„Diese gemeinsame Präsentation hat sich bewährt und schafft ein gutes Umfeld für die nahezu 60 Standpartner aus ganz Hessen, für die der Kontakt zu Fachbesuchern aus aller Welt im Mittelpunkt steht“, bekräftigte Dieter Posch, Wirtschaftsminister in Hessen. Er hatte zum Auftakt des schon traditionell stattfindenden hessischen Pressefrühstücks das Partnermodell als erfolgreiche Aktion gewürdigt und damit auch die Kosten der hessischen Vorstellung auf der ITB als sinnreich gewürdigt. Immerhin trägt die Landesregierung mit 186 000 Euro auch dieses Jahr die Hälfte der Kosten für den Gemeinschaftsstand für die Tage 10. bis 14. März 2010 in Berlin, den die Hessen Agentur und die Tourismusgesellschaften der Städte Frankfurt und Wiesbaden gestalten.
Diese Zusammenarbeit ist fast zwangsläufig, denn anders als in anderen Bundesländern, wo mit den Landeshauptstädten eindeutige touristische Ziele gesetzt sind, muß man für Hessen sagen, daß es sich aufteilt in einen personen-, geld- und wirtschaftsstarken Ballungsraum Rhein-Main, der mit Mainz auf der einen und Aschaffenburg auf der anderen Seite zwei weitere Bundesländer tangiert, und das übrige Hessen, das durch Mittelgebirge und fluß- und waldreiche Gebiete eine außerordentlich attraktive Reisestruktur besitzt. Diese beiden Dinge in ein überzeugendes Gesamtkonzept zu binden und dem Welttourismus vorzustellen, ist keine leichte Sache, weil Äpfel und Birnen zwar Obst sind, aber als Sorten etwas Unterschiedliches repräsentieren und auch so touristisch verkauft werden müssen, sprich einerseits Geschäftsreisende anzusprechen und andererseits Hessen als Urlaubsland darzustellen.
Dieses strukturelle Problem hat im Zielgebiet Frankfurt Rhein Main nun seit einer Reihe von Jahren zu zwei wichtigen Veränderungen geführt: die einzelnen Städte und Ortschaften wurschteln nicht mehr alleine, sondern im Verbund, und ihr gemeinsamer Kern ist die überaus reichhaltige Kulturlandschaft, die nun gemeinsam vertreten wird und auch bei den Bewohnern so etwas wie eine kulturelle regionale Identität erzeugen soll und es auch tut. Dazu gehören gemeinsame kulturelle Unternehmungen wie das „Phänomen Expressionismus“, das derzeit die inhaltliche Klammer für den Kulturtourismus darstellt.
Wenn Wirtschaftsdezernent Frank betont: „Des weiteren gehört zum Tourismus in Frankfurt neben den Übernachtungstouristen auch Tagestouristen. Eine Studie zum Wirtschaftsfaktor Tourismus in Frankfurt am Main hat eindrucksvoll die wirtschaftliche Bedeutung dieser Besucher belegt, von der hauptsächlich Einzelhandel und Gastronomie profitieren“, dann geht es nicht um das einmalige Dabeisein, sondern: „Nicht zu unterschätzen ist auch das Image, das durch diese regionalen Besucher transportiert wird. Deshalb ist auch wichtig, in dieser Zielgruppe zu werben. Marketingaktionen wie ’Zu Gast in der eigenen Stadt’ oder das Varieté-Wochenende richten sich ebenfalls an die Bewohner der Region und tragen ebenso zum positiven Image der Stadt bei wie die Stadtevents, zu dem dieses Jahr auch wieder ein Public Viewing zur Männer-Fußball-WM in Südafrika zählt.“
Diese neue Orientierung auf den einheimischen touristischen Markt geht einher mit der Interpretation der Gästezahlen und den daraus folgenden Schlüssen. Der Einbruch im Tourismus, der auch für Hessen euphemistisch ausgedrückt eine „Wachstumspause“ bedingte – nach wachsenden Steigerungen der Übernachtungszahlen seit 2004, konkret von 27, 3 Millionen für das Jahr 2008, gab es erstmals Rückgänge um 1,5 Prozent im Jahr 2009 auf 26, 9 Millionen Übernachtungen. Diese Nächte muß man gegenüberstellen den 11,2 Millionen „Ankünften“, die um 2,9 Prozent zurückgingen, was bedeutet, daß weniger Gäste kamen, aber geringfügig länger blieben, allerdings nur im Schnitt gut zwei Nächte. Dabei sind es vor allem ausländische Gäste, die um 7 Prozent zurückgingen.
