für die Betrachter nicht überraschend. Das im Schnitt wohl älteste und neben Rekordmeister Kiel mit geschätzten 10-Millionen-Etat teuerste Aufgebot der Bundesliga hat im Meisterjahr zwar die Chance genutzt, der durch Verletzungen und Ausfälle gebeutelten "Siegmaschine THW Kiel" nach jahrelangem Hinterherhecheln endlich die Krone abzujagen. Aber dabei offensichtlich soviel an mentaler und physischer Substanz verbraucht, dass – begleitet von Abgängen, Verletzungen, vorzeitigem Trainerrausschmiss – Hamburg nun als Dritter sogar drei Zähler hinter den zweitplatzierten Berlinern liegt.

Um wenigstens den Startplatz in der Champions League zu retten, kehrte der momentane HSV-Präsident und Meistertrainer Martin Schwalb interimsweise als Trainer zurück. Jener habe den "richtigen Ton" in der Ansprache an die Mannschaft getroffen und "neue Impulse" ausgelöst, bestätigte HSV-Spielmacher Michael Kraus am Ende: "Leider waren wir am Ende des Spiels nicht clever genug und haben zwei unglückliche Tore kassiert. Aber, ich bin überzeugt, wir werden das beim Rückspiel am Sonntag in eigener Halle besser machen und das Ding noch drehen."

Sichtbar stolz baute sich Füchse-Manager Bob Hanning vor Kameras/Mikrofonen auf: Weil man den Meister bezwungen und ihm die erste CL-Niederlage zugefügt habe – "und unsere Mannschaft sich immer ins Spiel zurückgekämpft hat". Die besondere Gefühlslage des Berliner Geschäftsführers dürfte auch ein wenig damit zusammen hängen, dass man ihn einst in Hamburg beim Angriff auf die Kieler Festung gefeuert hatte…

Dass sich die Füchse vor 8904, darunter ein paar Hamburger Fans, emotionalisierten Zuschauern in der Schmeling-Halle in diesem Jojo-Spiel-Verlauf – 7:4, 12:14, 19:18, 20:22, 27:28 – nie unterkriegen ließen, ist auch einem erfolgreichen Einspruch an die Schiedskommission des Europäischen Handballs zu verdanken. Nach der Roten Karte im letzten Vorrundenmatch war Füchse-Topwerfer Sven-Sören Christophersen ursprünglich mit einer Sperre bedacht worden. Die hatten Hannings Juristen erfolgreich angefochten. Und was beim Profi-Fußball in dieser Sachlage nie passiert wäre – Christophersen durfte spielen und war mit acht Toren maßgeblich am Erfolg beteiligt.

Die beiden dänischen Unparteiischen erwiesen sich nicht unbedingt – wie oft in der Bundesliga zu beobachten – als Heimschiedsrichter. Verteilten je zwei 7-m-Strafwürfe in einem beiderseits intensiv geführten Duell. Vermochten jedoch dem Druck von den Rängen bei den 2-Minuten-Heruasstellungen nicht ganz zu widerstehen: Nur eine gegen Berlin, aber fünf gegen Hamburg.

Weil die routinierten Gäste – überragend mit acht Treffern Kapitän Hans Lindberg – aber auch rund 1:45 Minuten mit vier gegen sechs Berliner Feldspielern ohne gravierende Rückstände überstanden, sind sie zuversichtlich, als zweite deutsche Formation nach den bereits dafür qualifizierten Kielern in die Runde der besten acht Mannschaft vorzudringen. Berlins Spielführer Torsten Laen kennzeichnete auf der PK nach Abpfiff treffend die Stimmungslage des Podiums mit den beiden Kapitänen und Trainern: "Ich denke, wir alle vier hier sind irgendwie zufrieden. Wir, weil wir den angestrebten Sieg erreicht haben. Trotz ein paar technischer Fehler zuviel. Hamburg, weil es insgesamt wieder stark präsentiert hat. Und beide die Möglichkeit des Weiterkommens vor sich sehen." In einer Zusatzfrage aber, ob das Zweitore-Polster aus Berliner Sicht eine fifty-fity-Chance für das Rückspiel bedeute, meinte der Däne: "Für uns eher etwas weniger als 50 Prozent – obwohl wir auch da gewinnen können und alles dafür tun werden."

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