Auf den Spuren Jeanne d’Arc`s im Land der Mirabellen – Rad- und Wanderrundwege in Lothringen an der Maas

Die Fahrt an die Meuse führt über Metz, wo nicht nur Kunstliebhaber noch einmal einen Blick auf die weltberühmte Kathedrale mit ihren Fenstern von Marc Chagall werfen können und dem bemerkenswerten Centre Pompidou Kunstmuseum einen Besuch abstatten können. Nur eine Stunde von Metz entfernt, führt uns unser Weg zu unserem ersten Ziel, dem Lac de Madine, einem großen Stausee und Trinkwasserreservoire von Metz und Nancy, ausgebaut zu einem riesigen Freizeitgebiet mit Camping, Bungalows, Segel-, Wander-, Rad- und Bademöglichkeiten.

In Heudicourt-sous-les-Côtes (die Orte in Lothringen haben teilweise "Zungenbrechernamen") logieren wir im Hôtel Restaurant du Lac de Madine – gelobt für seine gute Küche. Beim Abendessen wird den hiesigen Gepflogenheiten genüge getan und wir beginnen unser Menue mit einem Apéritiv "Kir Lorrain", Champagner mit Mirabellenlikör oder -schnaps mit einer Mirabelle – geschüttelt oder gerührt, auch James Bond wäre hier "d’accord"! Paté mit Mirabelle, Rebhuhn und als Dessert Paris-Brest, eine Éclair-Variation. Eine weitere Création heißt Paris-Metz, ein Meringue-Gebäck mit Himbeeren, dekorativ inszeniert; Anlass der Schöpfung war die Eröffnung der TGV-Strecke Paris-Metz. "Zu kaufen sind diese Köstlichkeiten bei einem Patissier" am historischen Bahnhof von Metz", verrät uns Jean Paul, unser Fahrer, der uns sicher über die schönen Pappelalleen chauffiert, vorbei an einer Hügellandschaft mit einer Farbpalette von Feldern: gelber Raps, grüner Klee – ein Maler hätte diese Landschaft nicht schöner malern können. Mein Hotelzimmer hat eine Whirlpoolbadewanne – der Urlaub fängt gut an!

Land der Mirabelle an den Hängen der Maas, Pays de la Mirabelle – Les Côtes de Meuse

Am nächsten Morgen, nach einer bol Café au lait und Baguette, brechen wir auf ins Land der Mirabelle "Pays de la Mirabelle" an den Hängen der Maas (les côtes de Meuse). Jean Paul fährt uns hoch über die Maas-Ebene nach Hattonchâtel, einem mittelalterlichen Dorf mit Schloss und Kirche aus dem 16. Jahrhundert. Von hier oben aus hat man einen wundervollen Überblick über die Ebene von Woevre und auf den Lac de Madine. In der Kirche St. Maur haben wir die Möglichkeit, das mehrfarbige Triptychon der Osterpassion zu bestaunen, eine großen Wandskulptur des lothringer Renaissance-Künstlers Ligier Richier. "Kunstkenner aus aller Welt kommen hier vorbei", sagt uns der örtliche Küster Klaus Christoph, der hier seinen Zivildienst in der Kriegsgräberpflege absolvierte und gleich ganz hier geblieben ist. Das im Dorf liegende Schloss Hattonchâtel wird auch als Hotel genutzt. Erbaut von einem Bischof aus Verdun, wurde es von Richelieu 1634 zerstört. Eine Amerikanerin, Belle Skinner, half finanziell beim Wiederaufbau. Ihr Sohn fiel hier im zweiten Weltkrieg und sie half, das zerbombte Rathaus und anderes wiederaufzubauen.

Weiter geht unsere Entdeckungsfahrt. Christelle, unsere Gastgeberin, führt uns zum "Jardin de Lorraine" in Billy-sous-les-Côtes, einer Mirabellenkooperative. Hier gibt es alles rund um die Mirabelle zu kaufen in ungeahnter Vielfalt: Mirabellenkuchen, Eau de vie, Likör, Marmelade, Terrinen, Dragées, Sirup, Saft, Wein – nicht umsonst gilt die Mirabelle als die "Königin" Lothringens. Christelle führt uns zum Mirabellenrundweg, dem "circuit de la mirabelle" – vorbei an blühenden Mirabellenbäumen. "Die Ernte ist im August – Ihr kommt doch dann alle wieder?!" lädt uns Christelle lachend ein. Auf einer Länge von 77 km können Besucher mit dem Mountainbike oder dem Pferd, die Côtes und Höhenzüge der Meuse entdecken oder durch die Weinberge und Obstgärten radeln, das Waldgebiet der Höhenzüge der Meuse und die Kalkrasen von Génicourt-sur-Meuse ´erfahren ´ und Winzerkeller besuchen.

