Berlin, BRD (Weltexpress). Steuern für Normalverdiener runter, Mindestlohn rauf: Die Handschrift der SPD habe Einzug in den Koalitionsvertrag gefunden, tönten die Sozialdemokraten gerade eben noch. Tatsächlich steht das so nicht im Papier, stellt die Union nun klar – und überführt die SPD (mal wieder) der Heuchelei.
Der Koalitionsvertrag der GroKo ist frisch gedruckt, gerade noch tönte die Juniorpartnerin SPD von angeblichen „Erfolgen“, die sie in winzigen Details dann doch erzielt haben will: zum Beispiel mehr Mindestlohn und weniger Steuern für Normalverdiener. Quatsch mit Soße, tönt es da aus der Union. Festgeschrieben sei das nicht, stellt deren Chef und Kanzler in spe, Friedrich (BlackRock) Merz, jetzt klar. Derlei Zugeständnisse hängen nämlich von der Haushaltslage ab, und diese wird, dank Kriegsetat und Reichenschonprogramm, nicht üppiger – im Gegenteil.
Man kann ihn direkt fühlen, den emotionsbefreiten merzschen Stinkefinger: ha, von wegen – reingelegt! Selbst das ist allerdings nur eine Show fürs Publikum. Nach mehr als 100 Jahren kontinuierlichen Verrats an der Arbeiterklasse nimmt den „Sozialdemokraten“ wohl kaum noch jemand die Rolle des Unschuldslamms ab.
Hohle Phrasen
Voraus ging dem vermeintlichen Disput mal wieder ein Griff in die Trickkiste: Man formuliert den Koalitionsvertrag so schwammig, dass alles offen bleibt. Die „GroKo“ wolle „die Einkommenssteuer für kleine und mittlere Einkommen zur Mitte der Legislatur senken“, heißt es da etwa, ohne sich genauer festzulegen. Und: Durch die Mindestlohnkommission sei „ein Mindestlohn von 15 Euro im Jahr 2026 erreichbar“ – eine leere Möglichkeitsfloskel.
Dass der Mindestlohn Ende 2022 aufgrund der Preisexplosion bei Energie und Lebensmitteln von 10,45 Euro auf 12 Euro angehoben wurde, war eine politische Entscheidung der Ampel, um den Schein der Wohltätigkeit nicht vollends zu verlieren. Besagte Mindestlohnkommission zeichnete sich bis dato eher durch Minischritte aus, die nicht einmal die Inflation auffingen. Alle zwei Jahre ein paar Cent pro Stunde mehr, das war die Regel – und ist es wieder: Heute bekommen Mindestlohnbezieher 12,82 Euro.
Kommission für Kapitalinteressen
Das verwundert nicht: Die vermeintliche Ausgeglichenheit in dieser Kommission durch jeweils drei Gewerkschaftsfunktionäre als „Arbeitnehmerseite“ und Vertreter der Wirtschaftslobby als „Arbeitgeberseite“ besteht nur theoretisch. So sind zwei weitere Mitglieder zwar gut getarnt als „wissenschaftliche Mitarbeiter“, in Wahrheit aber Lobbyisten für das Kapital. Auch die Vorsitzende Christiane Schönfeld hat eine erquickliche Karriere in der Bundesagentur für Arbeit (BA) hinter sich. Dass die DGB-Gewerkschaften unter dem Deckmantel „Sozialpartnerschaft“ selbst oft als verlängerter Arm der Wirtschaftsbosse fungieren: geschenkt.
Merz interpretiert es durchaus richtig: „Erreichbar“ wäre solch ein Mindestlohn von 15 Euro pro Stunde freilich – nur eben nicht mit dieser Kommission, die es vermeintlich richten soll. Das wissen CDU und CSU genauso wie die SPD. Man kennt die ganzen neoliberalen Argumente, um das zu rechtfertigen: Zu hohe Löhne verschreckten bloß das Kapital und gefährdeten somit den Wirtschaftsstandort Deutschland. Das stimmt sogar: Hungerlöhne garantieren raschen Maximalprofit – eine Binsenweisheit.
