Berlin, Deutschland (Weltexpress). Gegen Mannschaften aus der oberen Tabellenhälfte gab es, mal abgesehen vom ersten Spieltag, sehr achtbare Ergebnisse. Die Borussen aus Dortmund und Gladbach können ein Lied davon singen. Es waren oft Glücksmomente die mithalfen, die überraschenden Siege einzufahren. Am 22. Spieltag, gegen Leverkusen war es anders, für den bisher spielerisch überzeugendsten Auftritt wurde der Aufsteiger nicht belohnt. Nach einem langen Fußballnachmittag, das Spiel musste wegen zündeln mit Pyromaterial im Gästeblock unterbrochen, stand eine 2:3 Niederlage auf der Anzeige. Das Ergebnis war ernüchternd, nicht allein deshalb, weil der Siegtreffer für die Bayer-Elf durch Bellarabi erst in der vierten Minute der insgesamt siebenminütigen Nachspielzeit fiel, mehr fällt hier ins Gewicht, dass der Aufsteiger über weite Strecken, dem mehrfachen Champions-League Teilnehmer auch spielerisch Paroli bieten konnte. Trainer Urs Fischer brachte es auf den Punkt: “Trotz großer Enttäuschung haben wir gezeigt, dass wir auch Fußball spielen können.“
In der ersten Halbzeit traute man seinen Augen nicht, verkehrte Welt in der „Alten Försterei“. Die Eisernen spielten gut Fußball, hatten die besseren Chancen und ließen die Gäste nicht ins Spiel kommen. Bereits in der 7. Minute gelang der Führungstreffer. Aus dem Hintergrund müsste Gentner schiessen und er traf. Der Ausgleich durch die Gäste war ein Tor aus dem berühmten „Nichts“. Haverts lupfte den Ball über Verteidiger und Torwart in den Kasten. Der Ball wurde wohl von Subotic noch leicht abgefälscht, so dass er unhaltbar im Tor landete. Es geschah in der 22. Minute und war die erste Tormöglichkeit für die Werkself. Der neue Zwischenstand änderte nichts am weiteren Spielverlauf, die Eisernen blieben tonangebend. Bülter und Andersson hatten bis zur Pause dicke Möglichkeiten, Union wieder in Führung zu bringen.
Leverkusens Trainer Peter Bosz war überhaupt nicht zufrieden und wechselte mit Beginn der zweiten Halbzeit gleich auf zwei Positionen. Ersetzt wurden Bailey und Weiser. Mit zunehmender Spielzeit und nachlassenden Kräften bei den Eisernen eroberten sich die Gäste mehr Spielanteile. In der 83. Spielminute hatten die Gäste das Spiel gedreht. Die Eisernen wurden eiskalt ausgekontert. Der Torschütze war Diaby, die Vorlage lieferte Volland. Jetzt nahm das Spiel epische Züge an. Urs Fischer blieb nichts anderes übrig und er brachte mit Polter einen dritten Stürmer. Vorlage Polter und Torschuss Bülter, in der 87. Minute stand es 2:2. Das roch verdächtig nach dem Schlussresultat und wäre in Ordnung gewesen. Der Schlusspfiff lag durch die berechtigte lange Nachspielzeit in weiter Ferne und das bittere Ende kam durch den eingewechselten Bellarabi in der Nachspielzeit. Das Spiel beendete ein Eckball für den 1. FC Union, fast wäre dem in den gegnerischen Strafraum aufgerückten Union Keeper der Ausgleich geglückt. Sein Schuss wurde von seinem Torwart-Kollegen auf der anderen Seite pariert.
