Jean, der Maler, hat inzwischen das Trinken aufgegeben, Flenner liegt in der Klinik, dritter Bettenturm. Mit seinem „Absturz“ beginnt das Buch, das förmlich aus jeder Seite stinkt vor Alk und Rauch, Kotze und Grauen. In diesem fetten Alptraum Alfares spricht jede Zeile von selbsterlittenem und selbstgewähltem Delirium, einem vervielfachten Leben ohne Illusionen. Victor Flenner und seine Schwester Leira, Jean, Elvira, die Hausiererin und der einäugige Korbflechter – eine weggedröhnte Gesellschaft, die meist nicht viel mehr als die eigene Angst wahrnimmt. Flenner wurde in künstlichen Tiefschlaf versetzt und entwickelt auch nach dem Aufwachen kaum die Energie, ins Leben zurückzufinden.
Im diesem düsteren, von multiplen Abstürzen gezeichneten Buch gibt es nur zwei Lichtblicke, den Sohn des Malers und seine Mutter, Juliette. Ihr Streben nach einer Karriere und einem geistig gesunden Leben wird jedoch ins Groteske verzerrt, nur der Junge vermittelt zwischen den getrennten Eltern. Steht dem Vater bei. Die einzelnen Handlungs- und Figurenstränge sind kunstvoll miteinander verknüpft, das Aufwachen des natürlich erfolglosen Schriftstellers Flenner wird begleitet vom Absinken der anderen Protagonisten in ihrem jeweils eigenen Sumpf. Tabletten, Alkohol, Inzest, Suizid. Das ist furchtbar und doch sehr lebensnah und nachvollziehbar gestaltet, erschreckend, abstoßend, mitleiderregend.
Stefan Alfare, Jahrgang 1966, lebt in Wien schöpft in seinem Büchern aus den Erfahrungen seiner direkten Lebensumwelt, Obdachlosenasyl, Friedhof, Kneipe. Er hatte selbst sechs Jahre als Sargträger gearbeitet, bevor seine Romane im Luftschaft-Verlag erschienen, übereinstimmender wird selten Literatur geboren.
Fazit: ein sauguter, ekelhafter Gossenroman, nichts für zarte Gemüter!
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Stephan Alfare, Der dritte Bettenturm, Roman, 391 Seiten, Luftschacht-Verlag, Wien, März 2011, 22,- €