Eine weitere Nebenwirkung: da die meisten Gäste ausbleiben, werden die Hälfte bis zwei Drittel des Kurpersonals nach Hause geschickt. Mit dem Ergebnis, dass die Patienten in Behandlungstermine von sieben bis fünfzehn Uhr gezwängt werden, was zur Verärgerung führt. Die Kulturabteilung hat die beliebten Konzerte und Folkloreprogramme im grossen Saal des Kulturzentrums gestrichen. Die Auftritte eines Duos oder Trios im Kleinen Saal oder in der »Slowakischen Bierstube« gleichen das nicht aus. Die Gäste langweilen sich, der Aufenthalt wird immer unattraktiver. Auch Hoteldirektor Frantisek Galo betrachtet die Abwärtsspirale mit Sorge. Dabei kann man dem Heilbad Piestany eine unverändert gute Qualität der Kurbehandlung bescheinigen. Daran will das Management auch festhalten – das ist das Pfund, mit dem es wuchern kann.
Nicht besser als in Piestany steht es im Heilbad Trencianske Teplice, unweit von Piestany, wo im Januar von 900 Betten 250 belegt waren. Auch in Karlovy Vary (Tschechische Republik), einer anderen Hochburg der Danubius Hotel Group, geht das Geschäft schlecht.
Da ist es unverständlich, dass das Unternehmen alle langfristigen Verträge mit den Reisebüros gekündigt hat und nur noch Verträge für ein Jahr schließt. Aus der Preisliste für 2010 wurde der Rabatt für einen längeren Aufenthalt – 21 bzw. 28 Tage bleiben, aber nur 19 bzw. 25 zahlen – gestrichen. Es sei denn, der Kunde bucht direkt im Heilbad. Das wiederum steht in keiner Preisliste. Der Anreiz für die langjährigen Kunden der Reisebüros entfällt.
Sind die Heilbäder Piestany in der Krise? Hans Dieter Bergmann, Direktor für Verkauf und Marketing, verneint das. Trotz des Umsatzrückgangs sei das Unternehmen auch im Krisenjahr 2009 erfolgreich gewesen und habe keinen Verlust gemacht. Es habe sogar seinen Beschäftigten vier Prozent mehr Gehalt gezahlt und keine Entlassungen vorgenommen. Nur 79 Stellen von in Rente gegangenen Angestellten sind nicht wieder besetzt worden. Mit 1200 Beschäftigten sind die Slowakischen Heilbäder der größte Arbeitgeber in Piestany, ein wichtiger Stabilitätsfaktor in einer Stadt mit 4 000 Erwerbslosen bei 33 000 Einwohnern.
Wie aber kommt es, dass im Gegensatz zu anderen Jahren so viele Gäste wegbleiben? Bergmann erklärt das mit der Wirtschaftskrise und dem Zusammentreffen verschiedener »objektiver Schwierigkeiten«. Die slowakischen staatlichen Krankenversicherungen zum Beispiel waren durch ihre Fusion im vergangenen Jahr organisatorisch fast lahmgelegt und haben die Genehmigung von Kuren für slowakische Patienten gestoppt. In den Wintermonaten hatte das Management mit einem Ansturm aus den arabischen Ländern gerechnet. Der aber blieb aus, weil die in den europäischen Medien hochgespielte Schweinegrippe zur völligen Verunsicherung der Kunden geführt hat. Die meisten haben ihre Kur abgesagt – eine unerwartete Fernwirkung der verantwortungslosen Propaganda der Weltgesundheitsorganisation und der deutschen Bundesregierung.
Der Kurgast nimmt die Situation jedoch anders wahr. Seit 2002 sind die Preise der Heilkur um 34,3 Prozent gestiegen, allein im Jahre 2010 um 7,3 Prozent. Bei sinkenden Reallöhnen und stagnierenden Renten in Deutschland können viele Patienten die Mehrausgabe von etwa 400 Euro bei einer dreiwöchigen Kur nicht mehr aufbringen. Zudem hat die permanente Aufwertung der Slowakischen Krone die Nebenausgaben für Dienstleistungen, Kulturveranstaltungen, Gaststättenbesuche und Kleineinkäufe verteuert. Betrug der Briefkurs zum Euro im Januar 2002 noch 42,03 zu eins, so wurde er mit der Einführung des Euro in der Slowakei am 1. Januar 2009 mit 30,1260 gleich 1 Euro fixiert – eine Aufwertung um 29 Prozent.
Ist eine Wende in Sicht? Bergmann gibt sich optimistisch. Die Gäste nutzen die Saisonpreise und verschieben die Kur eben in den Februar und März, meint er. (Wo die Preise jedoch auch nicht niedriger als im Januar sind). Flexibel reagieren, etwa mit Sonderrabatten, will das Unternehmen nicht.
Mit seinen bisherigen Massnahmen war das Management in Piestany nicht gut beraten. Es ist aber nicht zu übersehen, dass die Ursachen der Krise tiefer liegen.
Die Preissteigerung der Kuren ist auch eine Folge dessen, dass der Kursverlust infolge der Aufwertung der Krone tendenziell auf die Patienten abgewälzt wurde. Gerade im Bädertourismus könnte das kleine Land mit relativ geringen Investitionen die Zahlungsbilanz sehr positiv beeinflussen. Das aber wird von der politisch gewollten Aufwertung der Krone zunichte gemacht. Die Slowakei ist nicht das einzige Land, das bei der Aufnahme in die Eurozone zur Aufwertung seiner Währung gezwungen wurde oder wird, was die Importe aus anderen EU-Ländern, insbesondere aus den High-Tech-Ländern, erleichtert und die Exporte erschwert. Die krassesten Folgen der Abschaffung der flexiblen Wechselkurse mit der Einführung des Euro sind zur Zeit am Beispiel Griechenlands zu besichtigen. In der Slowakei mag der Umtauschkurs in den Euro zu einer relativ günstigen Umrechnung der Löhne und (soweit vorhanden) der Ersparnisse geführt haben. Das beruhigte zunächst die Stimmung. Wie nicht anders zu erwarten, haben jedoch die Handelsketten vor der Einführung des Euro die Preise für Lebensmittel und Konsumgüter drastisch erhöht. Der Euro brachte also die Teuerung mit sich. Wer kann, kauft jetzt in Österreich ein, weil dort manches billiger ist als in der Slowakei, zum Beispiel Waschmittel und Milchprodukte.
Die slowakischen Heilbäder sind ein Schatz, der zum Volkswohlstand beitragen könnte. Die Unterwürfigkeit der Regierenden gegenüber der Europäischen Union gereicht jedoch dem Bädertourismus mehr zum Schaden als zum Nutzen.
Anmerkung:
Erstveröffentlichung in »jungeWelt« (www.jungewelt.de) am 02.03.2010.