Wir entscheiden uns für eine Lorraine-Weinverkostung im Weingewölbe GAEC de l’Aumonière in Viéville-sous-les-Côtes. Jean-Marie Blanpied erklärt uns die verschiedenen, ausnahmslos junge Sommerweine wie den "Gris", aus der Auxerrois-,Pinot- und Chardonnay-Traube. Er und sein Bruder Bertrand führen den Familienbetrieb und führen auch bis zu 60-köpfige Gruppenführungen mit Verkostung durch nach Anmeldung.

Freizeitpark Lac de Madine

Unsere Fahrt geht weiter zum Lac de Madine, einem zwölf Quadratkilometern großem Stausee, Trinkwasserspeicher für Metz und Nancy. Zugang findet man über die Dörfer Nonsard-Lamarche und Heudicourt-sous-les-Côtes,  mit ihrem Sportboothafen und Segelschule. Tretboote, Pferdezentrum mit Reiten, Angeln, Tauchen, Golf, Mini-Golf, Tennis, Bimmelbähnchen, Animation, Feste – es ist ein Angebot für Groß und Klein, wo es an nichts fehlt. Der Lac de Madine gehört zum regionalen Naturpark Lothringen. Jährliche Oldtimer-Treffen ziehen Fans aus ganz Frankreich und Deutschland an. Über die Pfingstfeiertage werden die Campingplätze leider von jugendlichen Saarländern und Rheinland-Pfälzern als "Partymeile" missbraucht. "Mit Bierkästen kommen sie an und ich habe Angst, dass sie betrunken ertrinken." schildert uns Michel Thouvignon, der Direktor des Syndicat mixte du Lac de Madine, seine Sorgen. "Sie hinterlassen riesige Berge von Müll auf den Wiesen und zerbrochenes Glas, woran Tier und Mensch sich verletzen kann." Er bittet diese Jugendlichen, nicht mehr zu kommen und hofft auf mehr "vernünftige" Besucher aus Deutschland. "An einem warmen Wochenende können bis zu 20.000 Menschen aus Frankreich, Holland, Deutschland, Luxemburg und Großbritannien hier anzutreffen sein", beschreibt er uns das rege Treiben rund um den See, während er uns die Bungalowanlagen, die Gí®tes, zeigt, in denen 600 Gäste Unterkunft finden können. Sie ähneln Bungalows in den nordischen Ländern. Am 23. Juli findet in Chambley, 15 km von Madine, die größte Montgolfiade Europas (Heißluftballontreffen) statt, Lorraine Mondiale Air Ballons. Michel hat für gehbehinderte Strandbesucher extra luftkissenbepackte Gefährte gekauft, die es ihnen erlauben, mit diesen ins Wasser zu gehen. Sie sind kostenlos auszuleihen.

Michel gibt uns Mountain- und Elektroräder und wir fahren eine Runde um den See, um Flora und Fauna zu bewundern. In der Ferne, auf einem Hügel, erblicken wir ein Monument für gefallene Amerikaner im Ersten Weltkrieg – es wirkt wie eine griechische Tempelanlage. Ca. zwei Stunden dauert die erquickende Tour – mein E-Bike bringt mir doch Vorteile bei manchen Steigungen!

Pausiert wird zur Weinverkostung bei der "Domaine de Muzy", einem Familienbetrieb. Hier bekommen wir außer den uns schon bekannten Sorten noch Dessert- und Eiswein zum Probieren. Abends gibt es "Tourte", eine französische Spezialität aus Fleischwürfeln mit Gemüse in knuspriger Tortenform und ein Mirabellendessert, welches es "in sich" hat: Eis, Karamell – Kalorienzählen fällt heute aus! Spätestens jetzt fühle ich mich "wie eine Mirabelle" – so viele Mirabellen und ich habe noch nicht einmal das Mirabellenduschgel benutzt!

´Vent des Forêts ´ und der ´Maisons Sylvestres ´

Am nächsten Tag führt uns die Reise nicht weit nach Dompcevrin. Hier treffen wir uns mit Pascal Yonet, dem künstlerischen Leiter der Initiative „Vent des Forêts“. Er führt uns zu "Maxi et les Maximonstres", Wikiki und den "Wächtern" und erzählt uns von dem großen internationalen Kunstkonzept. Seit 1997 haben sich sechs in den Wäldern gelegene Dörfer zusammengetan, um Künstler aus aller Welt einzuladen,
einen neuen Blick auf dieNatur zu werfen und Kunstwerke im Wald von Lahaymeix zu schaffen. Rund 90 Kunstwerke aus Holz, Stein oder Eisen – den Materialien der Meuse säumen heute die drei Schleifen des Kunstparcours, der auf einer Länge von 45 km die 5.000 Hektar des Waldes zwischen  Saint-Mihiel und Verdun durchzieht. Anfang Juli findet das ´Symposium du Vent des Forêts ´ statt. Die Künstler arbeiten an ihren Kunstwerken und diskutieren zugleich ihr Konzept mit den Besuchern. Rund um den gekennzeichneten Weg erscheinen die Kunstwerke vor den Augen der Wanderer, Reiter oder Radler. Der Zugang ist frei von Februar bis September.

