Wir hatten uns so viele Zitate herausgeschrieben, die wir für unsere eigenen Aussprüche hielten und zitieren wollten, meinen aber jetzt, das ist ein Buch, das man selber lesen und sich über den Autor wie über seinen Selbstheilungsversuch seine eigene Meinung bilden sollte, denn Christoph Schlingensief ist auf seiner Lesereise zugleich mit einem Traum unterwegs, den er in Frankfurt begann und nun bis Zürich am 28. Oktober weiterträgt: Ein Festspielhaus in Afrika. Kein Wunder, daß die ersten da an das Opernhaus Teatro Amazonas in Manaus denken und den Film, den Werner Herzog im Versuch von Fitzcarraldo (Klaus Kinski), dies Opernhaus im peruanischen Iquitos mitten im Dschungel zu kopieren, als Schiffsbruch inszenierte. Aber gleich weg mit diesen Implantationen europäischer Kultur in Südamerika. Christoph Schlingensief geht einen anderen Weg und wir finden es gut, daß er das in Burkina Faso tut.
Kaum einer weiß noch, daß dieses mittelafrikanische Land, das als Obervolta weiter bekannt ist, als eines der wenigen afrikanischen Ländern auf dem Weg war, Stammesherrschaften wie Militärregime sowie Leben von Reichen auf Kosten der Armen zu überwinden. Thomas Sankara hieß der Mann, dem nach endlosen trostlosen Jahren im putschgeschüttelten Land 1983 eine panafrikanische-sozialistisch orientierte Revolution gelang, die in der Hauptstadt Ouagadougou zu einer gesellschaftlichen Situation führte, die mit der Aufbruchsstimmung in Kuba nach der dortigen Revolution zu vergleichen ist. Aber sie ließen den charismatischen Führer Thomas nicht wirken, brachten ihn um und mit ihm eine der wenigen nach vorne gerichteten Bewegungen, Afrika den Afrikanern zu überlassen und die Welthilfe auf Lebensunterstützung zu beschränken, statt auf teure Waffenhilfe, die als Geld wieder nach Europa fließt.
Jetzt soll das Geld, das Schlingensief sammelt – und zu dem Henning Mankell schon 100 000 Euro hinzugab, der Bundespräsident spendet, der Außenminister über 200 000 Euro zugesagt hat – schnell sichern, solange er noch nicht Westerwelle heißt -, das Frankfurter Theater die Einnahmen des Abends spendete und viele kleine Briefumschläge auf Dauer einen großen Batzen ergeben– in einem Festspieldorf etwa zweieinhalb Stunden von der Hauptstadt entfernt angelegt werden, was neben dem Opernhaus Schule, Musikschule, Filmklasse, Krankenstation, Pension und Restaurant bedeutet. Das bezieht sich aufs Bauen, das man mit Anteilsscheinen fördern kann. Inhaltlich soll daraus eine Begegnungsstätte werden für afrikanische und europäische Künstler und allen Bevölkerungsgruppen offen stehen. Nimmt man es mal ernst, dann soll auch die Oper als europäischem Produkt gespeist von der Musikalität und dem Rhythmus, dem wir Afrika verdanken, als Folgeprodukt zurückgegeben werden.
Das wenigstens sehen wir so und finden darum, daß Christoph Schlingensief auf die Unterstützung des Hauses in Afrika einen amerikanischen Weltkünstler ansprechen sollte, der Afrika im Circle-Song durch die Welt trägt, dessen schwarze Eltern Opernsänger waren und der selbst Opern und Konzerte dirigiert, weil er sich von seinem Welterfolg „Dont worry be happy“ ein Dirigierstudium in New York gönnte: Bobby Mc Ferrin. Und dann sollte der Enthusiast Schlingensief, der so gut geeignet ist, in Menschen das Gute hervorzuholen, weiter durch die deutschsprachige Welt ziehen und auf seiner Lesereise nicht aus seinem Buch vorlesen – das sollen die Leute kaufen und selber lesen – , sondern weiter von sich, seinem Wohl- und Wehergehen erzählen und von seinem Projekt in Afrika, was ja schon Wirklichkeit wird.
Die nächsten Stationen von Schlingensiefs Lesereise:
10. Oktober Hamburg Thalia Theater
18. Oktober Freiburg Theater
20. Oktober München Kammerspiele
23. Oktober Dresden Staatsschauspiel
28 Oktober Zürich Pfauen