Rainer Stamm also, als Leiter der Böttcherstraße für das Paula Modersohn-Becker Museum und das Roseliushaus zuständig, hatte die Idee, aus den Sammlungsbeständen unter einer spezifischen Fragestellung eine Auswahl von Bildern und Skulpturen zu treffen und diese unter der Betonung des Begriffes der „Farbe“, aber eben auch des Ausweises der Krefelder Sammlungsgeschichte zu einer sinnvollen Ausstellung zusammenzubinden. Das galt erst einmal für sein Haus in Bremen, aber die Kunstreise der Krefelder Werke wird diese Auswahl danach nach Erfurt, Würzburg, Cottbus, Freiburg und Rotterdam führen, was eine gute Idee ist, denn dort wird mit den „Farbwelten“ regional wirklich ein zusätzliches Kunstangebot gemacht. Es sind 58 Gemälde, Graphiken und Skulpturen von 37 weithin bekannten Künstlern, die in das Paula Modersohn-Becker Museum eingezogen sind und den Anspruch erheben, von der Emanzipation der Farbe zu zeugen und dies über einen Zeitraum von rund acht Jahrzehnten.
So beginnt es prominent mit einem von Claude Monets Stundenbildern, in denen er den Einfluß der Sonne und auch ihre Abwesenheit an Objekten über den Tagesverlauf dokumentierte. Schon 1907 wurde „Das Parlament. Sonnenuntergang“ von 1904 angekauft, das düster das trutzige Gebäude wie schwimmend und sich spiegelnd in der Themse zeigt. Man findet wirklich die Creme der Zeit an den Wänden hängen. Und große Freude, so viele Rodins zu sehen, die heute hochangesehen, damals dennoch für Verwirrung und Ablehnung sorgten, gelingt es Rodin doch, aus Mamorklötzen Gefühl herauszuhauen. Uns allerdings erfreuten eben auch Namen wie Johan Thorn Prikker, kaum bekannt, den Rainer Stamm mehrfach hängt und dessen „Fliegende Fische“ von 1904 wie von heute scheinen und der schon 1891 mit „Frau auf dem Feld" Farbflächen so gegeneinandersetzt, daß man zwar Figuren ahnt, aber ebenso mit einer reinen abstrakten Farbsymphonie einverstanden wäre.
Auch Paula Modersohn-Becker ist vertreten, allerdings wurde „Kleines Kind“ von 1904 erst 1948 angekauft. Max Slevogt, Ferdinand Hodler, Max Liebermann, Lovis Corinth, man glaubt sie zur Entstehungszeit erworben, aber jedes Gemälde hat seine eigene Geschichte, der eine Slevogt wurde 1948 erworben, ein anderes 1937 (!), ein weiterer erneut 1948, das gilt auch für Hodler, Liebermann und Corinth und hat eben damit zu tun, daß die Sammlung im Nationalsozialismus zerschlagen wurde. Aber die Lithografien von Oskar Kokoschka „Selbstbildnis (Sturmplakat)“ von 1910 wurde 1923 Eigentum, zusammen mit Ernst Ludwig Kirchners Ausstellungsplakat zur Brücke. Und je mehr wir uns damit beschäftigen, desto deutlicher wird, daß die heutige Sammlung, die nun den Rundzug antritt, tatsächlich nach dem 2. Weltkrieg zusammengekauft wurde. Nur selten schafft es ein ursprüngliches Eigentum, das als „entartet“ von den Nazis beschlagnahmt wurde, wieder aufgefunden und erworben oder gestiftet zu werden, wie „Kuhmelken“ von Emil Nolde. So machen wir uns auf die Suche nach den „alten“ Beständen, finden Jawlenskys „Abstrakten Kopf“, Wilhelm Lehmbrucks „Frauenbüste“, die überleben durften, Gerhard Marcks Bronze „Schwimmerin“ von 1938, die 1940 angekauft wurde. Sensationell die drei Mondrians, die alle vor 1932 Teil der Sammlung und bei der Beschlagnahme ’entarteter Kunst’ durch die Nazis vergessen wurden, weil sie im Inventar fehlten. „1950 wieder aufgefunden“, sagt der Katalog zu diesem Vorgang.