Eine weitere Attraktion sind die "Maisons sylvestre" entwickelt von Matali Crasset: ab 2013 können Wanderer ganz in die Natur einzutauchen für eine Nacht und sich mit den Geräuschen und Düften der Natur vertraut zu machen. Man kann Eichelhäher und Rehe beobachten oder aber Waldmeister, Maiglöckchen oder Origano sehen. Die ´Maisons Sylvestres ´ sind als bewohnbare Kunstwerke inmitten der Wälder konzipiert. Es sind leichte Strukturen aus Akazienholz, Tanne und Stahl mit einer Grundfläche von 20 m ². Die beiden ersten ´Maisons Sylvestres ´ « Le Nichoir » und « La Noisette » werden im 2011 fertiggestellt. 2012 folgen dann «Champignon» und «La Chrysalide».

Vaucouleurs – Jeanne d’Arc Museum – 15. bis 19.6.12: Festivität 2012 zur 600-Jahr Feier Jeanne d’Arc

In Vaucouleurs, wo der Siegeszug der Jeanne d’Arc begann, sind im Museum unzählige Statuen, Bilder, Filmplakate und andere Devotionalien der Jeanne d’Arc zu sehen. "Nur über Jesus Christus wurden mehr Filme gedreht als über sie." berichtet uns Natalie von der Tourismuszentrale, die uns führt.  Im Rathaus zeigt sie uns im Hochzeitssaal das berühmte Bild von Jean-Jacques Scherrer, wie Jeanne aus Vaucouleurs auszog. "Das Pendant, wie sie in Orléans glorreich einzieht, hängt in Orléans." erläutert Natalie. Für 2012 ist in Vaucouleurs ein großes Fest geplant anläßlich des 600. Geburtstages von Jeanne d’Arc.  Es wird eine historische Nacherzählung des Bildes von Scherrer geben in historischen Kostümen. Auf die Frage, ob sie mitmacht, antwortet sie enthusiastisch "Nur als Jeanne d’Arc!" In der Sakristei der Chapelle Castrale betete Jeanne d’Arc täglich zur Mutter Gottes. Beobachtet hat dies ein Chorknabe, was bei der späteren Rehabilitierung von Jeanne d’Arc half – sie wurde ja als Hexe von den Engländern verbrannt. Neben der Kirche befindet sich noch der 600-jährige Lindenbaum, unter dem Jeanne die Stimmen vom Erzengel Michael, der heiligen Katherina und der heiligen Margerete empfing, sie solle Frankreich von den Engländern befreien und den Dauphin zur Kaiserkrönung führen. Auch die "Porte de France", ein Mauertor, ist auf dem Gelände. Hierunter zog Jeanne aus der Stadt aus zu ihrem "glorreichen Kampf".

Wir fahren weiter nach Domrémy-la-Pucelle, dem Geburtsort Jeannes. Hier steht noch das zweistöckige Geburtshaus – ihre Eltern waren wohlhabende Bauern. Im angegliederten Gedächtnisuzentrum kann man einen kurzen Film über ihr Leben und Wirken als Einstieg sehen. Nicht weit weg befindet sich die neoromanische Basilique du bois chenu, Gedächtnisbasilika Jeanne d’Arc. Sie erinnert ein wenig an Neuschwanstein mit ihrem Kitsch. Vor der Basilika findet sich ein Denkmal mit Jeanne d’Arc aus Marmor, kniend vor den schwarzen Skulpturen St. Michel, St. Margerite und St. Cathérine, die echt vergoldete Partien haben, wie z.B. Helm und Heiligenkranz. Mir geht die Geschichte sehr nah und ich freue mich, diese Orte gesehen haben zu dürfen! Ein spezieller Rundweg führt um Ereignisse rund um Jeanne d’Arc und kann zu Fuß oder auf dem Rad erkundet werden.

Die Region ist gut zu erreichen über Metz mit seiner TGV-Anbindung (französischer Hochgeschwindigkeitszug). Hier gibt es auch Sondersparpreise mit 29 € pro Strecke! In jedem Fall ein bezaubernder Landstrich, der eine Entdeckungstour lohnt!

Websites: www.franceguide.com (frz. Fremdenverkehrsamt) und www.tourismus-lothringen.eu

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