Letzteres finden wir beim „Bettler“ von Franz Eybl 1837, einem rührseligen Stück Leinwand, das so recht zeigt, wie das Genre einzuschätzen ist, wo der Hungerleider dem guten, satten Bürger ans Herz gelegt wird. Von völlig anderem Geblüt die daneben hängende „Hundekomödie“ von Josef Danhauser aus dem Jahr 1843. Ein köstliches Sujet und hinterfotzig dazu. Es geht um das System Metternich, es geht um Zensur, die man nicht offen anprangern kann und die Maulkörbe, die den Menschen verpaßt werden, die hier im Bild stellvertretend aber denjenigen umgehängt werden müßten, sie sie nicht tragen, den beiden Hunden, weshalb ohne Maulkorb in der Umdrehung Unpassendes passiert. Und was ein Mops mit Mohammedkarikaturen zu tun hat, das erfahren Sie in den Bildern von Danhauser im Nu. Rechts hängt die vorbereitende Zeichnung/Aquarell, wo im Vergleich mit dem Gemälde noch ein Kachelofen bullert, und daneben prangt das Ölgemälde, wo ein dicker fetter Hund auf dem Tisch sitzt und die Aquarelle und andere Papierwerke des Meisters zerfetzt und zerbeißt, und dieser Mops – für uns ist es ein Mops – trägt die Züge eines damals stadtbekannten Zensurbeamten und lechzt gerade speicheltriefend nach dem nächsten Blatt, während sein Kompagnon von weißem Hund – auch seine Hundezüge wurden damals wiedererkannt – auf hohen Beinen und mit langer Schnauze vor dem Tisch den Teppich aufgerissen hat und die unten liegenden Zeichnungen zerfetzt.
Und – o jeh – nicht nur das Tintenfaß ist darüber gelaufen, sondern es sieht so aus, als ob die Hunde ihre Notdurft auch noch verrichtet hätten, während der Künstler im Bilde mit der roten Haube und der glühenden Zigarre in der Rechten wohl im Sessel dahinter sein Schläfchen hält. Das ist die Ausgeburt von Goyas „Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer“ von 1799 auf Biedermeierisch 1843. Der Raum selbst ist im Zeitgeschmack eingerichtet mit dem Arbeitsgestell in der Ecke und dem Blick in den Nebenraum, der hier wie ein Fenster in der Renaissance die Perspektive weitet und dem herrschaftlichen Hundevieh eine glasklare politische Botschaft mitgibt: So gehen sie um, die Herren Zensoren, mit den kostbarsten künstlichern Hervorbringungen der Zeit. Sie stutzen sie, sie verletzten sie, sie zerstören sie! Als Josef Danhauser diese Anklage an eine Zensurbehörde malt, weigert sich die Akademie, dieses Blatt auszustellen: „Aus Protest gegen diesen vorauseilenden Gehorsam seiner Malerkollegen, legte Danhauser sein Amt als Professor der Historienmalerei nieder.“, informiert uns der Wandtext. Da möchte man gleich noch mehr wissen.
Wer möchte die Mopsgesichter nicht umgehend mit den Mohammedkarikaturen und ihren weltbewegenden Streit darum identifizieren? Überhaupt war die politische Druckzeit eine, die Karikaturen fast am Fließband produzierte. Das war Mode. Viele, auch harmlosere, aquarellierte Karikaturen hängen in Folge. Aber eigentlich fängt die Ausstellung ja mit Rosalia Amon – uns völlig unbekannt – an und ihrem Ölbild von 1849 „Mädchen am Fenster“, das gerade das Genre bedient, was Biedermeiermalerei als Begriff evoziert: Die Häuslichkeit von braven Mägdelein, die sich adrett gekleidet und gekämmt im Haushalt nützlich machen, hier ist es die Blumenpflege, die angesprochen wird, denn man muß einen Rosenstock hegen und pflegen, das Kahle und Verblühte abschneiden, damit die Kraft in den Stock geht und dieser neu ausschlägt, so wie ein gesellschaftlicher Organismus sich der ’kranken’ Teile entledigen muß, um zu blühen. Doch da sind wir in der Interpretation des Bildes einen Schritt weiter, als es wahrscheinlich die Malerin – eine Schülerin von Waldmüller – und der Kurator wollten. Denn im Begleittext wird die geschickte Lichtführung gerühmt, in der hier das aus dem dunklen Zimmer ins gleißende Licht tretende Mädchen gezeichnet wird. Wir jedoch sehen in dem – natürlich – blonden und brav gescheiteltem Haar, das an den Seiten zu einer Art Affenschaukeln rundgeflochten ist, mit dem in die Ferne gerichteten offenen Blick aus – natürlich – blauen Augen: auf die Mama, den ersten Angebeteten oder auch nur ein hoffnungsfrohe Zukunft errichtet, einfach eine Handlungsaufforderung an junge Mädchen im Sinne des kleinbürgerlichen Zeitalters: Bescheide Dich auf Deine häuslichen Aufgaben, Du junge Maid, und denke besser nicht darüber hinaus.