Taktik
Beide Mannschaften begannen das Spiel mit fast identischer taktischer Grundformation, ein 3-4-3 oder 5-3-2 gegen den Ball. Urs Fischer veränderte gegenüber dem Spiel in Bremen seine Mannschaft nur auf einer Position. Für Florian Hübner rückte Marvin Friedrich, nach seiner Kartensperre in die Innenverteidigung. Ganz im Gegensatz zu den Gästen, hier stellte Peter Bosz in der Offensive gleich auf drei Positionen um. Erstaunlicherweise bekamen die sonst so spielstarken Gäste in der Anfangsphase des Spiels keinen Zugriff, während Union sich Chancen erspielte. Auf Leverkusener Seite vergingen es bis zur ersten Torannäherung, eine richtige Chance war es nicht, 20 Minuten. Etwa ab der 25 Minute stellten die Gäste taktisch um. Nach dem frühen Rücksstand musste Plan B greifen, wie Peter Bosz es nach dem Spiel ausdrückte. Sven Bender rückte vor ins defensive Mittelfeld und die beiden Außenverteidiger standen nicht mehr so hoch und bildeten mit den Innenverteidigern Tapsoba und Tah eine Viererkette. Das änderte bis zur Halbzeitpause nichts am Gesamteindruck. Die Eisernen hatten den Gegner im Griff. Der Ausgleich durch Kai Havertz war ein Glücksmoment.
In der zweiten Hälfte änderte sich zunächst wenig. Leverkusens Trainer war nicht zufrieden, was der Doppelwechsel bereits zur Pause zum Ausdruck brachte. Auf der rechten Außenbahn verteidigte ab der 46. Minute Aranguiz für den Ex-Herthaner Mitchell Weiser, der gelb-rot gefährdet und auch sonst nicht gut ins Spiel gekommen war. Der taktischen Umstellung geschuldet, wurde im Angriff der schnelle Diaby für Bailey gebracht. Die Gäste kamen mit zunehmender Spieldauer besser ins Spiel und setzten auf Materialermüdung beim Kontrahenten. So war es kein Zufall, dass die entscheidenden Tore spät fielen. Leverkusens Führung entsprang einem sehenswerten Konter, abgeschlossen durch den eingewechselten Diaby.
Ab der 76. Minute hatte auch die Bank der Eisernen reagiert und taktisch umgestellt. Gentner wurde durch Prömel ersetzt und Malli räumte seinen Platz für Ingvartsen. Taktisch sortierten sich die Eisernen zu einem 4-4-2. Nach dem Führungstreffer für die Gäste brachte Fischer mit Polter einen dritten Stürmer. Er gab die Vorlage für das zwischenzeitliche 2:2 durch Bülter. Aus dem 4-4-2 wurde ein 4-3-3. Die Ergebnissicherung funktionierte leider nicht. Es waren im Mittelfeld etwas mehr Räume für die konterstarken Gäste.
Fazit
Die Niederlage hatte tragische Züge und Peter Bosz sprach davon, dass der Sieg seiner Mannschaft angesichts des Spielverlaufs sicherlich glücklich war. Union machte unheimlich Druck gab dem Gegner zunächst keine Räume. Es war aber klar, dass Union diese Spielweise nicht 90 Minuten durchhalten kann. Ab der 75. Minute schlugen die schnellen Stürmer der Werks-Elf zu. Dass seine Mannschaft hier unerwartete spielerische Probleme hatte, schob Bosz ein bisschen auf den Zustand des Rasens. Er wurde vor dem Spiel nicht wie üblich gewässert und war recht tief, der Ball lief nicht wie gewohnt. Urs Fischer meinte dazu, „das sei nicht auf seine Anweisung hin unterlassen worden“. Der Rasen war schuldlos.
Spieldaten
Fußball-Bundesliga 22. Spieltag 15.02.2020 15:30 Uhr Stadion „An der Alten Försterei“
1. FC Union Berlin: Gikiewicz – Friedrich, Schlotterbeck, Subotic (86. Polter) – Trimmel, Gentner (76. Prömel), Andrich, Lenz – Malli (76. Ingvartsen), Andersson, Bülter (3-4-2-1/4-4-2)
Bayer 04 Leverkusen: Hradecky – Tah, S. Bender, Tapsoba – Weiser (45. Aránguiz), L. Bender, Amiri (76. Bellarabi), Wendell – Havertz, Volland, Bailey (45. Diaby) 3-4-3/4-4-2
Tore: 1:0 Gentner (7.), 1:1 Havertz (22.), 1:2 Diaby (83.), 2:2 Bülter (87.), 2:3 Bellarabi (90. + 4)
Schiedsrichter: Harm Osmers
Zuschauer: 22.012