In Bonn nimmt man das höchst gelassen, denn Frieren ist nicht das Urgefühl der Rheinländer, die gerne draußen an der frischen Luft ihr kühles Bierchen trinken oder genussvoll ein Gläschen Wein beim lustigen Plaudergespräch. Klimawandel? Darüber wird zwar nach dem heiß verhandelten aber winterkalten Kopenhagener „Klimagipfel“ in einem halben Jahr in Bonn wieder mit Klimakennern aus aller Welt konferiert, doch wenn die Temperaturen so eisig sind wie in diesen Tagen 2009 kurz vor Weihnachten, das berührt die Bonner viel schlimmer.
Offiziell heißt es da: „Das Klima in Bonn hat sich in den vergangenen Jahrzehnten merklich verändert. Dies zeigen die Zeitreihen von Lufttemperatur und Niederschlag, die von der städtischen Statistikstelle anhand der seit 1895 gesammelten Archivdaten erstellt wurden: Im Schnitt ist es in Bonn heute 1,7 Grad Celsius wärmer als zu Beginn der Aufzeichnungen; zugleich fällt mit 230 Liter pro Quadratmeter mehr Regen.
Während Ende des 19. Jahrhunderts das Jahresmittel bei 9,6 Grad Celsius lag, beträgt es heute im Mittel 11,3 Grad. Der spürbare Anstieg der Lufttemperatur ist während des gesamten Jahres messbar, besonders ausgeprägt allerdings in den Herbstmonaten. Der gerade vergangene November 2009 war übrigens der zweitwärmste November seit 1895, worüber sich die Bonner in den Straßencafés übrigens sehr freuten. Warme Herbstsonne vor dem Winter genießen, das ist für sie das höchste, noch einmal so richtig Sonne zu tanken. Das wärmste Jahr seit Temperaturaufzeichnung war 1994 mit einer Jahresdurchschnittstemperatur von 11,4 Grad Celsius; das kühlste Jahr war 1940 mit durchschnittlich 8,3 Grad. Merklich verändert hat sich auch die Anzahl der so genannten Temperaturkenntage: Frost- und Eistage haben deutlich abgenommen, während es viel mehr Sommertage gab. Doch gerade jetzt vor Weihnachten kriecht der Frost auch durch Bonn und die Umgebung, doch der schlimme Schneefall ließ bisher auf sich warten. Die Schneedecke ist dünn, wenngleich da und dort eine gefährliche Rutschpartie für zu schnell fahrende Autofahrer listig lauert.
Wie die Stadt mitteilt, werden bereits seit 1848 in Bonn die Niederschlagsmengen statistisch erfasst. Sie weisen eine besonders große zeitliche und räumliche Bandbreite auf. Zum Beispiel kann ein Gewitter in einem eng begrenzten Raum große Regenmengen verursachen, während es in Nachbarorten fast trocken bleibt. Das kann schon ganz schön witzig sein, wenn die Tochter, die mitten in Bonn wohnt mit der Oma telefoniert, die im Siebengebirge in der Sonne sitzt und sich wundert, dass die Tochter von heftigem Regenguss über der Stadt spricht. Es kann auch umgekehrt sein. Nicht selten freut sich so mancher, der im brütend heißen Bonn arbeitet auf den angesagten Regen für seinen Garten, der abends herunterrauschen soll. Doch mitten auf der Bundesstraße ist wie ein schnurgerader Strich die „Temperaturgrenze“ zu sehen. Hier war die Straße noch pitschnass, und nun ist sie pulvertrocken und der Garten muss mit der Gießkanne mit frischem Wasser beglückt werden. Und dennoch: Seit Beginn der 70er-Jahre des 20. Jahrhunderts steigt in Bonn die jährliche Regenmenge. 2007 war mit 1024 Litern je Quadratmeter das feuchteste Jahr der bisherigen Aufzeichnungen, 1921 mit 336 Litern das Trockenste. Da bleibt nun abzuwarten, wie in wenigen Monaten die „Klimazonen“ interpretiert werden. Wenn es beim nächsten Klimagipfel in Bonn kühl und nass ist, dann spotten die lustigen Rheinländer wieder einmal über die „Klimaerwärmung“. Im Rheinland sieht man das jedenfalls ganz locker. Bis jetzt.