Sehr fortschrittlich war die Sammlungspolitik auch in den Fünfziger Jahren, als Krefeld noch im Zuge des Wirtschaftswunders über Geld verfügte. Sie finden nicht nur Ives Klein mit seinem monochromen Blau, sondern auch Lucio Fontana mit einem seiner Schnittbilder, wo Wasserfarbe auf Leinwand verteilt eine weiße Fläche ergibt, die jäh mit einem Schnitt unterbrochen, die Fläche in Räume unterteilt. Auch Piero Manzoni ist dabei und besonders schön Antoni Tapies mit „Weißem Oval“, wo der Lichteinfall darüber entscheidet, welche der Substanzen des Kreide-Kalk-Sandgemischs die Struktur bestimmt. Es enden also die „Farbwelten“ nicht nur mit monochromen Gemälden, sondern dann hauptsächlich mit dem ewigen Weiß. Und so ist es auch gar nicht das Thema der Farbe, was uns in dieser Ausstellung auf Dauer interessiert, sondern der historische Einbezug einer Sammlungsgeschichte, die sicher als propädeutisch für Deutschland angesehen werden kann.
Unser anfänglicher Versuch, neben den vertretenen bekannten Künstlernamen auch nach denen zu suchen, die zwar bekannt, aber in der Sammlung nicht vertreten sind, wie die sozialkritischen Maler Otto Dix, George Grosz, Max Beckmann, u.a., kann nur etwas über die Sammlungszielsetzung nach dem 2. Weltkrieg aussagen – was eine eigene, aber durchaus spannende Geschichte wäre -, nicht aber über den ursprünglichen Aufbau einer Sammlung für damals zeitgenössische Kunst, die in Deutschland als Vorreiter der Moderne gelten kann. Eine lehrreiche Ausstellung, die einen in ganz andere Dimensionen führt als herkömmliche Schauen, die nur der Kunstbetrachtung dienen.
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Ausstellung: bis 24. Januar 2010
Samstag, 23. Januar, findet von 11 bis 18 Uhr ein Seminar statt „Vom Impressionismus zur Abstrakten Kunst. Die Entwicklung der Moderne in Malerei und Literatur, das Detlef Stein und Kirsten Vogel durchführen.
Vom 15. bis 17. Januar können Sie einen Zeichenkurs für Erwachsene besuchen.
Weitere Informationen und Anmeldung unter 0421-3388222.
Katalog: Farbwelten. Von Monet bis Ives Klein. Werke der klassischen Moderne aus den Kunstmuseen Krefeld, hrsg. von Rainer Stamm, Kunstsammlungen Böttcherstraße, Bremen 2009. Der Katalog leistet all das, was man von einem Ausstellungskatalog erwartet. Den ganzseitigen Abdruck der Bilder und Skulpturen und – ästhetisch sehr gelungen – eine extra Dokumentation der Titel, Entstehungszeit, oft auch den Zeitpunkt des Erwerbs durch das Museum sowie Künstlerindex und ausgewählte Werkverzeichnisse. Was aber das Besondere ist, ist unter dem Titel „Aufbruch in die Moderne“ die Geschichte des Museums unter seinem ersten Direktor Friedrich Deneken (1897-1922). Beispielhaft kann man nachvollziehen, wie die Strategie des Museumsleiters war, sein Publikum an die Neuerungen heranzuführen und gezielt durch Ausstellungen für die damalige Zeit Krefeld zum Mittelpunkt der Moderne zu machen. Insofern ist der Name Deneken in einem Atemzug zu nennen mit Hugo von Tschudi in Berlin, Karl Ernst Osthaus in Hagen und Gustav Pauli in Bremen. Aber es bleibt nicht bei der Glorifizierung der Anfänge, sondern weitere Artikel setzen die Sammlungsgeschichte des Museums fort, die in den Fünfziger Jahren erneut avantgardistisch ausfällt. Sehr kurz fallen die Zeiten des Nationalsozialismus aus, in denen – so kann man schon sagen -, die soeben in den 20er Jahren aufgebaute jüngste zeitgenössische Sammlung zerschlagen wurde.
Internet: www.pmbm.de
Mit freundlicher Unterstützung des Best Western Hotel Schaper-Siedenburg in der Bahnhofstraße 8, direkt gegenüber dem Hauptbahnhof, also in unmittelbarer Nähe zur Stadt und den Museen. Sie werden nett empfangen, die Übernachtungspreise sind zivil und das Frühstücksbuffett außergewöhnlich umfangreich. www.siedenburg.bestwestern.de