Berlinale – Movermans Dinner for Four oder Familie als Schlachtfeld – „The Dinner“ bietet versprochene Hollywoodpräsenz auf und enttäuscht trotz Pauls Nervenzusammenbrüchen

Szene mit Steve Coogan und Laura Linney Berlinale-Film "The Dinner". © 2016 Tesuco Holdings Ltd.

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Der zweite Tag der Berlinale konnte nun endlich mit Hollywood-Prominenz aufwarten. Richard Gere, Laura Linney, Steve Coogan und Rebecca Hall, die Hauptdarsteller des Wettbewerb Beitrages „The Dinner“, traten an zum Stelldichein über den roten Teppich. Und damit sind die Hauptakteure um Oren Movermans Film komplett. Denn der Film ist im Kern eigentlich ein Vier-Personen-Drama, wie schon der Filmtitel erahnen lässt. Das „The Dinner“ die US-amerikanischen Verhältnisse, ja, die US-amerikanische Gesellschaft kritisiert, darauf kann man bei Oren Moverman gefasst sein. Schon sein bei der Berlinale 2009 ausgezeichneter Film „The Messenger“ kritisiert die inneramerikanischen Verhaltnisse rund um den Golfkrieg.

„The Dinner“, nach dem Bestseller von Hermann Koch, handelt um die beiden Brüder Stan und Paul Lohman (Richard Gere und Steve Coogan) und ihren Ehefrauen Katelyn und Claire (Rebecca Hall und Laura Linney), die sich zum Dinner treffen, um zu besprechen wie sie mit den Problemen ihrer Kinder umgehen. Und die sind wahrlich ernst, denn Stan und Pauls Söhne sind in jugendlichem Leichtsinn und Überheblichkeit für den Tod einer Obdachlosen verantwortlich. Was also tun? Wie damit umgehen? Und wie sehen die Konsequenzen für Stan und Paul aus? Schließlich ist Stan Kongressabgeordneter und Paul Lehrer und Historiker. Beide Paare verabreden sich hierzu in einem der exquisitesten Restaurants der Stadt. Dort werden den zwei Paaren die exquisitesten Gerichte aufgetischt, die Obdachlose höchsens aus der Resteverwertung kennen. Von Perlhuhn auf Eidotter im Pilzbett bis zu gesalzener Whisky-Karamelsauce ist das Beste vom Besten dabei. Im Laufe dieses Dinners for Four erfahren wir viel über die Beziehung der beiden Brüder zueinander. Paul ist ein frustrierter Lehrer und Historiker, der seine Schüler und die USA-Gesellschaft verachtet und sich eigentlich wünscht, in der Antike zu leben. Er kann seine Frustration auch an diesem Abend nicht unterdrücken. Und dann ist da noch Stan, der idealistische Politiker, der zu Höherem hinaus will und während des Abends versucht, die letzten Stimmen für seinen Gesetzesentwurf im Kongress durchzubringen. Am Ende werden auch beim falschen Fasan die richtigen Fassaden einbrechen und zwischen dem einen und anderen Paar sowie den beiden Brüdern die Fetzen fliegen.

„The Dinner“ ist ein vielschichtiger Film, der sich zum einen um die Söhne und das Verbrechen, für das sie sich verantworten, dreht und zum anderen das Verhältnis der Brüder zueinander und ihre Leben widerspiegelt. Oren Movermans Film ist US-amerikanisches Familiendrama deren Quintessenz sich am Dinner-Tisch abspielt und zugleich den Hauptstrang dieser Geschichte bildet, während er mit Rückblenden und Jumpcuts arbeitet. „The Dinner“ ist ein gut erzähltes und durchdachtes Drama und kann im Spiel seiner Darsteller überzeugen. Denn der Film steht im Kern für den Mikrokosmos der heutigen Gesellschaft der USA und dafür stehen stellvertretend beide Paare. Was sich vielversprechend anhört und auch so beginnt, kann am Ende nicht wirklich überzeugen. Bei allen Ambitionen und allem Ehrgeiz, das merkt man dem Film echt an, will der Funke nach dem schwer zu findenden roten Faden nicht überspringen. Der Film verfängt sich zu sehr in sich selbst und seinem Anliegen. Richard Gere als Kongressabgeordneter wirkt erwartungsgemäß smart und weltmännisch, kann dem Film allerdings auch nicht über seine Mängel hinweg helfen. „The Dinner“ will Familiendrama, Charakterstudie und US-amerikanisches Gesellschaftsportrait zugleich sein und schafft es nicht, diese roten Fäden konsequent beizubehalten. Moverman gibt seinen Figuren, gerade den beiden Brüdern, genug Raum, lässt aber – was hier angebracht wäre – den Frauen und Söhnen nicht ausreichend Platz. Eine Konzentrierung, wie etwa bei Roman Polanskis „Gott des Gemetzels“ hätte dem Film sicher gut getan. Ja, weniger wäre mehr gewesen. „The Dinner“ bietet uns zwar ein Familiendrama als Hauptgang, mit Bruderkonflikt und Gesellschaftskritik als Beilage an, doch wie es manchmal so ist, auch die ansehnlichsten Speisen wohlfein serviert müssen nicht munden. In „The Dinner“ hinterlassen sie einen faden Beigeschmack.

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Originaltitel: The Dinner
Land: USA
Jahr: 2016
Regie, Buch: Oren Moverman
Kamera: Bobby Bukowski
Schnitt: Alex Hall
Musik: Elijah Brueggemann
Darsteller: Richard Gere, Steve Coogan, Laura Linney, Rebecca Hall.
Dauer: 120 Minuten
Produzenten: Julia Lebedev, Eddie Vaisman, Cotty Chubb, Lawrence Inglee

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