Und dann hatte der Bonner Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch noch eine tolle Idee: Vier Euro gegen den Klimawandel! Mit der „Zwei-Grad-Initiative Bonn“ will Oberbürgermeister Nimptsch den lokalen Anstrengungen gegen den Klimawandel einen weiteren Schub geben. Bei der Städte-Konferenz am Rande des Weltklimagipfels in Kopenhagen hat er diesen Vorschlag in die Diskussion eingebracht, mit dem jede Stadt konkret einen Beitrag zum Klimaschutz erbringen kann. Denn mit vier Euro pro Kopf und Woche könnte dem Klimawandel wirksam entgegengewirkt werden, wie Experten meinen.
Er will deshalb die Bonnerinnen und Bonner auffordern, mindestens einmal jährlich eine symbolische Zahlung von vier Euro an eine Stiftung zu leisten, die Projekte zur Reduktion des Treibhausgases finanziert, in Bonn und in Städten in Entwicklungsländern. Würde jeder der 316.000 Einwohner dies tun, ergäbe das bereits 1,2 Millionen Euro – bei häufigeren Zahlungen stiege der Betrag auf ein Vielfaches. OB Nimptsch: „Soviel müsste uns unser Klima doch wert sein. Und stellen Sie sich vor, wenn Mega-Städte wie Mexico oder Seoul sich einer solchen Initiative anschlössen? Was könnte damit alles erreicht werden?!“ Einzelheiten zu den Zahlungsmodalitäten werden Anfang 2010 bekannt gegeben. Also: Bonnerinnen und Bonner: aufgepasst!
Doch das Tollste für die immer internationaler werdende Stadt kommt noch: Während die Nationen in Kopenhagen noch um ein Folgeabkommen des Kyoto-Protokolls rangen, gibt es also auf der Ebene der Städte weitere Fortschritte zu vermelden: Mit dem Start von „Carbonn“ sollen die Kommunen in aller Welt in die Lage versetzt werden, Klimadaten nach einheitlichen Kriterien zu sammeln. Die neue Plattform ist ein Projekt von ICLEI, dem Städtenetzwerk zur Nachhaltigkeit und UNEP, dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen; ihr Standort wird in Bonn sein. Solche Kriterien, auch Benchmarks genannt, nutzt Bonn seit einigen Jahren erfolgreich. Sie wurden im Rahmen des European Energy Award eingeführt, den die Stadt inzwischen auch in Gold verliehen bekommen hat. Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch: „Die Städte brauchen einheitliche Maßstäbe bei der Erhebung ihrer Klimadaten, und ich freue mich, dass ein Impuls, die Kriterien weltweit zu vereinheitlichen, von Bonn ausgeht.“ Und da sind die Bonner gespannt, wie das weitergeht.
Formell besiegelt wurde auch Bonn als künftiger Sitz des Weltsekretariats von ICLEI. Die Entscheidung hatte der Vorstand der Organisation bereits im Frühjahr getroffen. In der dänischen Hauptstadt unterzeichneten nun Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch sowie David Cadman als Präsident und Konrad Otto-Zimmermann als Generalsekretär von ICLEI das Sitzabkommen. Es beginnt am 1. Januar 2010 und ist auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, mindestens jedoch fünf Jahre. Jährlich 450.000 Euro fließen in den nächsten zwei Jahren von Stadt und Bund an ICLEI, wobei der städtische Anteil von 150.000 Euro aus dem Europäischen Strukturfonds (EFRE) kommt.
Die Zentrale von ICLEI wird sich in der Kaiser-Friedrich-Straße 7 ansiedeln, wo bereits das Programmbüro von ICLEI sitzt. Rund 20 Mitarbeiter werden dort künftig tätig sein. Bonn ist seit 1999 Mitglied des Städtenetzwerks. Als Vertreter der Gastgeberstadt wird Oberbürgermeister Nimptsch künftig im internationalen Vorstand von ICLEI (Executive Committee) Sitz und Stimme haben. „Ich bin stolz darauf, dass die lange und fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Stadt und ICLEI durch die Ansiedlung des Weltsekretariats gekrönt wird und freue mich auf weitere gemeinsame Projekte zum Nutzen aller Städte in der Welt“, freute sich OB Nimptsch.
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Weitere Infos: www.iclei.org