1949 ist dieses Gemälde gemalt und als Gegenbild paßt es ins Bild der Zeit, die doch von 1848 geprägt ist, sowohl was die europäischen Revolutionen mit allen Folgen der nationalen Erhebungen ausmacht, für Österreich: Abdankung Ferdinands I. und Beginn der Regierungszeit Franz Joseph I; für die deutschen Lande: die Paulskirche und das erste deutsche Parlament. Biedermeier sei die Reaktion gewesen, dem Überwachungsstaat in die eigenen vier Wände zu entkommen, die damals noch frei von Videoüberwachung und versteckten Abhöranlagen waren. Diese häuslichen vier Wände stellen dann tatsächlich fünf Maler dar. Wie für Möbelprospekte zeigt Matthias Grösser 1840 als horror vacui den gutbürgerlichen Salon. Der Schreibtisch quillt über von gerahmt aufgestellten Porträts und an der mit der Rolle gemalten Biedermeierwand bleibt nur dicht oben noch ein Plätzchen frei, alles ist zugestellt, aufgehängt und mit Grünpflanzen drapiert, gefleckt, gestreift, in Rosa, Gelb und anderen Farben, in denen das Auge vergeblich Ruhe und Halt sucht, aber keine findet.
Ordentlich dagegen geht’s im Wohnraum 1843 zu. Und die an der gegenüberliegenden Wand hängenden Aquarelle von Anonymos zeigen nur noch Leere und Aufgeräumtheit. Menschen gibt es nicht. Höchstens in Form von Gemälden im Bild. Jetzt kommen in der Ausstellung bekanntere Namen. Peter Fendi ist einer von ihnen, der in der Auswahlausstellung viele Gemälde beiträgt, hier mit dem frierenden Brezlbub von 1828, das einen ganzen Reigen von Kinderbildern und Familienbildern anführt, denn Mutter, Kind und Weihnachten ergeben den Oberbegriff von Harmonie, gesteigert noch, wenn die kindliche Andacht vor einer Muttergottes dazukommt. Genau solche Bilder führen zum negativ besetzten Begriff des Biedermeier als eines falschen Gefühls des Gefühls. Fortsetzung folgt.
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Ausstellung: bis 17. Januar 2010
Katalog: Ein Katalog ist aus der zügig zusammengestellten Ausstellung aus dem eigenen Bestand noch nicht erwachsen, aber ein Begleitheft ist durch den Kurator Ralph Gleis in Vorbereitung.
Internet: www.wienmuseum.at
Reiseliteratur: Felix Czeike, Wien, DuMont Kunstreiseführer, 2005
Baedecker Allianz Reiseführer Wien, o.J.
Lonely Planet. Wien. Deutsche Ausgabe 2007
Walter M. Weiss, Wien, DuMont Reisetaschenbuch, 2007
Marco Polo, Wien 2006
Marco Polo, Wien, Reise-Hörbuch
Tip: Gute Dienste leistete uns erneut das kleinen Städte-Notizbuch „Wien“ von Moleskine, das wir schon für den früheren Besuch nutzten und wo wir jetzt sofort die selbst notierten Adressen, Telefonnummern und Hinweise finden, die für uns in Wien wichtig wurden. Auch die Stadtpläne und U- und S-Bahnübersichten führen– wenn man sie benutzt – an den richtigen Ort. In der hinteren Klappe verstauen wir Kärtchen und Fahrscheine, von denen wir das letzte Mal schrieben: „ die nun nicht mehr verloren(gehen) und die wichtigsten Ereignisse hat man auch schnell aufgeschrieben, so daß das Büchelchen beides schafft: Festhalten dessen, was war und gut aufbereitete Adressen- und Übersichtsliste für den nächsten Wienaufenthalt.“ Stimmt.
Anreise: Viele Wege führen nach Wien. Wir schafften es auf die Schnelle mit Air Berlin, haben aber auch schon gute Erfahrungen mit den Nachtzügen gemacht; auch tagsüber gibt es nun häufigere und schnellere Bahnverbindungen aus der Bundesrepublik nach Wien.
Aufenthalt: Betten finden Sie überall, obwohl man glaubt, ganz Italien besuche derzeit Wien! Überall sind sie auf Italienisch zu hören, die meist sehr jungen und ungeheuer kulturinteressierten Wienbesucher. Wir kamen perfekt unter in zweien der drei Hiltons in Wien, wobei Wien Mitte auch Zentrum der Viennale, des Filmfestes ist, das ab dem 22.oktober die Stadt zur Leinwand macht. Sinnvoll ist es, sich die Wien-Karte zuzulegen mitsamt dem Kuponheft, das auch noch ein kleines Übersichtsheft über die Museen und sonstige Möglichkeiten zur Besichtigung in Wien ist, die Sie dann verbilligt wahrnehmen können. Die Touristen-Information finden Sie im 1. Bezirk, Albertinaplatz/Ecke Maysedergasse.
Mit sehr freundlicher Unterstützung von Air Berlin und den Hilton Hotels Wien.