Berlin, Deutschland (Weltexpress). Eine Plage für Seeleute und Reeder ist nach wie vor Piraterie. Nachdem sie mit geballter Marinekraft in der Straße von Malakka und am Horn von Afrika zurückgedrängt wurde, greift sie jetzt vor Westafrika wieder verstärkt um sich.
Viele Piratenfilme suggerieren noch ein geradezu sozialromantisches Bild dieser Geißel der Meere. Sie bleibt dennoch ein organisiertes Verbrechen.
Siegfried Kohlhammer hat die Geschichte der Piraterie jetzt aufgearbeitet. Ihr Bild unterlag durch Jahrhunderte einem Wechsel – bis heute. Sie galt neben Krieg, Seuchen und Hungersnöten als Feind der Menschheit. Dennoch erfuhren Freibeuter ab dem 17. Jahrhundert eine soziale und politische Aufwertung. In der aufklärerischen Literatur wurden sie romantisiert, seit den frühen achtziger Jahren gefeiert, entweder als Rebellen und Vorkämpfer für Freiheit und Gerechtigkeit oder als hedonistische Anarchisten.
In jüngster Vergangenheit hat man eine nach ihnen benannte Partei gegründet und sie zur Pop-Ikone stlisiert.
Das „zweitälteste Gewerbe der Welt“ hat bis in unsere Gegenwart nichts von seiner Brutalität und Skrupellosigkeit eingebüßt. Siegfried Kohlhammer geht Verzerrungen und Verkehrungen historischer Fakten auf den Grund und zeigt eindrucksvoll, welche Rolle Piraten bei imperialistischen Eroberungsfeldzügen und der Sklavenjagd spielten. Heute geht es den organisierten Banden nur noch darum, durch brutale Gewaltaktionen hohe Lösegelder von den Reedern zu erpressen. Wobei arme Seeleute allein die Opfer sind, wenn ihr Frachter vor Asien oder Afrika gekapert wird. Der Rezensent hat selbst zwei Attacken in Südostasien und im Roten Meer miterlebt und an einem Buch über die Kaperung eines deutschen Containerschiffes vor Somalia mitgewirkt.
Piraten taugen, so belegt es Kohlhammer, keinesfalls als sozialromantische Kultfigur. Ihre sozialen Hintergründe heutzutage wären eine Dissertation wert, ginge es doch hier um eine weit ausholende wissenschaftliche Aufarbeitung politischer und historischer Entwicklungen.
Das alles kann ein Band von 168 Seiten nicht leisten. Gleichwohl bietet die angehängte Bibliographie genügend Möglichkeiten, das Thema zu vertiefen und unter diversen Aspekten zu betrachten.
Bibliographische Angaben
Siegfried Kohlhammer, Piraten. Vom Seeräuber zum Sozialrevolutionär, 168 Seiten, fester Einband, Format: 11,50 x 18,50 cm, Verlag: Zu Klampen Verlag, Berlin, 1. Auflage, 17.1.2022, ISBN 978-3-86-674612-1, Preise: 16 EUR (Deutschland)