Das Unterhaltungsniveau von „Veselchaki“ entspricht ungefähr dem des „Moskau“-Liedes von Dschingis Khan. Man muss schon einige Gläser (besser: Flaschen) Wodka intus haben, um die aufgesetzten Scherze komisch zu finden. Ähnlich primitiv und klischeehaft wie der Text des Liedes sind die Charaktere in „Veselchaki“. Die Transvestiten Lusya, Fira, Rosa, Lara und Gertrude kichern, seufzen affektiert und zanken sich. Natürlich nennen sie einander „Schätzchen“, begrüßen sich mit Küsschen-Küsschen und ja, sie lassen die behandschuhten Händchen schlaff am Handgelenk hängen. Auf ein Publikum, dem nicht erzkonservative Morallehren den Blick auf die Normalität versperren, wirken die oberflächlichen Figuren schlicht diskriminierend. Als Ausdruck von Toleranz lässt sich „Veselchaki“ nur interpretieren, wenn allein die Gegenwart transexueller und homosexueller Protagonisten in einem Film bereits ein Fortschritt gegenüber ihrer völligen Abwesenheit ist. Vielleicht war es Mikhailkovs Ziel, der reaktionären Fraktion russischer Kinogänger ein denkbar lächerliches, karikatureskes Bild von Transvestiten und Homosexuellen vorzuführen, so dass eine Begegnung mit realen Homosexuellen nur eine positive Überraschung werden kann. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass die Charakterisierung der „Jolly Fellows“ Klischees zementiert, anstatt sie aufzubrechen.
Um erst recht den Affront zu wagen mischt Mikhailkov etwas Homosexualität und Transexualität unter die belanglosen Erlebnisse seiner „Jolly Fellows“. Der englische Filmtitel erinnert nicht zufällig an den Kultfilm „Flaming Creatures“, eine der ersten Kinoproduktionen, in welcher selbstbewusst Transvestismus gelebt wurde. Selbstbewusst sind die Filmfiguren weniger. Der Sohn einer alleinstehenden Kostümschneiderin reißt aus, weil er insgeheim schwul ist. Das kommt davon, wenn kein männliches Vorbild im Hause ist. Ein älteres Mitglied der Bühnentruppe erzählt von seinen Jugenderlebnissen mit einem Parteikader. Rosarot statt dunkelrot, welch Skandal! Besagter Parteikader ist unattraktiv, fett und will sich dem damals jungen Bühnenkünstler aufdrängen, wie es böse Schwule in homophoben Filmen zu tun pflegen. Zuvor stolziert er in groteskem Aufzug durchs Zimmer und verkündet: „Ich bin wie du. Ich bin krank.“ Diese und ähnliche Geschichten geben die Travestiekünstler bei einem gemeinsamen Treffen in einem Lokal zum Besten. Um die Authentizität der Anekdoten zu betonen, sitzt eine junge Frau mit den „Jolly Fellows“ am Tisch, der sie ihre Geschichten nacheinander auf Tonband sprechen. Ohne Kichern und aufgeregtem Schnappen nach Luft geht das natürlich nicht.
Die Kinos, in denen der Film aufgeführt wird, werden wohl noch kleiner sein als die Bar, in welcher die fünf Hauptfiguren auftreten, nur weit schlechter besucht. Zu recht. Dass sich „Veselchaki“ einem im russischen Kino kaum beachteten Thema widmet genügt nicht, um die verkrampften Revue-Nummern lebender Klischees sehenswert zu machen. Die bis heute in Russland stark tabuisierten Probleme Homosexueller verdienen eine anspruchsvolle filmische Thematisierung. Eine Bestätigung längst überholter Vorurteile verdienen sie nicht. Nicht zuletzt deshalb zählen die „Jolly Fellows“ wohl zum Traurigsten, was das Berlinale Panorama zu bieten hat.
Titel: Veselchaki – Jolly Fellows
Berlinale Panorama
Land/ Jahr: Russische Föderation 2009
Genre: Komödie
Regie und Drehbuch: Felix Mikhailkov
Darsteller: Ville Haapasalo, Danila Kozlovsky, Pavel Brun, Ivan Nikolaev, Renata Litvinova
Laufzeit: 96 Minuten
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