Es ist nicht auszuschließen, dass der Regisseur sich sehr viele Gedanken gemacht hat .Diese bühnenwirksam umzusetzen, ist ihm jedoch nicht gelungen. Vor allem aber hat Andreas Kriegenburg dafür gesorgt, dass alle SchauspielerInnen unter seiner Führung ihre Rollen in den Sand gesetzt haben und dass keine und keiner von ihnen eine überzeugende schauspielerische Leistung erbringen konnte.
Daniel Hoevels als Puck steht mit einem Sektglas in der Hand herum wie ein Schuljunge des gehobenen Bürgertums aus den 60er Jahren und berichtet gelegentlich mit gebotener Coolness von seinen Streichen. Seine wie auch die Texte der Anderen werden häufig von beständig abgedudelten feierlichen Gesängen übertönt. Gesprochen wird meistens leise und langsam. Gelegentlich wird auch gebrüllt, was schneller passiert, ohne der Aufführung Tempo zu bringen, und irgendeine Form von Spannung kommt ebenfalls nicht auf.
Das dekorative Bühnenbild hat Kriegenburg selbst entworfen. Es ist ein riesiges Gewächshaus, seitlich begrenzt durch verglaste Drahtgitter, die mit Zweigen und Blättern besteckt sind. Das ist hübsch anzusehen, aber offensichtlich handelt es sich nicht um einen wilden Wald, in dem Unheimliches und Grauenvolles, Poetisches und Verzauberndes geschehen könnte.
Statt Gewächshaus ließe sich auch Treibhaus sagen, ein Wort, in dem Lüsternheit mitschwingt, obwohl es ebenfalls für ein von Menschen domestiziertes Gebilde steht, in dem die Natur unter Kontrolle gehalten und unerwünschter Wildwuchs ausgemerzt wird.
Um Gestalt annehmende Naturgewalten ging es Kriegenburg vermutlich auch nicht, sondern eher um die Abgründe menschlicher Seelen wie sie in Träumen zum Ausdruck kommen oder im Rausch. Das Zaubermittel, das Oberon und Puck verabreichen, ist wohl so etwas wie eine Partydroge, die Hemmungen zum Verschwinden bringt und zu Partnertausch oder sodomitischen Phantasien anregen kann. So etwas kommt vor, und wenn es so beiläufig dargeboten wird wie in dieser Inszenierung, ist es nicht besonders aufregend.
Neben den agierenden Menschen und Elfen, die einander allzu ähnlich sind, taucht auf der Bühne ein gutes Dutzend junger Leute auf, deren Funktion darin besteht, mit Handys an den Ohren herum zu laufen wie auch darin, auf dem Boden liegend, den pflanzlichen Untergrund darzustellen, auf dem Hermia sich niederlegt.
Für schöne Überraschungen hat lediglich Kostümbildnerin Andrea Schraad gesorgt. Da ist Puck plötzlich kopflos, weil ihm ein dichtes Schilfbüschel aus dem Kragen wächst, oder es erscheinen Menschen, deren Köpfe unter kugelig zurechtgestutzten Baumkronen oder kunstvoll verästeltem kahlem Gezweig versteckt sind.
Hauptfiguren in dieser Inszenierung sind eigentlich die Handwerker. Sie führen zu Beginn in die Geschichte ein, bringen am Ende in aller Breite das Rüpelspiel von Pyramus und Thisbe zur Aufführung, das zuvor von ihnen ausführlich geprobt, diskutiert und nacherzählt wurde, und übernehmen auch Pucks entschuldigende Schlussworte ans Publikum, obwohl die biederen Männer doch eindeutig Opfer und nicht Verursacher der Verwirrungen waren.
Bei Kriegenburg sind die Handwerker, ein Mann und vier als Männer verkleidete Frauen, allesamt Fensterputzer. Sie reinigen die Scheiben des sich gemächlich um sich selbst drehenden Gewächshauses und philosophieren über Traumdeutung, wobei sie Walter Benjamin, Petra Gehring und Sigmund Freud zitieren. Die zur Schau getragene Bildung tut der Einfältigkeit und Tumbheit der Unterschichtmänner jedoch keinen Abbruch.
Häufig stehen oder sitzen sie nebeneinander vorn an der Rampe, und die Frauen mit angeklebten Schnauzbärten parodieren Macho-Gehabe. Das erinnert an feministisches Studentinnenkabarett aus den 80ern.
Margit Bendokat (Flaut) kann zwar auch Pointen setzen, die eigentlich keine Pointen sind, aber wenn sie einen der absichtlich dümmlichen Gags so lange wiederholen und zerdehnen muss, bis ein paar gehorsame Lacher im Publikum zu hören sind, dann ist das eher unerfreulich.
Die beste Möglichkeit, diesen Theaterabend hinter sich zu bringen, wäre wohl die, sich genüsslich in einem der weichen Sessel im Zuschauerraum zurückzulehnen, einzuschlafen und etwas Anderes zu träumen.
„Ein Sommernachtstraum“ nach William Shakespeare hatte am 24.09. Premiere im Deutschen Theater. Weitere Vorstellungen: 28. und 30.09. sowie 05., 08., 10. und 14.10.2010.