Die Hessen gaben auch eine interessante Statistik mit auf den Weg, dernach in Deutschland insgesamt die Anzahl der Übernachtungen von 2004 auf 2009 von 333,8 Millionen auf 368,7 Millionen gestiegen ist, für die Bundesländer aber völlig unterschiedliche Zahlen herauskommen, die eindeutig aussagen, die Städtereisen liegen in Deutschland im Trend. Spitzenreiter ist Berlin mit einem Zuwachs in fünf Jahren um 42 Prozent! Aber auch Hamburg kommt auf 37,8 Prozent, Bremen auf 15,2 Prozent, während Bayern im gleichen Zeitraum nur um 2,1 Prozent zunahm. Das allerdings auf hohem Niveau. Denn die wirklichen Zahlen weisen im Jahr 2009 für Bayern 75,2 Millionen Übernachtungen auf und für Berlin „nur“ 18,9 Millionen.
Darum ist es interessant, Prozentzahlen grundsätzlich auf die eigentliche Aussagekraft hin anzuschauen. Das gilt auch für das Verhältnis von deutschen und ausländischen Gästen in Hessen. Die 26,9 Millionen Übernachtungen in Hessen wurden überwiegend von deutschen Gästen wahrgenommen, also verstärkt Urlaubern. Bei den Ausländern, die meist als Geschäftsreisende fungieren, führen die USA, gefolgt von den Niederlanden, England, Japan, China und Indien. Die allerdings, so denkt man, sieht man zu Hauf in FrankfurtRheinMain, wie der neue Begriff heißt, der die Gesamtregion anzeigen soll. Denn dort finden die meisten Messen, Kongresse, wirtschaftliche Ereignisse statt, die allerdings im letzten Jahr zu Gästeeinbußen um 20 Prozent geführt haben.
Genau dies, Verlust bei Geschäftsreisenden, Gewinn bei Urlaubern und Städtereisenden, ist es, die ein Umsteuern in der Bewertung des Reiselandes Hessen bewirkt haben. Übereinstimmend bezeichneten Minister Posch und seine Kollegen aus Franfurt und Wiesbaden die Kultur als den Träger der Werbemaßnahmen: „Wie im vergangenen Jahr wurde in Berlin druckfrisch die neue Broschüre “Kulturreisen in Hessen 2010“ vorgestellt. Die Broschüre enthält auch in diesem Jahr wieder über 50 kulturelle Angebote: von den Bad Hersfelder Festspielen bis zur Ludwig Kirchner Ausstellung in Frankfurt, die mit einem konkreten Reiseangebot verknüpft sind. Höhepunkt des reichhaltigen Veranstaltungsangebots dürfte dabei die 4. Hessische Landesgartenschau in Bad Nauheim sein, die am 24. April ihre Pforten öffnet.“
Stadtrat Frank hatte beim Trend zum Urlaub im eigenen Land und zu Städtereisen auf den außerordentlichen Erfolg der Botticelli-Ausstellung im Frankfurter Städel mit 367 000 Besuchern hingewiesen und gefolgert: „Hierbei werden wir auch weiterhin auf den Schwerpunkt Kunst und Kultur setzen. So hat sich das touristische Marketing der Stadt auf das Museumsufer Frankfurt konzentriert.“ Endlich, kann man als Fachkundiger dazu nur sagen. Denn der starre Blick auf die Geschäftsreisenden, die durch den nahen und erfolgreichen Flughafen Frankfurt und die Wirtschaftskraft der Region angezogen, nach Frankfurt kommen, kann deren Zahlen nicht nach oben treiben. Das vermögen nur die konjunkturellen Aufschwünge. Aber die Privatreisenden, die immer mehr werden, haben in Frankfurt und der gesamten Region ein so reichhaltiges kulturelles Angebot, das deutschlandsweit anzupreisen, längst hätte erfolgen müssen und sicher einen Aufwärtstrend bescheren. Die nächste ITB mit den nächsten Zahlen werden es weisen.