Gevatter Tod und der Wunderdoktor – „For the Good of Others“ sollen die Charaktere in Oskar Santos Drama „El mal alejeno“ leben

Alles schmerzt in „For the Good of Others“. Der Körper, die Seele, das Herz. Seine jahrelange Arbeit auf der Intensivstation haben den Notarzt Diego emotional abgestumpft. Zu den Schicksalen seiner Patienten versucht er bewusst große Distanz zu bewahren. Die Beziehung zu seiner Frau Pilar ist in die Brüche gegangen, mit seiner jugendlichen Tochter Ainoha zerstreitet er sich immer stärker. Als der verwirrte Amand mit seiner suizidalen Freundin Isabel in die Notaufnahme stürzt, ahnt man, dass Isabel jene besondere Patientin ist, nach der für Diego nichts ist, wie es war. Die hochschwangere Isabel fällt ins Koma. Ihre Überlebenschancen und die ihres Kindes sind minimal. Der zerrüttete Amand bedrängt Diego, seine schwangere Freundin zu retten. Als der Arzt sachlich bleibt, erschießt Amand sich vor ihm. Der ebenfalls angeschossene Diego überlebt durch ein Wunder. Das ist keine Redewendung, denn das Wunder entpuppt sich innerhalb der Handlung tatsächlich als eines. Diego entdeckt an sich die Fähigkeiten eines Heilers. Isabel erwacht aus ihrem Koma, ihr behindertes Baby kommt gesund zur Welt, sogar das amputierte Bein eines Kettenrauchers wächst nach. Doch die Kraft zu Heilen hat schreckliche Auswirkungen auf all jene, die Diego nahe stehen.

Umso origineller Oskar Santos Drama zu sein versucht, umso abstruser wird es. Zu Beginn erinnert Diegos Geschichte an das Märchen vom Wunderheiler. Mit dem Tode im Bunde kann jeden heilen. Nur jene, die er liebt, soll sterben. Die Psychologie seiner Figuren interessiert Santos jedoch so wenig wie die allegorische Bedeutung des Märchens. Heilen und Leben retten ist nur möglich, wenn der Tod als Teil des Lebens akzeptiert wird. Seinem jungen Kollegen Juanjo, der persönlicher mit den Patienten umgeht, ist Diego darin voraus. Santos deutet Diegos professionelles Verhalten als Arzt als Gefühlskälte, die sich auch auf sein Privatleben ausgedehnt hat. Diegos Heilergabe lässt außer Raucherbeinen auch die Liebe seiner Frau wieder wachsen. „El mal alejano“ studiert nicht die Psyche eines von emotionaler Belastung zerrissenen Menschen, sondern behauptet mittels einer wirren Mystery-Geschichte, ein guter Arzt könne und dürfe kein Privatleben haben. Will Diego zwischenmenschliche Beziehungen haben, darf er seine Heilergabe nicht anwenden. Will er sie Anwenden, muss er zum seelischen Eremiten werden, so stellt es der Film dar. Da er die Gabe aber hat, wird es als Diegos Pflicht dargestellt, sie „For the Good of Others“ einzusetzen. Was als Segen erscheint ist für den Segensbringer, zu welchem seine übermenschlichen Fähigkeiten Diego machen, ein Fluch.

„Ich habe so viele Jahre versucht, mich von den schlechten Dingen nicht berühren zu lassen, dass nun auch die guten Dinge mich nicht mehr berühren.“, gesteht Diego einem Kollegen. Wohl war. Nicht nur Ärzte, auch Kritiker können durch berufliche Überlastung derart abstumpfen. Das Potential der Handlung und Hauptdarsteller Diego Nuriega könne die semi-religiöse Moralbotschaft nicht aufwiegen. Sie erinnere sich an Filme dadurch, wie viel Schmerzen sie während des Ansehens gehabt habe, sagt eine Patientin Diegos. „For the Good of Others“ würde demnach lange im Gedächtnis bleiben. Die intellektuelle Schmerzgrenze hat er deutlich überschritten.

Titel: El mal aljeno – For the Good of Others

Berlinale Panorama

Land/ Jahr: Spanien 2009

Genre: Drama

Regie: Oskar Santos

Drehbuch: Daniel Sanchez Arevalo

Darsteller: Eduardo Nuriega, Belen Rueda, Angie Cepeda, Christina Plazas, Clara Lago

Laufzeit: 107 Minuten

Bewertung: *

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