Die zerbrechlich wirkende alte Dame besaß eine schier unerschöpfliche Spielfreude. Gloria Stuart war so alt wie die Filmstadt selbst. Am 4. Juli 1910 wurde in Santa Monica geboren. Nur drei Monate zuvor hatte D. W. Griffith den ersten aller Hollywoodfilme gedreht. In einigen der unvergesslichen Klassiker von ihnen sollte Stuart mitspielen. Ihre Schauspielkarriere begann sie als Darstellerin in kleineren Bühnenproduktionen, doch ihr außergewöhnliches Talent fiel selbst hier den Produzenten der Universal Studios auf. Im Jahre 1932 gab Gloria Stuart ihr Kinodebüt an der Seite von Melvyn Douglas, Boris Karloff und Raymond Massey. Gleichzeitig war es ihre erste Hauptrolle, die ihr auch ihre nächste Filmrolle als Geliebte von Claude Rains eintrug. Noch keine 23, wurde sie von den Publicity- und Medienagenten unter die WAMPAS gewählt, eine Auswahl jener junger weiblicher Talente, die das meiste Star-Potential besaßen. „It“-Girl Clara Bow, Joan Crawford und Mary Astor hatten zu den Siegern der Wahl gezählt. Im selben Jahr wie Stuart gewann auch Ginger Rogers.
„Sie wollten aus mir ‚Die neue Jean Harlow‘ machen.“, bemerkte die für ihren lakonischen Humor bekannte Gloria Stuart einmal. „Stattdessen stellte sich heraus, dass Jena Harlow die neue Jean Harlow war.“ Als die ihr angebotenen Rollen anspruchsloser wurden, kehrte sie an die Bühne zurück. Das Kino gewann Gloria Stuart erst 1986 zurück. Nachdem sie vierzig Jahre nicht auf der Leinwand erschienen war, spielte sie neben Goldie Hawn und Woody Harrelson in der Komödie „American Wildcats“. Erst elf Jahre später übernahm sie wieder eine Kinorolle. Der Part sollte ihr bekannteste werden, der ihr Nominierungen für den Golden Globe und den Oscar als beste Nebendarstellerin eintrug. Unter der Regie James Camerons spielte sie in „Titanic“ die gealterte Rose. Ursprünglich war die Rolle für Kathrine Hepburn vorgesehen, die sich jedoch zurückgezogen hatte. Fay Wray, die zweite Wahl der Produzenten, war nicht mehr aktiv. Wie ihre Kollegin Wray hatte Gloria Stuart ihre ersten Erfolge in Horrorfilmen gefeiert. Nicht die opulenten Dramen, sonder ihre beiden ersten Filme bezeichnete sie später als ihre liebsten: „The Old Dark House“ und „Der Unsichtbare“.
Eine Unsichtbare schien die Schauspielerin selbst zu oft, deren Begabung meist jenseits der Leinwand erblühte. Auch die Nachricht vom Tod der alten „Rose“ wurde überschattet von den Todesmeldungen über Tony Curtis. Drei Tage vor ihm, am 26. September, verstarb Stuart in Los Angeles. Gloria Stuarts Stern war nicht der hellste am Filmhimmel. Doch kein Stern strahlte länger als ihrer.