Zwischen Wodka, Stutenmilch und Pekingente – Im „Zarengold“ von Moskau nach Peking

Moskau - Abfahrt des "Zarengold" am Kasaner Bahnhof

Es ruckt und schaukelt. Der „Zarengold“ macht einen Bremstest. Dann setzt er sich langsam Richtung China in Bewegung. Moskau war nur die Ouvertüre zu einer 7.800 Kilometer langen Bahnreise. Mittags ein Vier-Gänge-, abends ein Drei-Gänge-Menü, damit muss der Magen in den kommenden elf Tagen fertig werden. Er schafft es problemlos sowohl bei Borschtsch, Soljanka oder Schtschi als auch bei Kaviar, Rindfleisch nach Tatarenart und Kohlrouladen í  la Babuschka.

„Schlafen kann man erst ab der zweiten Nacht“, hatte Alfred aus Köln während des Essens verkündet. Da helfe auch kein Wodka. Der Zug rumpelt und quietscht. Aufgrund der großen Abstände zwischen den einzelnen Schienen, fühlen sich 80 Kilometer Höchstgeschwindigkeit erheblich schneller an. Rattatadong. Rattatadong.

Birken-, Lärchenwälder und verschlafene Holzhausdörfer säumen die Trasse. Nach 800 Kilometern erreicht der Zug den ersten Haltepunkt. „Kasan an der Wolga, die Hauptstadt Tatarstans, ist multikulturell“, erklärt Anatoly Dolgov, Deutschlehrer und während der Sommermonate als Reiseleiter auf der Transsib unterwegs: „Hier leben orthodoxe Russen und moslemische Tataren friedlich miteinander.“ 1552 wurde die Stadt von Ivan IV, dem Schrecklichen, erobert und an Russland angegliedert. Die Basilius-Kathedrale mit ihren neun buntverzierten Zwiebeltürmen am Roten Platz in Moskau wurde zu Ehren dieser Schlacht errichtet.

Nach drei Tagen und über 3.000 Kilometern trifft der „Zarengold“ pünktlich auf die Minute in Nowosibirsk am Ob ein. Es ist erst 117 Jahre alt und verdankt seine Entstehung dem Bau der Transsibirischen Eisenbahn. Nach weiteren 2.000 Kilometern durch die sibirische Taiga ist Irkutsk, die Hauptstadt Ostsibiriens, erreicht. „Im Gegensatz zur jungen Stadt Nowosibirsk erhielt Irkutsk bereits 1686 das Stadtrecht“, erzählt Stadtführer Viktor Iwanow: „So wie St. Petersburg das Tor nach Westen war, wurde Irkutsk das Tor zum Osten Richtung Mongolei und China.“ In Irkutsk beeindrucken reich verzierte Holzhäuser aus dem 19. Jahrhundert. Bis zum südwestlichen Ende des Baikalsees sind es von hier noch 70 Kilometer. Doch der 670 Kilometer lange, fischreiche See ist seinen Besuchern nicht wohl gesonnen und umhüllt sich nach und nach mit einer Nebeldecke. Martin aus Hamburg hat sich fest vorgenommen, bei zwölf Grad Lufttemperatur ein erfrischendes Bad zu nehmen. Mit einem Handtuch im Arm steht er am Fenster und hält nach der Badebucht am Kilometer 110 Ausschau. Beim Eintreffen in Maritui, wo ein Picknick mit Sonnenuntergang geplant ist, klatschen die ersten Regentropfen gegen die Zugfenster. Statt auf dem Grill am Seeufer wird das Schaschlik in den vier Bordküchen zubereitet. Aus dem Sonnenuntergang ist inzwischen eher ein Weltuntergang geworden. Wind heult auf. Die Temperatur sinkt auf 2 Grad. Martin hat sein Badelaken längst wieder im Koffer unter seinem Bett verstaut.

Der Zug tuckert weiter – vorbei an Bergen, die bis zu den Gipfeln mit Gras bewachsen sind, durch Steppe, die immer wieder von breiten Flüssen und glitzernden Seen unterbrochen wird. Ulan-Bator, die Hauptstadt der Mongolei, empfängt den „Zarengold“ mit Sonnenschein und blauem Himmel.

