Denn deren Funktionäre haben dem 23-jährigen Erdmann und dem 30-jährigen Matysik Ende letzten Jahres eine knappe Mitteilung zukommen lassen: Der Status und die Förderung als A-Kader, der zweiten Kategorie hinter den Nationalteams mit den Weltmeistern Julius Brink/Jonas Reckermann und den 2008-er Olympiafünften David Klemperer/Eric Koreng, geht künftig an Sebastian Dollinger/Stefan Windscheif. Weil die Hamburger zwei Ränge und paar Pünktchen besser platziert waren als die Berliner. Und der 2,09-m-Mann Dollinger (28) "bislang keine Verbandsunterstützung erhielt". Eine formale Entscheidung. Unberücksichtigt blieb, dass Erdmann wegen eines Bandscheibenvorfalls die Saison vorzeitig abbrechen musste und auch Matysik verletzungsbedingt zeitweilig ausfiel.
Dem Diplom-Betriebswirt und Spätvolleyballer – als Junior ein durchaus talentierter Mittelstreckler – Matysik ärgerte weniger der Verlust der bisherigen Verbandshilfe "von ca. 4000 Euro für Wettkämpfe bzw. Trainingslager, sondern dass man sich nicht mal die Mühe machte, Joni Erdmann zumindest telefonisch diese Entscheidung zu erläutern".
Der Potsdamer Erdmann, 1,95 m und damit Beach-Vorderblockspieler, war 2006 Weltmeister in der U19-Altersklasse und U20-Europameister (mit Windscheif). Ein Talentnachweis, den es vorher und danach im DVV nicht gab. 2009 verbündete sich der Marketing-Student auch wegen günstigerer Trainingsmöglichkeiten in Berlin mit dem Abwehrspezialisten Matysik (u.a. EM-Zweiter 2008 mit Uhmann).
Doch Matysik wurmte der bürokratische Umgang "mit dem hoffnungsvollsten Beachvolleyballer seines Jahrgangs und Kandidaten für die Verbandsrepräsentation nach der Ära Brink/Reckermann" so sehr, dass er sich in einem Brief an die Beachabteilung des DVV beschwerte. Über den Umgang und die kurzsichtige Entscheidung: "Ich habe nichts gegen die Unterstützung beispielsweise von Windscheif. Der ist als Abwehrspieler ähnlich talentiert und wie Erdmann ein Spieler für die Zukunft. Warum hat man die Unterstützung nicht auf beide gesplittet?"
Natürlich hat das Protestschreiben unmittelbar nichts bewirkt. Außer, dass Matysik sein Image als unbequemer Aufbegehrer gefestigt haben dürfte. "Klar, ein Liebling des Verbandes wird er damit nicht", sagt grinsend Florian Karl. Der 26-jährige Lehramts-Student der Humboldt-Universität, langjähriger Mannschaftskollege von Erdmann/Matysik beim Hallen-Bundesligisten Netzhoppers KönigsWusterhausen und ambitionierter Beachvolleyballer, ist seit Sommer letzten Jahres der dritte Mann im Berlin-Rebellenteam. Honorartrainer Beachvolleyball am Olympiastützpunkt Berlin, bei Erdmann/Matysik zuständig ("ohne Vertrag") für die Trainingsarbeit mit dem Ball und neben dem derzeit in Griechenland tätigen früheren Europameister Christoph Dieckmann Taktikberater bei internationalen Ereignissen. Der Trainer jünger als der Spieler?
Autoritätsprobleme?-"Auf keinen Fall", sagt Matysik. "Flori kennt alle Facetten des Volleyballs, hat zu allen Dingen eine sehr professionelle Einstellung und als Partner äußerst wichtig für uns." Bezahlt wird Karl, der später seinen Trainer-A-Schein machen möchte, vom derzeit in der Saison-Weltrangliste nach drei Wettbewerben nach Brink/Reckermann (5.) zweitbesten deutschen Team (10.) nicht. "Er hilft uns im Training und Wettkampf, wir verschaffen ihm die Gratismöglichkeit, bei Turnieren die Weltspitze live zu erleben."
Rund 100 000 Euro bräuchte man heutzutage, um für die Weltspitze wettbewerbsfähige Strukturen zu haben, sagt Matysik. Sein Team käme mit etwa 25 bis 30 000 Euro über die Runden. "Weil wir bei den Reisen auf Billig-Tickets schauen, oft am Flughafen nächtigen, uns gewogene Partner wie Berlin-Tourismus und andere haben, selber Trainingskurse leiten und vor allem von den Preisgeldern möglichst viel mitnehmen."
Saisonziele sind: "Dass wir unser Spiel verbessern. Nach drei Topten-Rängen im Vorjahr im Vorjahr konstanter spielen, den Abstand zu den beiden Nationalteams verringern und am Saisonende auf jeden Fall vor Dollinger/Windscheif rangieren." Da Erdmann/Matysik trotz geringerer Unterstützung, lediglich ein Trainingscamp im März in Athen, so erfolgreich wie nie in die Welttour gestartet sind, mussten sie zuletzt in Prag und jetzt in Peking nicht in die kräftezehrende Qualifikation. Und konnten sich in China bereits vor dem ersten Hauptrundenmatch als Sieger fühlen. Denn Dollinger/Windscheif – in Brasilien und Shanghai hinter Erdmann/Matysik – scheiterten nun in Peking bereits in der Qualifikation. Keine Punkte, kein Preisgeld. "Wir gucken nicht nach rechts und links gucken, wir jammern nicht über den Verband. Denn ob wir im nächsten Spiel verlieren oder gewinnen, entscheidet nicht der Verband, sondern einzig und allen wir mit unserer Leistung."
Mit dieser Einstellung wollen Erdmann/Matysik auch bei ihrer zweiten gemeinsamen WM-Teilnahme vom 14. bis 19. Juni in Rom ihren Weg fortsetzen.