Berlin, Deutschland (Weltexpress). Im Wilden Westen räumt eine Frau mit veralteten männlichen Zuschreibungen und Projektionen gehörig auf. Ein emanzipatorischer Beitrag in der Westernpersiflage „Damsel“ innerhalb der „MeToo“ Debatte.
Wir kennen den Wilden Westen als raue Männerdomäne. Revolverhelden, Gesetzlosigkeiten, trinkfeste Cowboys und Konfrontationen zwischen weißen Kolonialisten und Prärieindianer sind das Gesetz des Wilden Westen. Hier bleibt kein Zweibeiner lange lebendig. Den Colt stets am Anschlag.
Nur der Hartgesottene kann innerhalb den rauen Sitten überleben und eine Frau schon mal gar nicht, zumindest aus konventioneller Männersicht. Es sei denn sie erhält den Schutz des wild entschlossenen Cowboys, wie hier die angebliche „Damsel“. Was übersetzt soviel wie Mädchen in Not bedeutet.
In dem Wettbewerbsfilm „Damsel“ dieser 68. Berlinale verkörpert die Western-Lady Penelope (eine überzeugende Mia Wasikowska), allerdings als alles andere als ein Mädchen in Not. Mit Flinte in der Hand ist sie genervt von den charakterschwachen Männern um sie herum und macht sich lautstark Luft über all die männlichen Vereinnahmungen: „Ich brauche keinen, der mich gegen meinen Willen beschützt!“ und: „Das hier ist meine persönliche Grenze!“
Die Regisseure und Brüder David und Nathan Zellner stellen in ihrer Western-Satire das Klischee des Wilden Westens gehörig auf den Kopf und persiflieren das Klischee des knochenharten einsamen Cowboys und der hilflosen „Damsel“ aufs Äußerste.
Leider werden die bedenkenswerten Intentionen und Umkehrungen filmisch nur mässig erfüllt – zu unausgegoren ist die Persiflage und es fehlt an pointiertem Witz.
Robert Pattinson (der Vampir aus den „Twilightfilmen“) zieht als liebessüchtiges couragiertes Greenhorn Samuel Alabaster auf in den Wilden Westen, um seine Angebetete Penelope aus den Fängen gefährlicher Schurken zu befreien – er will ihr einen Heiratsantrag machen. Allerdings hat er sich bisher keine Gedanken gemacht, ob sie ihn eigentlich auch will.
Bei steht im seine Gitarre, ein falscher Priester (David Zellner selbst), seine Flinte und das goldgelbe Zwergpony namens Butterscotch. Der wilde Westen ist wunderschön, aber unerbittlich.
Männer werden in Trinkfässern kurzerhand gehängt, eine Kugel im Kopf ist an der Tagesordnung.
Frauen sind nur für zeitweilige Vergnügungen geduldet.
Samuel Alabaster (Robert Pattinson), der mutige Liebeshungrige ist zu allem bereit – notfalls mit Waffengewalt, auch wenn ihm der angebotene Whisky auf den Magen schlägt.
Auf seiner Gitarre dudelt er seinem trinkfreudigen falschen Priester ein selbst komponiertes Liebeslied vor – dass er seiner Angebeteten widmen will – samt dem niedlichen Miniaturpferd Butterscotch. Auch der Film dudelt so vor sich hin, während ab und an skurrile Gestalten und Situationen auftauchen. Bis Samuel Alabaster auf die Hütte mit der gefangenen Angebeteten stößt – nun kommt es zu den blutigen Kämpfen des Wilden Westens. Das den Toten gleichzeitig die Hose ausgezogen wird und ein anderer in der Latrine verschwindet, macht das ganze zwar harmlos, zeigt aber nur um so deutlicher die zu gewollte Slapstikintention des Filmes.
Aber hier nimmt der Film an Fahrt auf, nicht minder wegen der taffen Penelope, die alles andere als vor Entzücken über ihren schmachtenden Befreier aufschreit. Und es kommt zu überraschenden Momenten.
Robert Pattinson überzeugt halbherzig in seiner Rolle als couragierter Troubadour, zu gewollt wirkt die gelegentliche Tölpelhaftigkeit seiner Figur. Allerdings wird es ihm auch nicht leicht gemacht, zu eindimensional ist seine Rolle gestrickt. Mia Wasikowska kann da in ihrer Rolle der taffen Penelope intensiver agieren. Ihr Zorn und ihre Wut ist überzeugend und bemerkenswert gespielt. Und ihre Desillusionierung über all diese Männer im Wilden Westen, die sich als Feiglinge, Betrüger und Weicheier ohne Moral entlarven.
Der Film kann sich über lange Zeit nicht entscheiden, was er eigentlich will. Eine Western-Klamotte? Ein gesellschaftskritischer Aufzeigen von veralteten traditionellen Geschlechterrollen? Ein lustiges Spiel im traurigen Wilden Westen?
Zu viele halbgare Ansätze auf einmal machen es schwer zu überzeugen. Die Dialoge sind simpel und die komödiantischen Momente oft plump und zu dick aufgetragen. Überraschende und unvorhersehbare Momente verpuffen durch das mangelndes komödiantisches und filmische Timing. Das macht den Film über Strecken ermüdend und kann daher nur gelegentlich zünden– auch wenn ab und an neuartige und interessante Situationen hervorblitzen – der Film ist zu lang geraten und schwebt irgendwo an der Oberfläche im Nirgendwo amerikanischer Wildnis und durchaus süßen Zwergponys mit Huhn auf dem Rücken.
Ausgezeichnet ist die Kameraführung und die Bilder der Landschaft und Weite der Prärie. Dem Kameramann gelingt es in wunderschönen Bilder der gelblichen Prärie einzufangen – als Hochglanzwestern mögen sie aber nicht recht passen zum ironischen Ton der Geschichte.
Am Interessantesten ist die Figur der selbstbestimmten Penelope, die sich zu helfen weiß. Nicht nur mit Flinte und Sprengstoff. Sie sagt: „Ich weiß, das ich nicht alles weiß. Aber ich weiß ausreichend viel.“ Da ist sie schon mal weiter als so mancher selbstgefällige Mann und der ad absurdum geführte Geschlechterkampf. Leider kann sich der Film nicht entscheiden zwischen Klamotte und engagierten Diskursbeitrag. Die Männer werden in „Damsel“ auf die Schippe genommen, eine Frau zeigt ihre Entschlossenheit und Durchsetzungskraft – und das ist ein guter Beitrag – mit den alten Strukturen und Hierarchien aufzuräumen.
Filmografische Angaben
Titel: Damsel
Land: USA
Jahr: 2017
Regie/Buch: David und Nathan Zellner
Kamera: Adam Stone
Musik: The Octopus Project
Masek: Amy Forsythe
Kostüme: Terry Anderson
Schauspieler: Mia Wasikowska, Robert Pattinson, David Zellner, Nathan Zellner, Robert Forster, Joe Billingiere
Produzenten: Nathan Zellner, Chris Ohlson, David Zellner
Ausführende Produzenten: Jim Reeve, Robert Halmi Jr.