Die Geschichten aus Mauritius enttäuschten mich nicht: Es gab Maharadschas, raschelnde Saris, gelbe Ingwerblüten. Feigenbäume und tanzende Feen. So zog ich ein wenig gerührt den unscheinbaren Rücken des Buches aus dem Regal, als ich ihn, eingequetscht zwischen litauischen und niederländischen Märchen, entdeckte – und war bestürzt. Hielt ich doch, was in meiner Erinnerung voller bunter Blumen und Vögel war, als schmales, komplett schmuckloses Taschenbuch in der Hand. Das Cover von oben bis unten in schwarz. Allein der Titel unterbricht, weiß gesetzt, diesen pechfinstren Gräuel einer Märchenausgabe”¦“
Was die Schriftstellerin Claudia Rusch in ihrem Textbeitrag „Mein Märchenbuch“ hier beschreibt, kennzeichnet das gesamte Sachbuch über die DDR Medien und das Profil des feinen Panama-Verlages an sich. Schon mit „Vergnügen in der DDR“ hatten die Verleger 2009 bewiesen, dass ein wissenschaftlicher Anspruch mit kurzweilig zu lesenden Texten korrespondieren kann. Auch diesmal besticht die Gestaltung der Textsorten durch Leichtigkeit und Experimentierfreude, verschiedener Satz betont die unterschiedliche Autorenschaft, die Themen sind in die Gruppen lesen, sehen, inszenieren, hören und spielen unterteilt. Alle Aspekte der Medienlandschaft werden darin umfassend abgehandelt, von der Fernseh-Architektur bis zur Musikbox mit Volkserziehungsauftrag. Kinderwerbefilme mit Knetpanzern hatten im DDR-Kosmos ebenso ihren Platz wie die Fischer von Capri im Sonnenuntergang”¦
Neben den Wissenschaftlern kommen Praktiker zu Wort, ein ehemaliger Tänzer, eine Dramaturgin, ein Samisdat-Zeitschriftenkopierer, ein Radioautor”¦ und Claudia Rusch, die sich 2003 mit Meine freie deutsche Jugend mutig und un-ostalgisch von ihrer Kindheit losschrieb. Dass sie für diese Publikation keine autobiografischen Fotografien verwendete, verdankt sie ihrem Mentor Wolfgang Hilbig, der davon abriet; „nur Texte, die sich nicht selber tragen können, brauchen optische Unterstützung.“ Heute ist Claudia Rusch froh über diesen Tipp des Meisters und resümiert im vorliegenden, übrigens angenehm bebilderten Sachbuch, „der Reiz der Literatur liegt ja gerade darin, sich von persönlichen Vorstellungen ins Geschehen ziehen zu lassen”¦ Und genau deshalb sind mir Tschandrawati und ihr Blumenlager bis heute in farbenfroher, lebendiger Erinnerung – ungeachtet ihres Äußeren”¦ Danke, Reclam.“
Danke Panama!
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Stefan Zahlmann, Wie im Westen, nur anders, Medien in der DDR, 424 S., Panama Verlag Berlin, 29, 90 €