„Sajn bajn uu? – Guten Tag“, grüßt Purevdorj vor seiner Jurte, die auf Mongolisch „Ger“ heißt. 80 Kilometer vor der Stadt hat er mit weiteren Familienmitgliedern vor zwei Wochen sein Frühjahrslager aufgeschlagen. Bevor seine Frau Enkhtuya den Gästen Milchtee mit Salz und Airag (vergorene Stutenmilch) anbietet, reicht ihr Mann sein Schnupftabakfläschchen als Willkommensgruß. „Überwintert haben wir an einem geschützteren Ort tiefer in den Bergen“, erzählt der 70-jährige Viehhirte: „Mindestens viermal im Jahr ziehen wir um. Der Aufbau einer Jurte dauert ja nur zwei Stunden.“ Draußen wird es laut. Einer der Schwiegersöhne treibt eine Herde Pferde ins Gatter. „Außer Kamelen haben wir alle wichtigen Nutztiere“, sagt: Purevdorj: „70 Pferde, 40 Rinder, 70 Schafe und 20 Ziegen.“

Die mongolische Steppe geht allmählich in die Wüste Gobi über. Mal ist sie eben, mal türmen sich hohe ockergelbe Sanddünen. In Erlian an der chinesischen Grenze endet der Sonderzug. Er wird andere Touristen, die in entgegengesetzter Richtung reisen, nach Moskau zurück bringen. Aufgrund der unterschiedlichen Spurweiten in Russland und China ist ein Umstieg in einen chinesischen Zug erforderlich. Es folgen drei Tage Sightseeing in Boomtown-Peking zwischen Verbotener Stadt und Großer Mauer. Ein Peking-Enten-Burger in einem Fünf-Sterne-Restaurant ist der Schlussakkord.

Der Traum, einmal mit der Transsibrischen Eisenbahn zu reisen, ist zu Ende. Mit dem Flieger geht es zurück nach Frankfurt. Und irgendwo 11.000 Meter tiefer rollt auch er zurück von Asien nach Europa: der „Zarengold“. Rattatadong, Rattatadong.

Information

Reisetermine:
Regelzüge fahren ganzjährig. Der Sonderzug „Zarengold“ fährt an zehn Terminen von Mitte Mai bis Ende September von Moskau nach Peking und umgekehrt.

Preise:
16 Tage mit Vor- und Nachprogramm in Moskau und Peking inklusive Linienflug, Hotel-Übernachtungen, Besichtigungen, Verpflegung und Reiseleitung zwischen 3.410 und 10.535 Euro pro Person je nach Waggon-Kategorie, Aufpreise bei Abteilalleinbenutzung. An einigen Terminen Saisonzuschläge.

Weitere Reiseangebote rund um die Transsib:
17 Tage von Moskau nach Wladiwostok, zwischen 3.760 und 6.320 Euro pro Person
10 Tage von Moskau an den Baikalsee (Irkutsk), zwischen 2.660 und 4.530 Euro pro Person
14 Tage Baikalsee-Kreuzfahrt und mit der Transsib nach Moskau, zwischen 3.610 und 5.580 Euro pro Person
23 Tage von Moskau nach Peking mit Mongolei-Rundreise als Verlängerung, zwischen 4.760 und 11.895 Euro pro Person

Veranstalter:
Lernidee Erlebnisreisen, Eisenacher Straße 11, 10777 Berlin, Tel.: 030 786 00 00, Fax: 030 786 55 96, www.lernidee.de

Reisen auf der Transsibirischen Eisenbahn (im Sonderzug „Zarengold“ und in Linienzügen) sind auch buchbar bei:
Schnieder Reisen – Cara Tours GmbH, Hellbrookkamp 29, 22177 Hamburg, Tel.: 040 3802060, Fax 040 388965, www.baltikum24.de, www.transsib24.de
Reisebeispiel: Berlin – Moskau – Wladiwostok – Berlin (4-wöchige Privat-Select-Reise ab 2 Personen) 5.080 – 5.495 Euro pro Person

Deutschsprachiger Spezialanbieter für Mongolei-Reisen:
Tsolmon Travel Co. Ltd
., Ulan-Bator, Mongolei, Tel. +976 11 322870, www.tsolmontravel.com

Das Transsib-Abenteuer beginnt am Kasaner Bahnhof in Moskau. Galina und Nelli, die beiden Provodnikas (Zugbegleiterinnen), erwarten ihre Gäste vor Waggon Nummer 12 auf Bahnsteig 7. Das Abteil ist eng: zwei dunkelgrün bezogene Sitzbänke, die abends in Betten verwandelt werden, dazwischen ein kleiner Klapptisch unterhalb des Fensters. An den beiden Wagenenden befindet sich jeweils eine Toilette, und 18 Reisende teilen sich eine geräumige Dusche. Klingt unhygienisch. Ist es aber nicht. Die Schaffnerinnen halten „ihren Waggon“ gut in Schuss. Wer es komfortabler haben möchte, muss auch mehr zahlen.

Literatur:
Transsib-Handbuch „Unterwegs mit der Transsibirischen Eisenbahn“ Hans Engberding, Bodo Thöns Trescher-Reihe 5. Auflage, 2008 19,95 Euro

Transsib-Lesebuch „Reiseerlebnisse“ Bodo Thöns, Hans Engberding (Hrsg.) Trescher-Reihe 1. Auflage, 2002 14,95 Euro

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