Spardiktat für die Masse
Bloße PR ist auch der notierte SPD-„Wunsch“, die Steuerlast für Beschäftigte mit kleinen und mittleren Lohneinkommen zu senken. Am Ende kann es dank gegenwärtiger Politik nur heißen, wie von Merz schon angedeutet: Die Staatseinnahmen waren leider nicht so doll, das Haushaltsloch ist riesig. Sorry, liebe Bürger, ihr müsst den Gürtel enger schnallen. – Man kennt das neoliberale „Argument“ seit 25 Jahren, Sozialabbau, Lohndumping und Auspressen der Massen seien „leider alternativlos“.
Die Staatskasse leeren werden nicht nur die jüngst noch durch das alte Parlament gepeitschten „Kriegskredite“ in unbegrenzter Höhe, was zu milliardenschwerer Zinsbelastung führen wird, die freilich aus dem Haushalt zu begleichen wäre. Die „GroKo“ sorgt überdies dafür, dass dieses Geld nicht hereinkommt – jedenfalls nicht von den Spitzenverdienern und reichen Konzernlenkern. Für sie gilt das gewohnte Schonprogramm.
Schonprogramm für Reiche
Die SPD weiß aber sehr genau, wie es anders liefe. Sie warb bis kürzlich noch dafür, den steuerfreien Grundbetrag für Erwerbseinkommen zu erhöhen, die Progression, also den Anstieg des Steuersatzes oberhalb bestimmter Einkommensgrenzen zu verlangsamen und sehr hohe Gehälter stärker zu besteuern.
Der Grundfreibetrag für Unverheiratete beträgt dieses Jahr 12.096 Euro, das ist gerade einmal ein mickriges Monatsbrutto von 1.008 Euro bei Steuerklasse eins. Für jeden darüber hinaus verdienten Euro hält der Staat die Hand auf: Mit 14 Prozent geht es los, dann steigt der Satz recht schnell. Für Monatseinkommen, die über 5.707 Euro hinausgehen, verlangt der Fiskus bereits 42 Prozent Steuern, und oberhalb eines Jahresbrutto von knapp 278.000 Euro werden 45 Prozent fällig. Das war’s jedoch: Auch Manager, die zehn Millionen jährlich kassieren, kommen über diesen Satz nicht hinaus.
Um die Haushaltskasse zu füllen und die wachsende Armut wirksam zu bekämpfen, könnte der Staat zum Beispiel alle individuellen Jahreseinkommen oberhalb von einer Million Euro mit 70, 80 oder gar 90 Prozent besteuern, dafür aber den Grundfreibetrag auf 36.000 Euro verdoppeln und die Progression verlangsamen. So wären alle bis in die obere Mittelschicht hinein weniger belastet. Zugleich würden sich die Vermögen viel langsamer ganz oben konzentrieren, der Staat hätte mehr Geld für Soziales. Doch das ist nicht gewollt.
Partei ohne Eigenschaften
So kommen Pläne für Steuererhöhungen für Bezieher von Millionengehältern im Koalitionsvertrag gar nicht vor. Um die SPD nicht zu vergrätzen, hat man hier lieber gar nichts vereinbart. Das räumte Merz auch ein: Wegen „Meinungsverschiedenheiten“ hätten die Verhandlungspartner dies offengelassen, begründete er. Das macht es nun der SPD so leicht wie immer: Was nicht zu ihrem Image passt, wird totgeschwiegen.
So knüpfen die „Sozialdemokraten“ an ihre lang geprobte „GroKo“-Rolle in der Merkel-Ära an: als Partei ohne Eigenschaften, um dem imperialistischen Kriegskartell beim Auspressen und Schikanieren der Lohnabhängigen tatkräftig zur Seite zu stehen – begleitet von einer Menge neoliberaler Propaganda.
Hartz IV und Niedriglohn, Leiharbeit und Rentenkürzungen, Sparprogramme im Gesundheitswesen und bei der Pflege: Das alles ist längst gelaufen – und war wohl nur der Einstieg. Mit Arbeitszeitverlängerung, Hungersanktionen gegen ungehorsame Erwerbslose, Rundumüberwachung und Kriegsvorbereitung beginnt unter Friedrich (BlackRock) Merz und Olaf (Cum-Ex) Scholz offenbar das nächste Level der „Agenda 2010“.
Anmerkung:
Vorstehender Beitrag von Susan Bonath wurde unter dem Titel „Arbeiter entlasten? – Merz: Oops, so war das aber nicht gemeint“ am 16.4.2025 in „RT DE“ erstveröffentlicht. Die Seiten von „RT“ sind über den Tor-Browser zu empfangen.
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im WELTEXPRESS.
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